Читать книгу Siddhartha auf Tour - Martin Wimmer - Страница 8

Оглавление

Eine Box mit hellblauen Romanen

Dann brachte Axel zu meinem Geburtstag zwei Überraschungen mit. Ein schweres Geschenk, üppig verpackt. Und die neue Freundin, von der er in den letzten Tagen schon viele Andeutungen gemacht hatte. Sie hatten sich bei einem Kino Open Air in Wasserburg kennengelernt. Axel war großer Kino-Fan, jobbte sogar in einem. Er war hin und weg gewesen. Vom ersten Tag an waren sie ein Herz und eine Seele. Seelenverwandte. Jetzt stand sie hinter ihm, mit denselben grünen Augen und den dichten, dunklen Augenbrauen wie heute, und schaute mich liebevoll-bittend an, versau es nicht, sei kein Spielverderber, wir kriegen das hin.

„Ihr kennt euch ja.“ Axel nahm es locker.

„Ja, so‘n bisschen.“ Claudia vermittelte.

„Mhm.“ Ich war ziemlich einsilbig. Das sollte mein Geburtstag werden? Ich verzog mich erst mal auf mein Zimmer und ließ die anderen unten Party machen. Ich hatte keine Ahnung gehabt. Ausgerechnet die beiden? Im Nachhinein scheint es komplett logisch, aus der Entfernung der Jahre und Kilometer ist es nachvollziehbar: Wie viele sportliche Intellektuelle in dem Alter gab es wohl im Einzugskreis? Dass die beiden aufeinandertrafen, war kein Wunder. Aber an dem Abend war ich am Boden zerstört. Alkohol trank ich nicht, ich wollte Herz und Verstand nicht verlieren, ich schrieb ein Gedicht, das ich Claudia zusteckte als sie wieder gingen. Ein sicher sehr schönes, wütendes, verzweifeltes, sehnsüchtiges Liebesgedicht, leider hab ich keine Kopie behalten. Am nächsten Morgen erst öffnete ich das Geschenk, von uns beiden, ha, und hielt die Hermann-Hesse-Box mit den kleinformatigen hellblauen Romanen in den Händen.

So blieb es unser halbes Leben lang. Axel pflückte die reifen Früchte vom Baum. Die beiden heirateten, führten eine glückliche Ehe, Haus, Amen. Und ich irrte mein Leben allein durch den Matsch und wurde regelmäßig von irgendwelchen Idioten umgesäbelt. Naja, so mies war es auch nicht. Selbstgewähltes Schicksal des einsamen Wolfes. Ich hatte es wirklich versucht. Richtige Brotberufe. In die Arbeit gehen. Meetings. Aufgaben erledigen. Geld verdienen. Ich hatte Freundinnen im Studium, im Büro, aus der Tochterfirma und vom Kunden. Ich wohnte in einem Altbau, ich besaß immer ein Auto. Ich ging einkaufen, ich wählte bei jeder Wahl, ich half mit, Kleinkunstbühnen am Leben zu halten. Aber ich fühlte mich nie verbunden mit dieser Welt. Wann immer es ernst wurde, war da ein coolerer, erfolgreicherer, begabterer Mann, der mich wegwummte. Das Projekt wurde erfolgreich beendet, die Wohnung war renoviert, das erste Konzert fand statt, aber ich war da schon mit der Nase im Dreck.

Wir waren zusammen aufgewachsen, wir liebten ein halbes Erwachsenenleben lang dieselbe Frau und jetzt liegt er da in der Grube und ich muss weiterleben. In den letzten Jahren hatten wir uns nicht mehr so oft gesehen. Doch als der Anruf von Claudia kam, wusste ich sofort, welche Verpflichtungen jetzt auf mich zukamen. Welche Bürden. Welche Hoffnung.

Siddhartha auf Tour

Подняться наверх