Читать книгу Einführung in das Zivilrecht - Martin Löhnig - Страница 92

a) Das Verbot privater Gewaltübung; Ausnahmen

Оглавление

206

Wird ein Recht beeinträchtigt oder eine Verpflichtung nicht erfüllt, so erhebt sich das Problem der Durchsetzung mit Zwangsmitteln. Seit der Staat der frühen Neuzeit das Gewaltmonopol an sich gezogen hat, ist es dem Grundsatz nach unstatthaft, Rechtspositionen mit Hilfe privater Gewaltübung, dh durch Eingriff in die Rechte anderer ohne deren Willen, durchzusetzen. Vielmehr ist der Berechtigte gehalten, sich an die staatliche Rechtsschutzorganisation zu wenden, die zur Verwirklichung der Rechte ihre Hoheitsgewalt einsetzt.

207

Nur in Ausnahmefällen ist private Gewaltübung in dem genannten Sinne erlaubt, in erster Linie bei defensiven Maßnahmen (§§ 227, 228, 859 I, 904 BGB; §§ 32, 34 StGB), sodann auch zum Zwecke der Selbsthilfe (§§ 229–231; §§ 562b, 859 II, III).

(1) Die Notwehr ist die Verteidigung, welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden (§ 227 II BGB, § 32 II StGB). Die durch Notwehr gebotene Handlung ist nicht widerrechtlich (§ 227 I), auch wenn sie die Rechte und Schutzinteressen des Angreifers beeinträchtigt.

(2) Notstandshandlungen können gem. §§ 228, 904 BGB und § 34 StGB rechtmäßig sein.

(a) Gemäß § 228 S. 1 BGB handelt nicht widerrechtlich, wer eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, um eine durch diese Sache drohende Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden; vorausgesetzt ist jedoch ferner, dass die Beschädigung oder Zerstörung zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist und dass der Schaden nicht außer Verhältnis zu der Gefahr steht. Hat der Handelnde die Gefahr selbst verschuldet, so ist er zum Schadensersatze verpflichtet (§ 228 S. 2).

(b) Der Notstand gemäß § 904 BGB setzt voraus, dass durch die Einwirkung auf eine Sache eine gegenwärtige Gefahr, die nicht von der Sache selbst ausgeht, abgewendet werden kann (zB: ein Brand kann nur von einem benachbarten Garten aus unter Beschädigung der Pflanzen bekämpft werden). Die Einwirkung auf die Sache ist rechtmäßig, wenn sie zur Abwendung der Gefahr notwendig ist und wenn der drohende Schaden gegenüber dem aus der Einwirkung entstehenden Schaden unverhältnismäßig groß ist. Der Eigentümer der aufgeopferten Sache kann Schadenersatz verlangen (§ 904 S. 2).

(c) Weiter ist der rechtfertigende Notstand nach § 34 StGB gefasst: Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine „Tat“ begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt; es gilt dies nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.

208

(3) Die erlaubte Selbsthilfe (§§ 229–231) bezieht sich auf die Durchsetzung von Ansprüchen. Sie besteht in Maßnahmen, die darauf abzielen, einen Anspruch durch private Gewaltübung zu sichern oder durchzusetzen. Eine derartige Selbsthilfe, die sogar in der Festnahme eines fluchtverdächtigen Schuldners bestehen kann, setzt voraus, dass obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert wird (§ 229, weitere Einschränkungen § 230). So darf z.B. der Vermieter die Wohnung nicht einfach eigenmächtig räumen, wenn er wegen Mietrückständen gekündigt hat und der Mieter unbekannten Aufenthalts ist; er muss zunächst den Mieter auf Räumung verklagen (BGH NJW 2010, 3434).

Einführung in das Zivilrecht

Подняться наверх