Читать книгу Punished - Markus Gotzi - Страница 6
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Оглавление»Hallo Nerdlinge, wie war euer Tag?« Harold stellte sein Tablett mit dem Mittagessen aus der Kantine auf dem Tisch ab, an dem Milton und Lionel bereits Platz genommen hatten. Er setzte sich und begann, Käsemakkaroni in sich hineinzuschaufeln.
»Harold, du Heimkind! Friss doch nicht so! Und mach den Mund zu! Wird das jetzt zur Gewohnheit? Niemand nimmt dir etwas weg.« Lionel hielt sich demonstrativ die Hand vor die Augen.
»Ich habe drei Brüder und zwei Schwestern. Unser Mittagessen war ein täglicher Kampf um jede Kalorie.«
»Da hast du wohl nur selten etwas auf die Gabel bekommen«, meinte Milton und spielte damit auf Harolds Körpergröße an. Leicht hätte er als Jockey durchgehen können. Er war knapp 1,65 Meter groß und wog nicht viel mehr als eine Kiste Cola. Mit seinem helmartigen Haarschnitt erinnerte er an Ringo Starr, was ihm bei seinen Kommilitonen den Spitznamen »Walross« eingebrockt hatte: Als Gegenteil seiner dürren Statur zum einen und in Anlehnung an den Beatles-Song »I am The Walrus« zum anderen.
»Aber um auf deine Frage zu antworten«, begann Milton und tupfte sich mit der Papierserviette einen Fleck Ketchup von seinem Mundwinkel. Er seufzte. »Katastrophal!« Milton schob sein Tablett in die Tischmitte. Er hatte seinen Salat kaum angerührt. »In meinem Kurs sitzen nur dumme Menschen. Keine Ahnung, wie aus ihnen mal Chemiker werden sollen.«
»Sei nicht so streng. Es sind alles Erstsemester. Vor ein paar Wochen haben die meisten von ihnen noch für ihren Schulabschluss gebüffelt. Da schau.« Lionel zeigte auf die lange Schlange vor der Essensausgabe. So voll war es in der Mensa nur in den ersten Wochen nach Semesterbeginn. Erfahrungsgemäß dauerte es nicht lange, bis die neuen Studenten Käse-makkaroni, Hamburger mit Pommes frites und Salat mit Joghurtsauce satt hatten. Die Mensa der University of New England war nicht gerade ein Gourmet-Tempel.
Milton wandte sich wieder an seine Tischnachbarn. »Das ist keine Entschuldigung. Stellt euch vor: Heute habe ich meine Studenten gefragt, was ihre liebste Aminosäure ist. Und was haben sie geantwortet?«
»Lass mich raten«, unterbrach ihn Harold. »Sie haben gefragt, was eine Aminosäure ist.«
»Wenn es doch nur so gewesen wäre«, sagte Milton. Er machte eine dramatische Pause wie ein schlechter Schauspieler auf einer Provinzbühne. »Leucin! Könnt ihr euch das vorstellen? Einige nannten doch tatsächlich Leucin!« Leucin spielt eine zentrale Rolle im Stoffwechsel des Muskelgewebes und interessierte Milton daher überhaupt nicht. Wer Muskeln hatte, war meistens schwach im Geiste. Er selbst passte bei einer Größe von 1,90 Meter ohne Probleme in T-Shirts der Größe M. An diesem Mittwoch trug er ein rotes Hemd mit Albert Einsteins Formel der Relativitätstheorie E=mc2 in weißer Schrift. Der Mittwoch war einer von Miltons »Freie Auswahl«-Tagen. Dann kamen Shirts zum Einsatz, die er keiner klaren Kategorie zuordnen konnte. Der Dienstag war für Marvels Superhelden wie Spiderman, Hulk und die Fantastischen Vier reserviert, der Donnerstag für die Helden aus dem DC-Universe: Batman, Superman oder die Grüne Laterne.
»Dabei ist die Antwort doch ganz einfach«, ereiferte sich Milton. »Lysin!« Er schüttelte den Kopf. »Wir alle wissen doch, dass ein Mangel an Lysin zu spröder Haut, brüchigen Nägeln und sogar Haarausfall führen kann. Was für eine Generation von Chemikern soll da bloß heranreifen? Glatzköpfige Gestalten mit Schuppenflechte?« Milton betrachtete seine Fingernägel auf der Suche nach Flecken und Riefen und polierte sie anschließend, indem er sie über Einsteins Formel rieb.
Lionel trank einen Schluck Cola direkt aus der Dose und unterdrückte einen Rülpser. »Ich hoffe nicht, dass du sie mit einer Hausaufgabe bestraft hast: Warum Lysin meine liebste Aminosäure sein muss.« Harold lachte und reckte seine rechte Hand in die Höhe. »High Five«, sagte er, und Lionel schlug ein. Klatsch.
»Warum ist mir das nicht selbst eingefallen?«, meinte Milton. »Manchmal hast du tatsächlich überraschend gute Ideen.«
Harold kratzte seine letzten Nudeln zusammen und schob sich die Gabel in den Mund. »Du tickst doch nicht richtig«, sagte er. Milton schaute ihn missbilligend an, reagierte jedoch nicht auf die Beleidigung. Stattdessen fragte er: »Seid ihr fit für heute Abend?«
»Du meinst unseren Bowlingabend. Natürlich. Ich werde euch vernichten«, antwortete Lionel.
»Wer’s glaubt«, sagte Milton. »Mein zweiter Name ist Strike«. Er nahm sein Tablett, verließ den Tisch und schob es in ein leeres Fach der Ablage. »Ich dachte, dein zweiter Name ist Nervensäge«, rief ihm Harold hinterher und an Lionel gewandt: »Ist er nicht allerliebst, unser Milly?«
»Schräg aber harmlos«, antwortete Harold. »Schräg aber harmlos.«