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Ruha 7

Ruha zog den Ring vom Finger und betrachtete ihn intensiv. Dieser Mann hatte erstaunliche Ruhe in ihr Leben gebracht. Sein Plan hatte erst reichlich verrückt geklungen, aber Siddhartha hatte Recht behalten. An der frostigen Luft, Gehen, Wasser trinken, das Obst, das Gemüse, die Meditationen. Allmählich konnte sie wieder ein paar Stunden durchschlafen. Kein Brandgeruch in den Träumen. Keine Fensterstürze.

Die Geschichte, die sie den Mädels erzählt hatte, war purer Unsinn. Sie war nie in Amerika gewesen. Es gab keinen spanischen Paul. Aber es hatte Ann gegeben. Eigentlich hieß sie Marie. Marie war die beste Freundin ihrer Mutter, sie waren sich nähergekommen, näher als Maries Mann und Ruhas Mutter sich das je hätten vorstellen können. Näher, als sie beide das gedacht hätten. Die Affäre ging über ein Jahr. Dann brannte es tatsächlich. In Maries Wohnung in einem luxuriösen Neubaugebiet. Ihr Mann war auf einer Dienstreise, sie hatten geredet, Wein getrunken, gelacht, kurz über die Option gestritten, einen Koffer zu packen und abzuhauen, sich auf dem Teppich vor den offenen Balkontüren geliebt und waren dann selig im Ehebett eingeschlafen, Arm in Arm, glücklich. Wie sich später herausstellte, hatte am Neubau jemand an der falschen Stelle gespart, eine Leitung schmorte durch, ein Vorhang fing Feuer, Marie atmete schon nicht mehr, als Ruha hustend aufwachte. Wochen-, monatelang quälte sie die sinnlose Frage, ob sie vom eigenen Husten oder von Maries aussetzendem Atem geweckt worden war. Letztere Vorstellung war unerträglich. Vom Tod der Freundin gerettet. Ruha beschloss zu sterben. Sie lag eines Morgens in ihrem Zimmer, in ihrem Elternhaus, starrte an die Decke, und beschloss, sich sterben zu lassen. Sie würde keinen Selbstmord begehen, das war sie nicht wert, aber sie würde dem Tod ab sofort nicht mehr ausweichen. Sie würde ihm eine faire Chance geben.

Sie ging mit geschlossenen Augen über die Straße, sie steckte sich im Club liegengebliebene Spritzen in den Arm, aber der Rauchgeruch ging nicht aus ihren Kleidern, und schloss sie die Augen, brannten Flammen in ihre Lider. An einem besonders furchtbaren Leidenstag voller Erinnerungen schluckte sie alle Tabletten, die sie in den Medikamentenschächtelchen ihrer Eltern finden konnte und zog los. Es reichte zu nichts. Ihr wurde nur schlecht. Auf der Brücke spielte sie kurz mit dem Gedanken, doch zu springen, aber das wäre feige gewesen, sie wollte bestraft werden, nicht einen Sieg davontragen. Das nächste, an das sie sich erinnerte, war die sanfte Stimme Siddharthas, die ihm unter dem Baum ein Mantra vorsang.

Siddhartha auf Tour

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