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Kolumbien, Cartagena

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Im Mu­seo del Oro Ze­nu lief Ane­li­sa Cor­tez mit ih­rer neu­en Kol­le­gin Do­lo­res Pa­re­des, die sie sich di­rekt von der Aka­de­mie ge­holt hat­te, in den Raum des Dieb­stahls. Im Be­richt der Spu­ren­si­che­rung stand, das man einen Fuß­ab­druck auf ei­nem Ses­sel ge­fun­den hat­te. Die Grö­ße des Ab­drucks pass­te zu ei­nem leich­ten Schuh für Frei­klet­te­rer mit wei­cher Gum­mi­soh­le, die für bes­se­ren Halt sorg­te. Al­ler­dings pass­te die an­ge­ge­be­ne Schuh­grö­ße 39 zu meh­re­ren Mil­li­ar­den Men­schen auf die­sem Pla­ne­ten. Es war nicht ein­mal fest­zu­stel­len, ob es ein Mann oder ei­ne Frau war, dem die­se Schu­he pass­ten.

Do­lo­res Pa­re­des, ei­ne jun­ge Ab­sol­ven­tin der Aka­de­mie, die ge­ra­de erst den Rang ei­ner Kom­missa­rin er­run­gen hat­te, war in ei­ni­gen ru­hi­gen Stun­den die Pa­pie­re durch­ge­gan­gen, um sich die Fak­ten ein­zu­prä­gen. Für sie war es die Chan­ce sich zu be­wei­sen, auch wenn sie ih­rer Che­fin Cor­tez aus dem Weg ging. Ihr war nach der ers­ten Stun­de schon auf­ge­fal­len, dass die­se Haupt­kom­missa­rin schnel­ler auf der Pal­me war als je­der Af­fe. Ein falsches Wort ge­nüg­te, um an­ge­schri­en zu wer­den. Pa­re­des hoff­te, dass sie nach die­sem Fall mit ei­nem an­de­ren Part­ner Dieb­stäh­le be­ar­bei­ten durf­te.

Haupt­kom­missa­rin Cor­tez war von der 27-jäh­ri­gen Kol­le­gin nicht be­son­ders an­ge­tan. Der gan­ze Fall war bis­her ei­ne ein­zi­ge Ka­ta­stro­phe. Sie hat­te Fe­li­pe Mo­rei­ra, einen gu­ten Kom­missar, an ih­rer Sei­te ver­lo­ren, das Te­am von In­ter­pol ge­gen sich auf­ge­bracht und so­gar Unai So­sa, den for­mel­len Chef des Re­viers, hat­te sich ge­gen sie ge­wandt. Sie sah sich selbst als die Che­fin des Re­viers. So­sa durf­te un­ter ihr als Chef ar­bei­ten, so­lan­ge sie da­mit ein­ver­stan­den war. Ih­re Auf­ga­be war es, Ver­bre­chen auf­zu­klä­ren, die man ih­nen ser­vier­te. Die neue Kol­le­gin müss­te erst mal ei­ni­ge Jah­re un­ter ihr Krie­chen ler­nen, was be­deu­te­te Er­mitt­lun­gen zu ma­chen, um Cor­tez den Fall lö­sen zu las­sen. Pa­re­des al­ler­dings ging ihr schon jetzt ge­gen den Strich. Die­se jun­ge neu­gie­ri­ge Part­ne­rin dach­te nicht im Traum dar­an ihr, der großen Ane­li­sa Cor­tez, Er­geb­nis­se zu lie­fern, son­dern be­müh­te sich dar­um selbst den Fall auf­zu­klä­ren.

Wie ei­ne Raub­kat­ze folg­te Cor­tez der Ga­zel­le Pa­re­des durch den Aus­s­tel­lungs­raum, wäh­rend sie im­mer wie­der ste­hen blieb, No­ti­zen in ihr klei­nes ro­tes Buch krit­zel­te und sich Ge­dan­ken mach­te. Die­se jun­ge Kom­missa­rin schrieb ih­re Über­le­gun­gen in das Buch, aber ver­zich­te­te dar­auf, ihr zu sa­gen, was sie dach­te. Cor­tez hin­ge­gen mach­te sich kaum Ge­dan­ken, ihr wür­de ein ein­fa­cher Hin­weis ge­nü­gen, um das Rät­sel zu lö­sen. Im­mer wie­der ver­such­te sie, der neu­en Kol­le­gin über die Schul­ter zu bli­cken und in dem Buch zu le­sen. Die­se Gö­re hat­te ei­ne Schrift wie der letz­te Arzt, was es ihr fast un­mög­lich mach­te et­was zu er­ken­nen.

Plötz­lich klin­gel­te das Smart­pho­ne von Ane­li­sa Cor­tez in ih­rer Ta­sche und ver­ei­tel­te einen wei­te­ren Ver­such, et­was in dem Buch der Ab­sol­ven­tin zu le­sen. Sie fisch­te das Gerät aus der Ta­sche und mel­de­te sich un­sanft mit »Cor­tez.«

»So­sa hier! Kom­men sie zu­rück ins Re­vier«, ver­lang­te ihr Vor­ge­setz­ter.

»Ir­gend­wann heu­te Nach­mit­tag viel­leicht. Wir er­mit­teln im Mu­se­um!«, maul­te Ane­li­sa we­gen die­ser Stö­rung.

»Jetzt so­fort Cor­tez!«, rief So­sa auf­ge­bracht be­vor er hin­ter­her­schob, »Der Fall ist ih­nen ent­zo­gen.«

Ihr Ge­sicht nahm ei­ne tiefro­te Fär­bung an, als sie schrie »Sind sie be­scheu­ert? Ich er­mitt­le in die­sem Fall und wer­de ihn auch lö­sen!«

»In spä­tes­tens fünf­zehn Mi­nu­ten er­war­te ich sie und Pa­re­des in mei­nem Bü­ro sonst lö­sen sie höchs­tens noch Kreuz­wort­rät­sel Cor­tez!«, blaff­te So­sa, be­vor er auf­leg­te.

Cor­tez sah wü­tend auf das Te­le­fon in ih­rer Hand, be­vor sie rief »Ich reiß dir dei­nen ver­damm­ten Schä­del vom Hals und tre­te dir den fet­ten Arsch bis auf den Mond!«

Do­lo­res fuhr her­um, als Cor­tez das Gerät in ih­rer Hand an­schrie und wü­tend auf den Bo­den stampf­te. Vor­sich­tig frag­te sie die Haupt­kom­missa­rin »Was ist los?«

»Un­ser zu­künf­ti­ger Ex­chef will uns in ei­ner Vier­tel­stun­de in sei­nem Bü­ro se­hen! Dann wird er ver­kün­den, dass wir in ei­nem an­de­ren Fall er­mit­teln, be­vor ich ihn durch einen Pen­ner vom Ha­fen er­set­ze!«, keif­te sie zor­nig.

Pa­re­des blieb der Mund of­fen ste­hen. Die Feind­se­lig­keit von Cor­tez hat­te sie be­reits ken­nen­ge­lernt, konn­te sich al­ler­dings nicht vor­stel­len, dass der Chef we­gen ihr sei­nen Platz räu­men wür­de. Sie steck­te ihr No­tiz­buch in die Ta­sche und ging ih­rer Vor­ge­setz­ten zur Trep­pe hin­ter­her. Oh­ne ein wei­te­res Wort ver­lie­ßen sie das Mu­se­um und mach­ten sich auf den Weg. Cor­tez Kopf strahl­te in ein tie­fes Rot ge­färbt auf dem Fah­rer­sitz. Pa­re­des saß still da­ne­ben und zwang, sich stur ge­ra­de­aus zu schau­en, be­vor sie die Wut ab­be­kam.

Im Re­vier war die Stim­mung weit un­ter den Null­punkt ge­sun­ken, als die bei­den vom Mu­se­um zu­rück­kehr­ten. Das sonst mo­no­to­ne Ge­tu­schel der Kol­le­gen war ver­stummt und so­gar die stän­dig klin­geln­den Te­le­fo­ne schie­nen für den Mo­ment zu schwei­gen. Cor­tez stapf­te zor­nig vor­ne­weg auf das Bü­ro des Chefs zu, als sich Pa­re­des Hil­fe su­chend um­sah. Als sie am Mor­gen auf­ge­bro­chen wa­ren, hat­te die neue Kol­le­gin gleich fest­ge­stellt, wel­ches durch­ein­an­der hier nor­ma­ler­wei­se herrsch­te. Das ge­schäf­ti­ge Trei­ben war ei­ner un­heil­vol­len Stil­le ge­wi­chen.

Wü­tend öff­ne­te Cor­tez die Tür zu So­sas Bü­ro, be­vor sie im Tür­rah­men ste­hen blieb und stumm blieb. Pa­re­des, die hin­ter ihr war, rann­te fast in den Rücken der Haupt­kom­missa­rin. So­sa hat­te Be­su­cher in sei­nem Bü­ro, er­kann­te sie durch die Lücken der vor ihr ste­hen­den Kol­le­gin. Cor­tez schi­en die­se Be­su­cher zu ken­nen, was ih­re Wut noch mehr be­feu­er­te.

»Kom­men sie rein und ma­chen sie die Tür zu!«, be­fahl So­sa, der in sei­nem Ses­sel hin­ter dem Schreib­tisch saß.

Cor­tez mach­te zwei Schrit­te in den Raum. Pa­re­des folg­te ihr und schloss die Tür hin­ter sich. Vor So­sas Schreib­tisch auf den bei­den Be­su­cher­stüh­len sa­ßen zwei klei­ne Frau­en. Da­hin­ter stan­den auf­ge­reiht ei­ne klei­ne gol­den glän­zen­de Frau, ein ha­ge­rer Mann und ein sehr großer brei­ter Mann mit schwar­zen Schutz­wes­ten. Ganz hin­ten in der Ecke hat­te sich Fe­li­pe Mo­rei­ra da­zu­ge­stellt.

Cor­tez ex­plo­dier­te fast au­gen­blick­lich als die Tür ge­schlos­sen war »Schon wie­der die­se gott­ver­damm­te Bi­ki­nisch­lam­pe mit ih­rem Schä­fer­hund und den rest­li­chen Af­fen!«

»Miss Cor­tez, hal­ten sie ih­ren Mund oder wir wer­den für Ru­he sor­gen. Mis­ter Korn war­tet ge­ra­de­zu sehn­süch­tig dar­auf sie zum Schwei­gen zu brin­gen«, be­gann die klei­ne brü­net­te Frau auf dem Be­su­cher­stuhl, be­vor sie Do­lo­res Pa­re­des flüch­tig mus­ter­te.

»Miss Pa­re­des, bit­te tre­ten sie et­was nä­her«, setz­te sie fort, »Mein Na­me ist Liz Croll, ne­ben mir sitzt Miss Leo­nie Kel­ler und hin­ter uns ste­hen Ka­rya­ni Banks, Mi­ke Banks und der zar­te jun­ge Mann hin­ter mir hört auf den Na­men Mi­cha­el Korn. Wir sind von In­ter­pol. Den ehe­ma­li­gen Part­ner von Miss Cor­tez se­hen sie hin­ten in der Ecke ste­hen.«

Pa­re­des zwäng­te sich an ih­rer Che­fin vor­bei und stell­te sich nä­her zu der sit­zen­den Frau, der sie zur Be­grü­ßung die Hand reich­te.

»Nach­dem wir die Vor­stel­lungs­run­de hin­ter uns ha­ben kom­men wir jetzt zum Punkt un­se­res Er­schei­nens. Mis­ter So­sa hat mei­nem Te­am, un­nö­ti­ger­wei­se einen Wach­hund zu­ge­teilt der da­für Sor­gen soll­te das we­der sie, noch die Kom­missa­rin Cor­tez an un­se­re Er­mitt­lungs­er­geb­nis­se ge­lan­gen …«

»Haupt­kom­missa­rin Cor­tez«, fuhr ih­re Vor­ge­setz­te da­zwi­schen.

»Sie hal­ten ih­ren vor­lau­ten Mund Cor­tez und hö­ren mir zu«, be­fahl Liz, be­vor sie fort­setz­te, »Nach­dem Mo­rei­ra et­was un­sanft ent­tarnt wur­de und ihr Chef zu­ge­ben muss­te ihn ge­schickt zu ha­ben, ha­ben wir die Er­mitt­lun­gen über­nom­men. So­sa hat uns an­ge­fleht, ei­ni­ge Er­mitt­ler be­hal­ten zu dür­fen, die nach sei­ner An­sicht nicht völ­lig in­kom­pe­tent sind. Wir ha­ben uns da­für ent­schie­den Mo­rei­ra, sie Pa­re­des und noch drei ih­rer Kol­le­gen zu be­hal­ten. Der Rest der Trup­pe wird Er­mitt­lern wei­chen müs­sen, die der Be­zeich­nung we­nigs­tens ge­recht wer­den. Der Rest von ih­nen wird in an­de­re Ab­tei­lun­gen ver­setzt, mit Aus­nah­me von Kom­missa­rin Cor­tez, die ab mor­gen ei­ne an­de­re Stel­le an­tritt.«

»Ich wer­de kei­ne an­de­re Stel­le an­tre­ten nur, weil ei­ne Cock­tail­nut­te von den Ba­ha­mas, das ger­ne hät­te!«, brüll­te Cor­tez.

Liz dreh­te kurz ih­ren Kopf zu Mi­cha­el Korn und deu­te­te ein Ni­cken an. Er schi­en nur dar­auf ge­war­tet zu ha­ben, als er sich Cor­tez schnapp­te, die Ar­me auf den Rücken bog und sie mit Hand­schel­len fi­xier­te. Die wü­tend schrei­en­de Cor­tez fing sich ei­ne hef­ti­ge Ohr­fei­ge ein, be­vor ihr Korn auch noch einen Strei­fen Pan­zer­tape über den Mund kleb­te. Ge­dämpf­te Schreie dran­gen aus ih­rer Keh­le, bis er einen fins­te­ren Blick zu­warf und sprach »Ent­we­der du bist jetzt still und hörst zu, oder aber du fängst dir einen Ham­mer ein, der dich ei­ni­ge Ta­ge ins Land der Träu­me schickt. Sei bit­te so freund­lich und schrei wei­ter, ich war­te schon seit Nassau dar­auf, dir Wind­beu­tel ei­ne ein­zu­schen­ken die du nie wie­der ver­gisst!«

Auf der Stel­le ver­stumm­te Cor­tez und fun­kel­te ihn mit ei­nem bö­sen Blick an. Korn stell­te sich ne­ben Cor­tez und flüs­ter­te »Nur noch ein Ton von dir, dann fällst du ein­fach um«, warn­te er.

Liz über­nahm wie­der das Ge­spräch »Miss Cor­tez, die sich ab heu­te nur noch Kom­missa­rin schimpft, tritt mor­gen ih­ren neu­en Pos­ten bei der Ver­kehrs­po­li­zei an. Ihr neu­er Auf­ga­ben­be­reich ist die Er­mitt­lung des bes­ten Ver­kehrs­flus­ses an ei­ner Kreu­zung von Car­ta­ge­na! Man er­war­tet sie pünkt­lich um 7 Uhr in Uni­form. Soll­te sie dort nicht er­schei­nen, schei­det sie aus dem Po­li­zei­dienst aus und wird als Rei­ni­gungs­kraft in ei­ner Ha­fen­knei­pe lan­den. Ihren bis­he­ri­gen Pos­ten über­nimmt Mo­rei­ra zu­sam­men mit Pa­re­des, die bei die­sem Fall mit mei­nem Te­am ar­bei­ten wer­den. Zu­min­dest wird es nicht scha­den, wenn sie ei­ni­ge Er­fah­run­gen un­ter der An­lei­tung mei­ner Leu­te sam­meln kön­nen. So­sa be­kommt ei­ni­ge neue Mit­ar­bei­ter zu­ge­teilt, die wir vor­ab aus­wäh­len. Die­se Maß­nah­men sind be­reits von der obers­ten Stel­le von In­ter­pol mit dem In­nen­mi­nis­ter von Ko­lum­bi­en ge­neh­migt wor­den. Gibt es noch Fra­gen?«

Do­lo­res Pa­re­des hob einen Fin­ger in die Luft. Leo­nie be­deu­te­te ihr, den Arm wie­der zu sen­ken als Mi­cha­el sag­te »Wir sind hier nicht auf der Schu­le Pa­re­des. Ste­cken sie sich den Fin­ger in den Arsch, da­mit er nicht ver­lo­ren geht, und re­den sie.«

»Was pas­siert, wenn un­ser Dieb be­reits au­ßer Lan­des ge­flo­hen ist, wei­te­re Dieb­stäh­le au­ßer­halb Ko­lum­biens be­geht oder sich ein­fach ab­setzt?«, frag­te sie vor­sich­tig mit lei­ser Stim­me.

Liz ant­wor­te­te »So­lan­ge wir in die­sem Fall er­mit­teln, blei­ben sie bei uns. Da­bei ist es egal, ob er in Ko­lum­bi­en bleibt, oder in Chi­na ei­ne Va­se aus der Ming Dy­nas­tie raubt. Wir wer­den zu­sam­men er­mit­teln und ihn zur Stre­cke brin­gen, auch wenn er sich auf dem Mond ver­steckt.«

Mo­rei­ra und die neue Kol­le­gin strahl­ten um die Wet­te bei der Aus­sicht, zu­sam­men mit den Agen­ten von In­ter­pol in ei­nem an­de­ren Land ar­bei­ten zu dür­fen. Le­dig­lich die Au­gen von Cor­tez wur­den mit je­dem Wort grö­ßer, bis ihr das al­les zu viel wur­de und sie an­fan­gen woll­te zu ze­tern. Be­reits nach dem ers­ten An­zei­chen ei­nes Schreis von ihr traf sie ein har­ter Hieb am Kopf, der sie von den Bei­nen hol­te und mit ei­ner gnä­di­gen Ohn­macht zu Bo­den warf. Leo­nie lach­te ein lau­tes »Autsch« in die Run­de.

Das Ikarus Puzzle

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