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Der Anspruch weist dem Berechtigten den Vorteil zu, den ihm der Verpflichtete durch pflichtgemäßes Verhalten verschaffen soll (Leistung). Für die schuldrechtliche Forderung enthalten die §§ 241 ff nähere Bestimmungen darüber, wie der Inhalt der Leistung bestimmt wird und in welcher Art zu leisten ist. Diese Vorschriften gelten, soweit sie nicht im speziellen Zusammenhang unpassend sind, auch für Ansprüche außerhalb des Schuldrechts.

Der Begriff des Schuldrechts bedarf der Erläuterung. Das zweite Buch des BGB trägt die Überschrift „Recht der Schuldverhältnisse“. Der hier gebrauchte Schuldbegriff hängt nicht mit der strafrechtlichen Schuld und auch nicht mit Verschulden zusammen, sondern mit „Schulden machen“, „jemandem etwas schulden“. Schuldverhältnisse (Obligationen) sind infolgedessen Verpflichtungsverhältnisse. Der Begriff ist aber eingeschränkt auf die im „Schuldrecht“ ausgeformten Arten, nämlich 1. auf Verpflichtungsverhältnisse, die nach dem Vorbild von Kauf, Miete etc auf einem Verpflichtungsgeschäft beruhen, ohne im Sachenrecht, Familienrecht oder Erbrecht geregelt zu sein, und 2. auf Verpflichtungsverhältnisse, die unmittelbar aus dem Gesetz folgen und im besonderen Schuldrecht geregelt sind (gesetzliche Schuldverhältnisse, zB aus ungerechtfertigter Bereicherung, §§ 812 ff, aus unerlaubter Handlung, §§ 823 ff). Schuldrechtliche Forderung ist demnach eine Forderung, die aus einem Schuldverhältnis entspringt.

Die Einteilung der Verpflichtungsverhältnisse in Schuldverhältnisse und andere (zB sachenrechtliche, familienrechtliche, erbrechtliche) ist wenig aussagekräftig. Daher werden die §§ 241 ff auch auf Ansprüche angewendet, die nicht im Schuldrecht wurzeln.

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Der Inhalt der Leistung ergibt sich bei rechtsgeschäftlichen Ansprüchen aus dem Inhalt des Rechtsgeschäfts, bei gesetzlichen Ansprüchen aus der Anspruchsnorm. Im Prinzip kann jegliches menschliche Verhalten als Leistung geschuldet sein bis hin zu der Grenze, ab der unser politisches und kulturelles Selbstverständnis die Entäußerung von Freiheit und Menschenwürde verbietet (siehe § 138, Rn 670 ff). In Betracht kommen etwa Ansprüche auf Übergabe einer Sache, auf Zahlung von Geld, auf Reparatur einer Maschine, auf Leistung von Diensten, auf Abgabe einer Willenserklärung oder auch nur auf Unterlassung bestimmter Handlungen (§ 241 I 2). Der Anspruch kann so gestaltet sein, dass Schuldner oder Gläubiger zwischen mehreren Leistungen wählen können (Wahlschuld, § 262) oder dass der Schuldner die an sich geschuldete Leistung durch eine andere ersetzen kann (Ersetzungsbefugnis, facultas alternativa). Geschuldet können sein ein einmaliges Tun oder wiederkehrende Leistungen (zB Ratenzahlungen) oder ein permanentes Verhalten (zB die Gewährung des Gebrauchs an einer Sache, § 535 I 1).

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Für die Bestimmung des Leistungsgegenstandes spielt der Unterschied zwischen Stückschuld und Gattungsschuld eine besondere Rolle.

Der Leistungsgegenstand kann nämlich individuell bestimmt sein, so etwa wenn jemand ein ganz bestimmtes Grundstück oder eine gebrauchte, vom Onkel geerbte Uhr verkauft; dann ist dieses individuelle Stück und kein anderes (mag es ihm auch noch so gleichen) tauglicher Gegenstand der Leistungshandlung (Stückschuld).
Der Leistungsgegenstand kann hingegen auch so bestimmt sein, dass nur bestimmte Gattungsmerkmale festgelegt sind; jedes Exemplar, das die Gattungsmerkmale trägt, ist tauglicher Gegenstand der Leistungshandlung. Verkauft ein Händler eine Waschmaschine vom Typ „Edelweiß“ nach Katalog, so schuldet er die Lieferung eines x-beliebigen Exemplars des genannten Typs (Gattungsschuld). Für Gattungsschulden bestimmt § 243 I, dass Gegenstände mittlerer Art und Güte zu leisten sind, sofern keine anderweitige Absprache unter den Beteiligten besteht (zur Gattungsschuld siehe ferner Rn 829).

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Weder Stückschuld noch Gattungsschuld ist die Verpflichtung, eine bestimmte Summe Geld zu zahlen (Geldschuld, Zahlungsverpflichtung). Unter Geld versteht man einen abstrakten Wertmaßstab für wirtschaftliche Güter und Leistungen. In Gestalt von verkörperten Geldzeichen (Münzen, Scheinen) und von Buchungseinheiten dient es als allgemeines Tauschmittel. Die staatliche Gesetzgebung bestimmt, welche Geldzeichen als Zahlungsmittel angenommen werden müssen (gesetzliche Zahlungsmittel). Die Geldschuld verpflichtet den Schuldner, dem Gläubiger gesetzliche Zahlungsmittel in Höhe des Nennbetrages zu verschaffen. Er kann dies tun, indem er entweder dem Gläubiger eine den Nennbetrag abdeckende Menge von Geldzeichen übereignet (Barzahlung) oder indem er dem Gläubiger durch Einzahlung oder Überweisung auf ein Konto ein sofort fälliges Guthaben verschafft (bargeldloser Zahlungsverkehr).

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Der Schuldner einer Zahlungsverpflichtung schuldet grundsätzlich die Verschaffung des Nennbetrags in der geschuldeten Währungseinheit (z B. Euro). Gleichgültig ist, ob sich der Tauschwert der Währungseinheit seit Begründung des Schuldverhältnisses verändert hat oder nicht. Hatte jemand zB im Jahre 1980 ein unverzinsliches Darlehen von 10 000 DM aufgenommen, das er im Jahre 2000 zurückzahlen musste, so schuldete er die Zahlung von 10 000 DM, obwohl infolge von Preissteigerungen der Tauschwert der Mark seitdem erheblich gesunken war und er, so gesehen, weniger zurückgab als er empfangen hatte. Das Nennbetragsprinzip gilt auch für die Zeit ab Einführung des Euro.

Das Nennwertprinzip findet seine Grenze im Prinzip von Treu und Glauben (§ 242). Nach dem 1. Weltkrieg hatte die Geldentwertung ein solches Ausmaß angenommen, dass das Reichsgericht sich befugt gehalten hat, Zahlungsansprüche aufzuwerten (RGZ 107, 78; 111, 372). Wenngleich seit Einführung der DM und des Euro kein extremer Tauschwertverfall stattgefunden hat, ist die Rechtsprechung fortgeführt worden, zB bei Ansprüchen auf Zahlung von Versorgungsbezügen (BGHZ 61, 31) oder bei krassen Störungen des Gleichgewichts von Leistung und Gegenleistung (Äquivalenzstörungen), die durch die Währungsentwicklung bedingt waren (zB: BGHZ 86, 167; BGHZ 91, 32). Seit der Schuldrechtsreform von 2002 ist das Problem unerwarteter Entwicklungen des Tauschwerts einer Währung nach § 313 BGB zu beurteilen (Rn 646). Der Aufwertung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben unterliegen auch Dauerschuldverhältnisse, die kraft Gesetzes entstanden sind (zB Schmerzensgeldrente, BGH NJW 2007, 2475).

Im Rahmen der Vertragsfreiheit können die Parteien eines Schuldverhältnisses Regelungen vereinbaren, die das Nennwertprinzip modifizieren und zB eine Anpassung einer Zahlungsverbindlichkeit an veränderte Währungsverhältnisse vorsehen. Allerdings besteht diese Möglichkeit nur in gesetzlich beschränktem Umfang (siehe Preisklauselgesetz vom 7.9.2007 BGBl. I 2247).

Literatur zur Geldschuld:

B. v. Maydell, Geldschuld und Geldwert, 1974; H. Kollhosser, JA 1983, 49; K. Schmidt, JuS 1984, 737; S. Simitis, AcP 159, 406: W. Möschel, AcP 186, 187; D. Coester-Waltjen, Jura 1998, 103; L. Kähler, AcP 206, 805; C. Herresthal, ZGS 2008, 259; M. Schwab, NJW 2011, 2833; J. Heyers, JZ 2012, 398; R. Freitag, AcP 2013, 128; A.E. Martens, Grundfälle zu Geld und Geldschulden, JuS 2014, 105, 200.

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