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7. Kapitel Kolumbien, Cartagena
ОглавлениеSeit die Truppe von Interpol das Büro von Anelisa Cortez und ihrem Partner Felipe Moreira wieder verlassen hatte, herrschte dicke Luft in dem kleinen Raum des Reviers. Cortez saß auf ihrem Stuhl und ging noch einmal die Zeugenaussagen in den Berichten durch. Sie hoffte, den Bericht der Spurensicherung so schnell wie möglich zu bekommen, dann wäre dieses Verbrechen so gut wie aufgeklärt und sie musste nur noch den Täter ausfindig machen.
Moreira hingegen war so sauer, dass er das Büro kurz nach Interpol verlassen hatte und seitdem auch nicht mehr dort gewesen war. Seine halb volle Kaffeetasse stand noch genau dort, wo er sie abgestellt hatte. Seit dem Morgen war er durch die Straßen der Hafenstadt gelaufen und hatte versucht, sich zu beruhigen. Auch zum Mittagessen war er nicht im Büro erschienen. Lange hatte er überlegt, was er tun sollte.
Cortez saß längst über dem Bericht der Spurensicherung, als er wieder in das Büro kam. Sie nahm ihn gar nicht richtig wahr, als er seinen Computer ausschaltete. Erst als er wieder aufstand, seine Tasche über die Schulter warf und sich auf den Weg zur Tür machte, sagte sie »Ist noch nichts mit Feierabend! Der Bericht der Spurensicherung ist endlich da. Halt dich ran!«
»Für mich ist Feierabend!«, schrie er sie an, »Und zwar endgültig. Ich lasse mich noch heute in eine andere Dienststelle versetzen. Du machst deine Scheiße in Zukunft ohne mich, am besten noch alleine!«
»Was hast du denn für ein Problem?«, fuhr sie ihn an.
»Du bist das Problem Cortez!«, brüllte er, »Jeder andere in dem Laden taugt mehr als Partner, selbst der arme Teufel, der hier abends den Boden wischt!«
»Du packst deinen Arsch jetzt hier auf den Stuhl und gehst die Berichte mit mir durch! Wir haben einen Fall zu lösen«, blaffte sie.
»Mein Arsch verschwindet hier aus diesem Büro!«, keifte er zurück.
»Du kannst nicht einfach verschwinden nur, weil dein Kaffee kalt geworden ist oder dir die Augen tränen, ohne irgendwas zu erklären Moreira! Ich bin deine Vorgesetzte, also packst du deinen Arsch jetzt auf den Stuhl und arbeitest, oder soll es dir der Chef erklären?«
»Ich wüsste zu gern, was der Chef sagt, wenn ich ihm erzähle, was hier los ist. Wahrscheinlich sitzt dann Hauptkommissarin Anelisa Cortez auf der Straße!«, schrie er.
»Jetzt mach mal einen Punkt kleiner Kommissar! Was ist dein verdammtes Problem?«, fragte sie überdeutlich.
Moreira stand an der Tür und seine Hand lag auf der Klinke. Dann drehte er sich zu ihrem Schreibtisch um, fixierte sie mit seinen Augen, als er sagte »Du bist wirklich so bescheuert, oder?«
»Ich weiß nicht, was du willst verdammt. Heute Morgen, nachdem die Spinner von Interpol verschwunden waren, hast du dich auch verdrückt. Jetzt kommst du zurück und schreist mich an, ohne das ich eine Ahnung habe, welche Laus dir über die Leber gelaufen ist!«
»Dieses Team von Interpol ist mir über die Leber gelaufen, oder besser gesagt deine hochnäsige Art, die du ständig an den Tag legst, weil sich Madam Cortez als Mittelpunkt des Universums sieht! Niemand kann etwas besser, weiß etwas besser oder macht etwas besser als die große Hauptkommissarin. Diese fünf heute Morgen hätten uns helfen können, aber anstatt dir das anzuhören und auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken, beleidigst du sie in einer Tour. Jetzt erwartest du von mir wieder Ermittlungen und Ergebnisse, um den Fall zu lösen, und den Beifall entgegenzunehmen. Ich war bis jetzt unterwegs, während du deinen Arsch auf dem Stuhl ausgeruht, und in den Papieren geblättert hast. Ohne meine Arbeit hättest du nicht einen Fall in den letzten Jahren abgeschlossen, aber das hast du natürlich nicht bemerkt!«, warf er ihr vor.
»Du bist ein undankbarer kleiner Stinkstiefel! Verschwinde aus meinem Büro! Morgen darfst du dann den Verkehr regeln, dafür werde ich Sorgen!«, brüllte sie und zeigte auf die Tür.
Als Moreira ging, sagte er nur noch »Du findest nicht einmal das Formular dazu!«. Dann verließ er das Büro und schlug wütend die Tür hinter sich zu. Er lief durch den Flur und die Kollegen starrten ihn mit großen Augen an. Moreira hatte es gewagt, Anelisa Cortez die Stirn zu bieten. Jeder wusste, wie es war unter ihr zu arbeiten, aber es hatte sich aus Angst um seinen Job noch niemand gegen sie aufgelehnt. Das war ungefähr so, als hätte man die Lunte einer Bombe angezündet und würde auf den Knall warten.
Einige Minuten später kam Cortez aus ihrem Büro und stürmte über den Flur auf die Tür des Chefs zu. Ohne anzuklopfen, riss sie die Tür auf. Man hörte sie schon schreien, bevor der Raum wieder geschlossen war. Felipe Moreira würden sie wohl nicht mehr wiedersehen. Wenn Cortez zum Chef des Reviers stürmte, ging das für den betreffenden Kollegen noch nie gut aus. Das Mindeste war schon eine Degradierung, aber Moreira war nur Kommissar, der niedrigste Rang überhaupt. Da blieb nur noch die Versetzung oder die Kündigung übrig. Das Gespräch dauerte nur wenige Minuten, bis die Tür erneut aufflog und krachend hinter Cortez zufiel, die noch wütender fluchend über den Gang zu ihrem Büro hetzte. Dort verschwand sie nur kurz, bevor sie wieder auf den Gang trat und zum Ausgang rannte. Ihr ansonsten blasses Gesicht hatte eine wütende rote Färbung angenommen. Niemand in der Abteilung wagte es auch nur sie anzusehen, bevor unter einer Welle ihres Zorns begraben wurde.
Felipe Moreira hatte in seinem Auto den Parkplatz des Reviers verlassen und war schon fast eine Stunde nur durch die Gegend gefahren, um seinen Kopf freizubekommen. Dann hatte er einen Entschluss gefasst, den er sofort in die Tat umsetzen wollte. Gerade als er zu seinem Smartphone griff, ertönte sein Klingelton. Ohne hinzusehen, nahm er das Gespräch entgegen und rief »Was?«, in das Gerät.
»Sosa hier! Ich will sie in meinem Büro sprechen!«, sagte die laute aufgebrachte Stimme seines Chefs.
»Vergessen sie es Chef! Meine Kündigung können sie mir auch am Telefon entgegen brüllen, das interessiert mich nicht mehr«, sagte er emotionslos.
»Moreira, sie fliegen jetzt wie der Wind in mein Büro. Sie sind nicht gekündigt, kommen sie her!«, dann knackte es und das Gespräch wurde unterbrochen.
Nicht gekündigt? Hatte Cortez eingesehen, dass er die ganzen Fälle gelöst hatte? Nein, das merkt die in tausend Jahren nicht. So was kommt in deren Universum nicht vor. Hatte sich Sosa gegen Cortez gestellt? Konnte auch nicht sein. Noch nie hatte er sich ihr widersetzt, seit er in diesem Revier war. Sosa war der formelle Chef, nur zu sagen hatte er nichts, das übernahm Cortez, die den gleichen Rang hatte. Im Büro war es ein offenes Geheimnis, das es die Hauptkommissarin nicht störte, wer unter ihr Chef war.
Felipe steuerte seinen Wagen wieder zum Revier zurück. Seit er gegangen war, vor einer Stunde, hatte sich hier nichts verändert. Dann merkte er, dass sich doch etwas verändert hatte. Der BMW, den Cortez fuhr, war nicht mehr zu sehen. In seinen Gedanken wirbelte der Satz »The wich is gone« herum als er sein Auto abstellte, und sich auf den Weg zu Sosa machte. Die mitleidigen Blicke seiner Kollegen, die ihn schon abgeschrieben hatten, nahm er gar nicht wahr, als er zum Chefbüro unterwegs war. Vor der Tür sammelte er sich noch kurz, bevor er mit zittrigen Fingern gegen das Holz klopfte und eintrat.
Unai Sosa saß an seinem abgewetzten Schreibtisch und tippte auf seiner Tastatur herum als Moreira in der Tür stand. Mit einer kurzen Handbewegung deutete er auf den hellbraunen Stuhl vor sich. Felipe nahm Platz bis Sosa aufstand, und sich zum Fenster hinter sich drehte. Moreira schwieg, als sein Chef durch das Fenster nach draußen starrte. Plötzlich begann er leise mit seinem Besucher zu sprechen.
»Ich habe mitbekommen, was hier los war Moreira«, begann er, »Heute Mittag hatte ich einen Anruf, den ich am liebsten nicht entgegengenommen hätte. Die Anruferin, eine gewisse Liz Croll von Interpol, hat mich in einigen kurzen Sätzen regelrecht in der Luft zerrissen. Ich erspare ihnen die Einzelheiten, aber es war mir mehr als unangenehm. Während Hauptkommissarin Cortez in ihrem Büro saß und die Akten durchgesehen hat, während sie auf den Bericht der Spurensicherung vom Museo del Oro Zenu wartete, waren diese Liz Croll mit zwei weiteren Agenten ihres Teams am Tatort«, berichtete er.
»Um es kurz zu machen, diese Leute brauchten nur einige Stunden, um herauszufinden wie der Täter den Raub durchgezogen hat. Sie hatten keine Spurensicherung vor Ort die, wenn der Bericht hier stimmt, mehr als die Hälfte der Spuren übersehen hat. Interpol führt unsere ganze Abteilung regelrecht vor! Dabei kam auch heraus, dass diese Leute heute Morgen hier im Revier waren. Sie hatten Cortez sogar Hilfe angeboten, die sie allerdings ausgeschlagen hat. Angeblich würde sie den Fall schon heute Abend gelöst haben, auch ohne die Hilfe von Interpol. Im Moment sieht es so aus, als wäre uns dieses Team, das erst gestern Abend angereist ist, mindestens drei Schritte voraus«, legte er nach.
Moreira unterbrach ihn »Chef, darf ich fragen, was sie jetzt von mir wollen?«
Sein Chef schüttelte kurz den Kopf, als er weiter redete »Sie waren, nach dem Besuch dieses Teams nicht mehr im Büro. Ich dachte, sie würden ermitteln, wie sie es immer machen, wenn sie an den Fällen arbeiten. Cortez wollte das sie ab morgen den Verkehr regeln Moreira. Als ich fragte weshalb, beklagte sie ihre Mitarbeit und ihren Hinweis darauf, die Hilfe von Interpol in Anspruch zu nehmen. Da war für mich das Maß voll. Ich habe ihre Kündigung nicht akzeptiert Moreira. Cortez darf sich einen Schüler der Akademie als neuen Partner suchen, weil niemand aus der Abteilung mit ihr zusammen arbeiten will. Sie hat von mir 72 Stunden bekommen diesen Fall zu lösen, keine Sekunde mehr. Ich will von ihr wissen, wie der Täter es geschafft hat in das Museum zu kommen und ungesehen das Auge des Südens stehlen konnte. Außerdem möchte ich wenigstens mögliche Täter haben, die dafür infrage kommen. Schafft sie es in der Zeit nicht, auf denselben Stand zu kommen wie Croll und Interpol räumt sie ihr Büro! Sie Moreira, werden an den Interpolagenten kleben und dafür Sorgen das Cortez nicht an deren Ergebnisse gelangt. Ich möchte nicht, das Interpol oder Cortez sie entdecken. Falls Cortez oder deren neuer Partner in deren Nähe auftaucht und versucht, Ergebnisse herauszufinden, bestatten sie mir persönlich Bericht! Scheitert Cortez, übernehmen sie ihr Büro mit einem Partner ihrer Wahl.«
Felipe Moreira starrte seinen Chef an. Er hatte die Worte vernommen, konnte sie aber nicht glauben. Sosa setzte Cortez tatsächlich die Pistole auf die Brust und er würde deren Nachfolger, wenn sie versagte. Wobei das, wann eigentlich keine Frage mehr war. Er würde jetzt drei Tage lang nur noch den neuen Partner von Cortez verfolgen müssen und sicherstellen, dass sie keine Informationen von Interpol bekommt. Als er kurz darüber nachdachte, war er sich nicht mehr sicher. Cortez würde nie zugeben Informationen von Interpol einzuholen, auch nicht gegenüber ihrem neuen Partner. Sollte er an ihr dran bleiben, oder doch den Honig, in Form von Interpol bewachen? Hatte Sosa nicht gesagt, er soll an Interpol kleben? Er fragte nach dem Aufenthaltsort des Teams von Liz Croll. Sein Chef konnte ihm allerdings nur sagen, in welchem Hotel sie abgestiegen waren. Immerhin ein Anfang. Zusätzlich versprach ihm sein Sosa noch die Daten des neuen Partners zukommen zu lassen, er konnte schlecht Interpol bewachen, wenn er nicht weiß, ob Cortez ihren neuen vorschicken würde, den er nicht erkennt.
Moreira verließ das Revier mit gemischten Gefühlen und machte sich auf zum Hotel de Cartagena. Croll und ihr Team hatten sich in einem sehr guten Hotel einquartiert. Schön an einer Bucht zum Meer gelegen, bot es alles, was man sich nur wünschen konnte. Solche Unterkünfte konnte er sich nicht einmal im Urlaub leisten.