Читать книгу Das Ikarus Puzzle - Matthias Boden - Страница 16
Kolumbien, Cartagena
ОглавлениеIm Museo del Oro Zenu lief Anelisa Cortez mit ihrer neuen Kollegin Dolores Paredes, die sie sich direkt von der Akademie geholt hatte, in den Raum des Diebstahls. Im Bericht der Spurensicherung stand, das man einen Fußabdruck auf einem Sessel gefunden hatte. Die Größe des Abdrucks passte zu einem leichten Schuh für Freikletterer mit weicher Gummisohle, die für besseren Halt sorgte. Allerdings passte die angegebene Schuhgröße 39 zu mehreren Milliarden Menschen auf diesem Planeten. Es war nicht einmal festzustellen, ob es ein Mann oder eine Frau war, dem diese Schuhe passten.
Dolores Paredes, eine junge Absolventin der Akademie, die gerade erst den Rang einer Kommissarin errungen hatte, war in einigen ruhigen Stunden die Papiere durchgegangen, um sich die Fakten einzuprägen. Für sie war es die Chance sich zu beweisen, auch wenn sie ihrer Chefin Cortez aus dem Weg ging. Ihr war nach der ersten Stunde schon aufgefallen, dass diese Hauptkommissarin schneller auf der Palme war als jeder Affe. Ein falsches Wort genügte, um angeschrien zu werden. Paredes hoffte, dass sie nach diesem Fall mit einem anderen Partner Diebstähle bearbeiten durfte.
Hauptkommissarin Cortez war von der 27-jährigen Kollegin nicht besonders angetan. Der ganze Fall war bisher eine einzige Katastrophe. Sie hatte Felipe Moreira, einen guten Kommissar, an ihrer Seite verloren, das Team von Interpol gegen sich aufgebracht und sogar Unai Sosa, den formellen Chef des Reviers, hatte sich gegen sie gewandt. Sie sah sich selbst als die Chefin des Reviers. Sosa durfte unter ihr als Chef arbeiten, solange sie damit einverstanden war. Ihre Aufgabe war es, Verbrechen aufzuklären, die man ihnen servierte. Die neue Kollegin müsste erst mal einige Jahre unter ihr Kriechen lernen, was bedeutete Ermittlungen zu machen, um Cortez den Fall lösen zu lassen. Paredes allerdings ging ihr schon jetzt gegen den Strich. Diese junge neugierige Partnerin dachte nicht im Traum daran ihr, der großen Anelisa Cortez, Ergebnisse zu liefern, sondern bemühte sich darum selbst den Fall aufzuklären.
Wie eine Raubkatze folgte Cortez der Gazelle Paredes durch den Ausstellungsraum, während sie immer wieder stehen blieb, Notizen in ihr kleines rotes Buch kritzelte und sich Gedanken machte. Diese junge Kommissarin schrieb ihre Überlegungen in das Buch, aber verzichtete darauf, ihr zu sagen, was sie dachte. Cortez hingegen machte sich kaum Gedanken, ihr würde ein einfacher Hinweis genügen, um das Rätsel zu lösen. Immer wieder versuchte sie, der neuen Kollegin über die Schulter zu blicken und in dem Buch zu lesen. Diese Göre hatte eine Schrift wie der letzte Arzt, was es ihr fast unmöglich machte etwas zu erkennen.
Plötzlich klingelte das Smartphone von Anelisa Cortez in ihrer Tasche und vereitelte einen weiteren Versuch, etwas in dem Buch der Absolventin zu lesen. Sie fischte das Gerät aus der Tasche und meldete sich unsanft mit »Cortez.«
»Sosa hier! Kommen sie zurück ins Revier«, verlangte ihr Vorgesetzter.
»Irgendwann heute Nachmittag vielleicht. Wir ermitteln im Museum!«, maulte Anelisa wegen dieser Störung.
»Jetzt sofort Cortez!«, rief Sosa aufgebracht bevor er hinterherschob, »Der Fall ist ihnen entzogen.«
Ihr Gesicht nahm eine tiefrote Färbung an, als sie schrie »Sind sie bescheuert? Ich ermittle in diesem Fall und werde ihn auch lösen!«
»In spätestens fünfzehn Minuten erwarte ich sie und Paredes in meinem Büro sonst lösen sie höchstens noch Kreuzworträtsel Cortez!«, blaffte Sosa, bevor er auflegte.
Cortez sah wütend auf das Telefon in ihrer Hand, bevor sie rief »Ich reiß dir deinen verdammten Schädel vom Hals und trete dir den fetten Arsch bis auf den Mond!«
Dolores fuhr herum, als Cortez das Gerät in ihrer Hand anschrie und wütend auf den Boden stampfte. Vorsichtig fragte sie die Hauptkommissarin »Was ist los?«
»Unser zukünftiger Exchef will uns in einer Viertelstunde in seinem Büro sehen! Dann wird er verkünden, dass wir in einem anderen Fall ermitteln, bevor ich ihn durch einen Penner vom Hafen ersetze!«, keifte sie zornig.
Paredes blieb der Mund offen stehen. Die Feindseligkeit von Cortez hatte sie bereits kennengelernt, konnte sich allerdings nicht vorstellen, dass der Chef wegen ihr seinen Platz räumen würde. Sie steckte ihr Notizbuch in die Tasche und ging ihrer Vorgesetzten zur Treppe hinterher. Ohne ein weiteres Wort verließen sie das Museum und machten sich auf den Weg. Cortez Kopf strahlte in ein tiefes Rot gefärbt auf dem Fahrersitz. Paredes saß still daneben und zwang, sich stur geradeaus zu schauen, bevor sie die Wut abbekam.
Im Revier war die Stimmung weit unter den Nullpunkt gesunken, als die beiden vom Museum zurückkehrten. Das sonst monotone Getuschel der Kollegen war verstummt und sogar die ständig klingelnden Telefone schienen für den Moment zu schweigen. Cortez stapfte zornig vorneweg auf das Büro des Chefs zu, als sich Paredes Hilfe suchend umsah. Als sie am Morgen aufgebrochen waren, hatte die neue Kollegin gleich festgestellt, welches durcheinander hier normalerweise herrschte. Das geschäftige Treiben war einer unheilvollen Stille gewichen.
Wütend öffnete Cortez die Tür zu Sosas Büro, bevor sie im Türrahmen stehen blieb und stumm blieb. Paredes, die hinter ihr war, rannte fast in den Rücken der Hauptkommissarin. Sosa hatte Besucher in seinem Büro, erkannte sie durch die Lücken der vor ihr stehenden Kollegin. Cortez schien diese Besucher zu kennen, was ihre Wut noch mehr befeuerte.
»Kommen sie rein und machen sie die Tür zu!«, befahl Sosa, der in seinem Sessel hinter dem Schreibtisch saß.
Cortez machte zwei Schritte in den Raum. Paredes folgte ihr und schloss die Tür hinter sich. Vor Sosas Schreibtisch auf den beiden Besucherstühlen saßen zwei kleine Frauen. Dahinter standen aufgereiht eine kleine golden glänzende Frau, ein hagerer Mann und ein sehr großer breiter Mann mit schwarzen Schutzwesten. Ganz hinten in der Ecke hatte sich Felipe Moreira dazugestellt.
Cortez explodierte fast augenblicklich als die Tür geschlossen war »Schon wieder diese gottverdammte Bikinischlampe mit ihrem Schäferhund und den restlichen Affen!«
»Miss Cortez, halten sie ihren Mund oder wir werden für Ruhe sorgen. Mister Korn wartet geradezu sehnsüchtig darauf sie zum Schweigen zu bringen«, begann die kleine brünette Frau auf dem Besucherstuhl, bevor sie Dolores Paredes flüchtig musterte.
»Miss Paredes, bitte treten sie etwas näher«, setzte sie fort, »Mein Name ist Liz Croll, neben mir sitzt Miss Leonie Keller und hinter uns stehen Karyani Banks, Mike Banks und der zarte junge Mann hinter mir hört auf den Namen Michael Korn. Wir sind von Interpol. Den ehemaligen Partner von Miss Cortez sehen sie hinten in der Ecke stehen.«
Paredes zwängte sich an ihrer Chefin vorbei und stellte sich näher zu der sitzenden Frau, der sie zur Begrüßung die Hand reichte.
»Nachdem wir die Vorstellungsrunde hinter uns haben kommen wir jetzt zum Punkt unseres Erscheinens. Mister Sosa hat meinem Team, unnötigerweise einen Wachhund zugeteilt der dafür Sorgen sollte das weder sie, noch die Kommissarin Cortez an unsere Ermittlungsergebnisse gelangen …«
»Hauptkommissarin Cortez«, fuhr ihre Vorgesetzte dazwischen.
»Sie halten ihren vorlauten Mund Cortez und hören mir zu«, befahl Liz, bevor sie fortsetzte, »Nachdem Moreira etwas unsanft enttarnt wurde und ihr Chef zugeben musste ihn geschickt zu haben, haben wir die Ermittlungen übernommen. Sosa hat uns angefleht, einige Ermittler behalten zu dürfen, die nach seiner Ansicht nicht völlig inkompetent sind. Wir haben uns dafür entschieden Moreira, sie Paredes und noch drei ihrer Kollegen zu behalten. Der Rest der Truppe wird Ermittlern weichen müssen, die der Bezeichnung wenigstens gerecht werden. Der Rest von ihnen wird in andere Abteilungen versetzt, mit Ausnahme von Kommissarin Cortez, die ab morgen eine andere Stelle antritt.«
»Ich werde keine andere Stelle antreten nur, weil eine Cocktailnutte von den Bahamas, das gerne hätte!«, brüllte Cortez.
Liz drehte kurz ihren Kopf zu Michael Korn und deutete ein Nicken an. Er schien nur darauf gewartet zu haben, als er sich Cortez schnappte, die Arme auf den Rücken bog und sie mit Handschellen fixierte. Die wütend schreiende Cortez fing sich eine heftige Ohrfeige ein, bevor ihr Korn auch noch einen Streifen Panzertape über den Mund klebte. Gedämpfte Schreie drangen aus ihrer Kehle, bis er einen finsteren Blick zuwarf und sprach »Entweder du bist jetzt still und hörst zu, oder aber du fängst dir einen Hammer ein, der dich einige Tage ins Land der Träume schickt. Sei bitte so freundlich und schrei weiter, ich warte schon seit Nassau darauf, dir Windbeutel eine einzuschenken die du nie wieder vergisst!«
Auf der Stelle verstummte Cortez und funkelte ihn mit einem bösen Blick an. Korn stellte sich neben Cortez und flüsterte »Nur noch ein Ton von dir, dann fällst du einfach um«, warnte er.
Liz übernahm wieder das Gespräch »Miss Cortez, die sich ab heute nur noch Kommissarin schimpft, tritt morgen ihren neuen Posten bei der Verkehrspolizei an. Ihr neuer Aufgabenbereich ist die Ermittlung des besten Verkehrsflusses an einer Kreuzung von Cartagena! Man erwartet sie pünktlich um 7 Uhr in Uniform. Sollte sie dort nicht erscheinen, scheidet sie aus dem Polizeidienst aus und wird als Reinigungskraft in einer Hafenkneipe landen. Ihren bisherigen Posten übernimmt Moreira zusammen mit Paredes, die bei diesem Fall mit meinem Team arbeiten werden. Zumindest wird es nicht schaden, wenn sie einige Erfahrungen unter der Anleitung meiner Leute sammeln können. Sosa bekommt einige neue Mitarbeiter zugeteilt, die wir vorab auswählen. Diese Maßnahmen sind bereits von der obersten Stelle von Interpol mit dem Innenminister von Kolumbien genehmigt worden. Gibt es noch Fragen?«
Dolores Paredes hob einen Finger in die Luft. Leonie bedeutete ihr, den Arm wieder zu senken als Michael sagte »Wir sind hier nicht auf der Schule Paredes. Stecken sie sich den Finger in den Arsch, damit er nicht verloren geht, und reden sie.«
»Was passiert, wenn unser Dieb bereits außer Landes geflohen ist, weitere Diebstähle außerhalb Kolumbiens begeht oder sich einfach absetzt?«, fragte sie vorsichtig mit leiser Stimme.
Liz antwortete »Solange wir in diesem Fall ermitteln, bleiben sie bei uns. Dabei ist es egal, ob er in Kolumbien bleibt, oder in China eine Vase aus der Ming Dynastie raubt. Wir werden zusammen ermitteln und ihn zur Strecke bringen, auch wenn er sich auf dem Mond versteckt.«
Moreira und die neue Kollegin strahlten um die Wette bei der Aussicht, zusammen mit den Agenten von Interpol in einem anderen Land arbeiten zu dürfen. Lediglich die Augen von Cortez wurden mit jedem Wort größer, bis ihr das alles zu viel wurde und sie anfangen wollte zu zetern. Bereits nach dem ersten Anzeichen eines Schreis von ihr traf sie ein harter Hieb am Kopf, der sie von den Beinen holte und mit einer gnädigen Ohnmacht zu Boden warf. Leonie lachte ein lautes »Autsch« in die Runde.