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Ruha 3

Lilli und Ada kannten Ruha von den gemeinsamen Tagen in der Uni. Dass sie einen Typen mitbrachte, war nichts Ungewöhnliches, dass sie es ankündigte, schon. Sonst war sie oft mitten in der Nacht aufgetaucht, angetrunken oder stoned, aufgedreht, mit einer wahllosen Begleitung, die am nächsten Morgen schon wieder bedeutungslos war. Die kaputte Ruha, so nannte Lilli sie, als ob es da etwas zu reparieren gegeben hätte. Eine Schraube locker, Dampf ablassen, Gas geben, der Zug ist abgefahren, all diese mechanischen Metaphern, die verrieten, dass die Psychologie um dieselbe Zeit wie die Maschinen erfunden wurde. Heute würden Freudianer doch sagen: Bei Ruha sind ein paar Pixel verschoben, ihre Festplatte taktet nicht rund, ihre Usability ist nicht nutzergerecht. Ada war in Form. Fing sie zu reden an, hörte sie nicht auf, solange weitere sagbare Gedanken hinterherschossen, und das konnte lange gehen, denn sie war blitzgescheit. Lilli war immer wieder erstaunt, dass sie Ada ertragen konnte. So stellte sie sich Liebe vor: Zusammenleben mit einem Menschen, dem man ohne den Impuls die Flucht ergreifen zu müssen zuhören kann, egal welchen Mist er wieder redet. Leider war ihr so ein Mann noch nicht untergekommen und deshalb lebte sie mit Ada in der viel zu großen WG, deren leere Räume regelmäßig von Gästen belagert wurden.

Der Typ, mit dem Ruha diesmal aufgetaucht war, stellte sie allerdings vor ein Rätsel. Ums Ficken schien es hier nicht zu gehen. Alkohol lehnte er ab, verlangte höflich einen Tee, Drogen schien auch kein Thema, obwohl sie ihm zu seinem Kaftan und Turban auf den ersten Blick eine leicht bekiffte Verpeiltheit zugetraut hatte. Doch das war es nicht. Er sah verdammt gut aus, sportlich, selbstbewusst, aber Ada hatte noch nicht das Gefühl, hinter das eigentliche Geheimnis gekommen zu sein, was ihn so anziehend machte. Vor zwei Tagen waren die beiden eingezogen. Zu Fuß aus der Nachbarstadt hergewandert, mit klug gepackten Rucksäcken und dem Plan, zu den Quellen des Flusses zu laufen, wenn sie das richtig verstanden hatte.

Und du, Lilli ließ nicht locken, Computer, ist das dein Ding? Siddhartha dachte nach, bevor er antwortete. In Anwesenheit von Lilli fiel das als besonders bemerkenswerte Eigenheit auf. Doch, antwortete er, noch auf die Einstiegsthesen konzentriert, doch, die Psychologie und die Mechanik, sie fußen auf derselben Logik, wenn-dann, es sind Wissenschaften. Sie beschäftigen sich mit Kräften, die in Raum und Zeit zwischen Körpern wirken. Die Vorstellung einer abgeschlossenen Ganzheit spielt dabei eine bedeutende Rolle, Veränderung wird als Beschädigung und Zerstörung wahrgenommen. Als Abrieb und Verschleiß. Als Verlust. Ich verstehe, was du an Ruha als kaputt und nicht UX-optimiert diagnostizierst. Aber ich glaube, ob Auto oder Computer, beide liefern eben nur Metaphern, und da waren die Bilder aus der Natur treffender. Man maß die Menschen an den Göttern, dem Wald und dem Monsun. Die Götter kämpfen und vergehen, der Wald wächst und verbrennt, der Monsun weht und verweht. Ich sehe in Ruha das: eine Göttin, einen Baum, einen Wind. Sie lebt. In Indien kannten wir das Konzept von Ganzheit und Verlust nicht. Es gibt nur Austausch und Wandel. Alles atmet.

Alle waren für einen Moment still. War das eben eine Liebeserklärung? Oder ist er doch bekifft? Oder war das weise? Ada entschied sich für Letzteres. Ihr wollt also echt bis zu den Quellen wandern? Es schien ein guter Moment, das Thema darauf zu bringen. Ruha wartete, ob Siddhartha antworten würde, setzte dann aber selbst an.

Siddhartha auf Tour

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