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1. Freiheit und Gleichheit

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Unsere Rechtsordnung sieht die Menschen als Freie und Gleiche. Der Gedanke der Freiheit wirkt sich im Zivilrecht darin aus, dass die Menschen

(a) kraft ihres Daseins als Person als Inhaber von Persönlichkeitsrechten und personalen Schutzpositionen erscheinen (Näheres Rn 325 ff);

(b) rechtliche Handlungsfreiheit genießen, deren Kern die Vertragsfreiheit bildet und welche die Freiheit einschließt, beliebige wirtschaftliche Güter zu erwerben und zu veräußern;

(c) in ihren rechtmäßig erlangten Rechten und Schutzpositionen durch die Zivilrechtsordnung gegenüber anderen Personen geschützt werden.

Der Gleichheitsgrundsatz bedeutet im Zivilrecht, dass den Menschen

(a) die Persönlichkeitsrechte und personalen Schutzpositionen unter den gleichen Voraussetzungen und in gleicher Weise zustehen;

(b) bei Ausübung der Handlungsfreiheit die gleichen Regeln auferlegt und die gleichen Schranken gesetzt sind;

(c) der Rechtsschutz in gleicher Weise und gleichem Maß gewährt wird.

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Freiheit und Gleichheit aller bedingen eine permanente Pflichtsituation der Einzelnen im Verhältnis zueinander. Jeder hat die Rechte und Güter des anderen zu achten. In der Freiheit aller anderen liegt die „immanente Schranke“ der Freiheit jedes Einzelnen. Da die Freiheitsentfaltung einer Person als unendliche gedacht notwendig die Freiheit der anderen beseitigen würde, obliegt es der Rechtsordnung, die Freiheitsbereiche auszugestalten und zu begrenzen.

Das Prinzip der Freiheit bedingt ferner, dass das Zivilrecht nicht von einem umfassenden Prinzip der Solidarität der Menschen beherrscht wird. Die Folge davon ist, dass jeder in bestimmtem Umfang das Risiko für seine personalen und wirtschaftlichen Güter selbst zu tragen hat und nicht beliebig auf andere oder auf die Gemeinschaft abwälzen kann. Soll jemand von einem anderen Ersatz für erlittenen Schaden verlangen können, so müssen besondere Zurechnungsgründe vorliegen, welche die Risikoverschiebung rechtfertigen.

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Die rechtliche Gleichheit ist seit der Aufklärung gegenüber den gesellschaftlichen Gliederungen des Feudalstaats durchgesetzt worden. Beseitigt wurden der Rechtsstatus der geminderten Freiheit (Hörigkeit, Leibeigenschaft); aufgelöst wurden die vererbliche Privatobrigkeit in Gestalt der Guts- und Grundherrschaft des Adels über die Bauern; aufgehoben die zivilrechtliche Trennung zwischen den Ständen (Adel, Bauer, Bürger). Die durch Geburt vermittelte Standeszugehörigkeit verschwand als generelle Statusbestimmung aus dem Zivilrecht.

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Das Prinzip der Gleichheit hindert nicht, zwischen Personengruppen sachlich begründete Unterscheidungen zu machen. So ist die Normierung des Handelsrechts als des Sonderrechts der Kaufleute sach- und nicht schichtbezogen, weil im Zeichen der Handels- und Gewerbefreiheit die Berufe keinen exklusiven Personenkreis umschreiben: Jeder kann Kaufmann werden und hat somit Zugang zu den berufsspezifischen Regelungen. Gleiches gilt für die durch Gesetz vom 27.6.2000 in das BGB eingeführten Rollenbeschreibungen des Verbrauchers (§ 13) und des Unternehmers (§ 14): Diese Unterscheidung knüpft an den Zweck der von einer Person getätigten Rechtsgeschäfte an und bildet die begriffliche Grundlage für die Regeln des Verbraucherschutzes.

Verbraucher ist nach § 13 jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Dabei ist zu beachten, dass der berufliche Zweck die Verbrauchereigenschaft nur dann ausschließt, wenn es sich um eine selbständige Berufstätigkeit handelt. Kauft ein Arbeiter beispielsweise selbst die Arbeitskleidung, die er im Dienst tragen will, so handelt er als Verbraucher – anders der Inhaber einer Anwaltspraxis, der sich eine neue Robe zulegt, denn der Kauf geschieht in diesem Fall im Rahmen einer selbstständigen Berufstätigkeit.

Unternehmer ist nach § 14 I eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Dafür genügt es, wenn das betreffende Geschäft im Zuge der Aufnahme einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit („Existenzgründung“) geschlossen wird (BGHZ 162, 253).

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Die Rolle des Verbrauchers oder Unternehmers haftet einer Person nicht wie eine Eigenschaft an, sondern differiert nach dem Zweckzusammenhang des einzelnen Geschäfts. Jede natürliche Person kann als Verbraucher oder als Unternehmer handeln – je nachdem können unterschiedliche Rechtsregeln einschlägig sein.

Aus der Definition des § 13 ergibt sich im Umkehrschluss, dass juristische Personen und rechtsfähige Personengesellschaften nicht Verbraucher sein können. Daraus würde folgen, dass auch eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (§ 705) nicht Verbraucher sein kann, wenn man ihr die Rechtsfähigkeit zuerkennt (dazu Rn 160). Gleichwohl hat BGH (NJW 2002, 368) die mögliche Verbrauchereigenschaft der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts („einer gesellschaftlich verbundenen Gruppe von natürlichen Personen“) bejaht, während der EuGH ausschließlich natürlichen Personen die Möglichkeit der Verbraucherrolle zumisst (NJW 2002, 205). Auch der Wohnungseigentümergemeinschaft wird vom BGH die Verbrauchereigenschaft zuerkannt, sofern ihr wenigstens ein Verbraucher als Mitglied angehört (BGHZ 204, 325 Rn 30 ff).

Je nachdem, in welchen Rollen die Parteien an einem Rechtsgeschäft beteiligt sind, kann man unterscheiden:

Geschäfte zwischen Unternehmer und Verbraucher (Business to Consumer)
Geschäfte zwischen Unternehmern (Business to Business)
Geschäfte zwischen Verbrauchern (Consumer to Consumer)
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