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Milton hatte den Bunker unter dem Keller des Einfamilienhauses zufällig entdeckt. Seine Großmutter war damals schon einige Monate tot. Er hatte einen neuen Laserdrucker gekauft und ihn an die Mehrfach-Steckdose angeschlossen, an der schon der stationäre Computer, der Bildschirm und sein Festnetztelefon Strom saugten. Das war zu viel für die alten Leitungen. Es knallte wie ein Pistolenschuss, als die Hauptsicherung herausflog, und im ganzen Haus die Lichter ausgingen.

Mit einer Taschenlampe bewaffnet, ging Milton in den Keller, um die Sicherung zu wechseln.

Im Schein der Lichtinsel seiner Lampe übersah er den fadenscheinigen Teppich auf dem Kellerboden und stolperte. Dabei verlor er die Lampe. Sie prallte auf den Boden und verlosch. Milton tastete danach und spürte stattdessen das Gewebe des Teppichs unter seinen Fingern. Als er seine Hand fortziehen wollte, blieb eine Gewebefaser am Verschluss seiner Uhr hängen, und er hob den Teppich in die Höhe. Milton tastete weiter nach der Lampe und spürte dabei etwas Hartes, Kaltes unter seinen Fingern. Es war nicht die Taschenlampe, sondern der Verschluss einer Falltür. Das erkannte er jedoch erst einige Minuten später, als er die Lampe schließlich gefunden hatte. Er schüttelte sie, und der Lichtfinger durchstach die Dunkelheit des Kellers.

Milton wechselte die Sicherung und schaltete das Licht an. Der staubige Teppichläufer war ihm niemals zuvor bewusst aufgefallen. Und auch nicht, was darunter verborgen war. Milton bückte sich und untersuchte den Verschluss der Bodenklappe. Er war im Boden eingelassen, daher war er unter dem Teppich weder zu sehen noch zu tasten gewesen.

Die Klappe war unverschlossen, das passende Vorhängeschloss fehlte. Milton versuchte die Luke anzuheben und war erstaunt, wie schwer sie war. Er zog und riss an dem Bügel, doch nichts geschah. Ich brauche einen Hebel, dachte er und sah sich im Keller um. Neben dem Regal mit den Einmachgläsern seiner Oma stand ein Spaten. Milton nahm in und hebelte ihn in die schmalen Lücke zwischen Kellerboden und Klappe. Mit voller Kraft lehnte er sich auf den Stiehl und fürchtete schon, er würde brechen.

Mit einem seltsamen Geräusch hob sich die Falltür einige Zentimeter. Es hörte sich an wie das Bellen eines bösartigen Hundes: Wuff!

Milton steckte das Spatenblatt in den entstandenen Zwischenraum, damit die Falltür nicht wieder in den Rahmen fiel, packte eine Kante und wuchtete die Klappe vollends auf die Seite. »Uuuh!« Er wendete sich angeekelt ab. Aus dem Loch entwich ein Gestank, der ihm den Atem nahm. Die abgestandene Luft roch nach verfaultem Gemüse und Schlimmerem. So muss es gewesen sein, als Harold Carter 1922 das Grab Tutanchamuns öffnete, dachte Milton.

Er leuchtete in die Dunkelheit und entdeckte eine steile Holzleiter, die in die Tiefe führte. Milton nahm die Lampe zwischen die Zähne und stieg die Sprossen hinab. Es knackte, als er auf sie trat, doch sie hielten seinem Gewicht stand. Unten angekommen, suchte er im Schein der Taschenlampe einen Lichtschalter, fand jedoch nur eine Steckdose und ein verdrecktes Waschbecken mit Wasserhahn.

Der Raum lag vor ihm. Links war er durch drei gemauerte Wände unterteilt, so dass insgesamt vier Nischen entstanden waren. Milton schätzte, dass sie drei Meter tief und anderthalb Meter breit waren. Jede Nische war mit einer Gittertür verschlossen, die über die gesamte Breite reichte.

Was ist das hier, fragte sich Milton.

Der Bunker war entstanden, lange bevor er geboren wurde. Sein Opa Norman hatte ihn graben lassen, als er Anfang der 60-er Jahre begann, das Haus zu bauen. Opa Norman war schon immer etwas vorsichtig gewesen. Manche sagten auch »paranoid«.

»Wenn die Russen ihre Atombomben werfen, werden wir nicht verglühen. Wenn alle sterben, werden wir leben. In unserem eigenen Haus«, hatte er zu seiner Frau gesagt und gemeint, er würde sie damit beruhigen. Bewirkt hatte er das Gegenteil. Auch Oma zählte zu den Menschen, die Opa Norman für paranoid hielten.

Ausreden konnte sie ihm seine Pläne jedoch nicht. Diesmal nicht.

Und so ließ Opa Norman einen zweigeschossigen Keller ausheben und richtete das Untergeschoss als Bunker ein, den er durch eine Falltür betreten konnte. Die Mauern der Nischen ließ er ziehen, um das Fundament des darüber liegenden Gebäudes abzustützen. Auf Wasser und Strom hätte er verzichtet, und auf den Abfluss in der Mitte des Raums ebenfalls, doch James Walker, den er mit dem Bau beauftrag hatte, legte die Anschlüsse in dem Glauben, Norman habe sie in seinen Plänen schlicht vergessen. Und da Opa Norman nicht nur paranoid war, sondern auch aufs Geld schaute, betrachtete er sie als Geschenk. »Vielen Dank«, sagte er. »Aber glaub nicht, dass ich dir dafür etwas extra zahle.«

Zunächst war Walker so erbost, dass er die Anschlüsse wieder herausreißen wollte. Weil ihn das aber Zeit und Geld kosten würde, ließ er es sein.

Fenster gab es in dem unterirdischen Raum natürlich nicht. Atemluft gelangte lediglich über ein Rohr in den Bunker, das sich mit einem Drehrad im Kellerraum abdichten ließ. War es verschlossen, drang Luft weder hinein noch hinaus. So wollte Opa Norman sicherstellen, dass im Falle eines Atombombenangriffs keine nuklear verseuchten Gase in den Schutzraum gelangen konnten. Sollte ein Angriff der Russen wahrscheinlich werden, würde er Gasflaschen mit komprimiertem Sauerstoff besorgen, dazu Atemmasken. So würden er und seine Familie die ersten Tage nach dem Fallout tief unter der Erde überleben. Opa Norman hatte an alles gedacht.

Jahrelang lagerte er mit Wasser gefüllte Kanister im Bunker. Alle paar Monate tauschte er das abgestandene Wasser gegen frisches aus. »Zum Glück habe ich den Anschluss hier. Das macht alles viel leichter. Vielen Dank, Jimmy Walker, du Trottel«, hatte er stets hämisch gelacht, wenn er die großen Plastik-Behälter über dem Ausguss entleerte und mit dem Schlauch füllte, den er am Hahn über dem Becken befestigt hatte.

Er stellte Regale auf und füllte sie mit haltbaren Lebensmitteln: Bohnen, Büchsenfleisch, Dosenbrot, Schokolade und Zwieback. Er besorgte günstige Matratzen und legte sie in die Nischen, damit er und seine Familie es ein wenig gemütlich haben würden, wenn die Welt über ihnen in einem nuklearen Sturm verging.

Als Russen und Amerikaner während der Kubakrise kurz davor waren, die Erde tatsächlich zu verwüsten, verspürte Norman Taylor ein erregtes Hochgefühl. Wie damals auf der Pferderennbahn, als er die Dreierwette richtig getippt hatte, nur vielfach intensiver. »Habe ich doch Recht gehabt«, sagte er zu seiner Frau, als die Nachrichtenmagazine im TV Bilder zeigten, wie nahe sich amerikanische Fregatten und russische Transportschiffe mit ihrer zerstörerischen Last aus Atomraketen in der Karibik gegenüberstanden. Seine Frau schaute ihn an und bemerkte seine leuchtenden Augen, antwortete aber nichts. Seit Jahren schon beschränkte sich ihre Konversation auf ein Minimum, als hätten sie alle Worte bereits vor langer Zeit ausgetauscht.

Als die Bomben entgegen Norman Taylors Erwartung dann doch nicht fielen, war er mehr als nur ein wenig enttäuscht. Norman überlegte, wie er den Bunker nutzen könnte, und hatte schließlich eine Idee: Er würde Champions züchten. Dafür musste der Raum doch wie geschaffen sein, dunkel und feucht, wie er war. Im Laufe der kommenden Monate verbrachte Norman fast jede freie Stunde bei seinen Pilzen. »Du wirst sehen, die Top-Restaurants der Stadt werden sich um meine Champignons reißen«, sagte er seiner Frau. Diesmal antwortete sie ihm und drohte, die Pilz-Zucht mit Benzin zu übergießen und das Kapitel ein für alle mal zu beenden.

Daraufhin tauschte Opa Norman nicht nur das Vorhängeschloss der Bodenklappe aus, sondern ließ sich von James Walker vier Gittertüren schweißen, die er vor die Nischen schraubte und jeweils mit einem schweren Schloss versperrte. Sollte doch jemand versuchen, seine Champions zu stehlen!

Paranoid halt.

Der Erfolg seiner Pilzzucht hielt sich in Grenzen. Die Köche der besten Restaurants der Stadt standen nicht, wie erwartet, Schlange bei Norman Taylor, doch immerhin verkaufte er samstags regelmäßig ein paar Pfund von seinen Champignons an einem Stand im Vorgarten.

Von jetzt auf gleich war dann Schluss mit der Pilz-Zucht. Nachdem ein erster Schlaganfall Opa Norman regungslos machte wie seine Pilze, und ihn ein zweiter ein halbes Jahr später von seinem Zustand als menschliches Gemüse erlöste, geriet der Bunker in Vergessenheit. Oma hatte sich nie die Mühe gemacht, den Raum über die steile Holzleiter zu betreten – sie hatte bereits recht früh einen Umfang wie ein LKW-Reifen - , sondern legte einen Teppich über die Bodenklappe und verplombte so den Bunker. Der Raum geriet in Vergessenheit, bis zu diesem Tag Jahrzehnte später, als Milton seine ganze Kraft einsetzen musste, um die vakuum-versiegelte Falltür zu öffnen.

Punished

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