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5. Kapitel Bahamas, Nassau

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Leo­nie, die das Te­le­fonat mit der Er­mitt­le­rin aus Car­ta­ge­na ge­führt hat­te, war ent­täuscht. Mi­cha­el konn­te sie kei­nen Vor­wurf ma­chen, er hat­te so rea­giert, wie er es im­mer tat, wenn ihm je­mand oh­ne Grund auf die Ner­ven ging. Die­se Cor­tez aus Ko­lum­bi­en war wäh­rend des gan­zen Ge­sprächs pam­pig, und sie selbst muss­te sich brem­sen, um nicht aus­fal­lend zu wer­den. Mehr­fach woll­te sie das Te­le­fon ein­fach ge­gen die Wand wer­fen. Mi­cha­el hat­te sich in die Kü­che ge­flüch­tet und fri­schen Kaf­fee ge­kocht. Als sie auf­ge­legt hat­te, brach­te er ihr ei­ne damp­fen­de Tas­se und nahm sie in sei­ne Ar­me. Es war sei­ne Art, ihr zu zei­gen, dass er sie von al­len schlech­ten Ein­flüs­sen ab­schir­men woll­te. An ihm selbst prall­te so et­was ein­fach ab, wäh­rend es an ihr nag­te, wenn man sie so her­ab­las­send be­han­del­te.

Liz hät­te die­ses Ge­spräch füh­ren sol­len, aber sie muss­te zu Ber­trand Rous­sel und war et­was län­ger un­ter­wegs. Be­vor man die­se Er­mitt­le­rin in Ko­lum­bi­en noch län­ger war­ten ließ, hat­ten sie ent­schie­den, Mi­cha­el an­ru­fen zu las­sen. Er war kom­mu­ni­ka­tiv zwar wirk­lich die völ­lig falsche Wahl, aber man dach­te, es gin­ge um Er­mitt­lun­gen, und da war er ne­ben Liz das Bes­te, was sie zu bie­ten hat­ten. Konn­te ja nie­mand ah­nen, dass die­se Zi­cke aus Ko­lum­bi­en nur auf Kra­wall ge­bürs­tet war.

Mitt­ler­wei­le war es kurz vor Fei­er­abend, als end­lich Liz wie­der ins Bü­ro kam. Sie be­merk­te so­fort die et­was un­ter­kühl­te Stim­mung.

»Was ist los? Hat es ge­schneit, wäh­rend ich weg war, und ihr seid des­halb et­was un­ter­kühlt?«, frag­te sie in die Run­de. Mi­ke und Ka­rya­ni ver­zo­gen bei­de gleich­zei­tig das Ge­sicht zu ei­ner schie­fen Gri­mas­se. Korn, der sei­ne Ver­lob­te im Arm hielt, rea­gier­te nicht mal mit ei­nem zu­cken. Leo­nie, die sich in Mi­chaels Ar­men ge­bor­gen und völ­lig si­cher fühl­te, ant­wor­te­te ihr.

»Die­se Cor­tez aus Ko­lum­bi­en hat bei der Zen­tra­le um einen An­ruf ge­be­ten. Du warst be­schäf­tigt und wir dach­ten, sie bräuch­te einen er­mitt­lungs­tech­ni­schen Rat. Micha hat sie dann an­ge­ru­fen, aber schon nach dem ers­ten Satz war sie nur am Pol­tern. Er hat ihr dann na­tür­lich gleich ver­sucht klar zu ma­chen, wer ei­gent­lich der Chef ist und ge­fragt, was sie ei­gent­lich will. Ihr ging es schein­bar nur dar­um ver­bal auf uns ein­zu­schla­gen. Um viel­leicht ein biss­chen Ru­he rein­zu­krie­gen, hab dann ich ver­sucht mit ihr zu spre­chen. Aber ob­wohl ich mich mehr­fach ent­schul­digt ha­be, und ge­zwun­gen ru­hig und pro­fes­sio­nell rea­giert ha­be, hör­te sie ein­fach nicht da­mit auf. Der letz­te Satz von ihr, als ich an­ge­bo­ten ha­be ihr zu hel­fen, war das wir dich und Mi­cha­el nicht ver­ges­sen mit­zu­brin­gen, weil sie sol­che Kräu­ter in der Pfei­fe raucht!«

»Ehr­lich?«, frag­te Liz er­staunt nach.

Ka­rya­ni, die sämt­li­che Ge­sprä­che auf­zeich­ne­te, ließ Liz das Te­le­fonat noch ein­mal hö­ren. Sie staun­te nicht schlecht, als sie hör­te, dass man ih­rem Te­am vor­warf, Cock­tails am Strand zu trin­ken, man sie als Wo­che­n­en­der­mitt­ler und Blei­stift­jong­leu­re be­zeich­ne­te. Als die Auf­zeich­nung be­en­det war, weil Leo­nie die Ver­bin­dung ge­trennt hat­te, über­leg­te sie einen kur­z­en Mo­ment. Sie wand­te sich an Mi­cha­el und frag­te »Micha, hast du Lust auf ei­ne Run­de Kopf­schla­gen?«

»Fragst du ge­ra­de ernst­haft mich, ob wir die­ser ver­blö­de­ten Gö­re aus Ko­lum­bi­en in den Arsch tre­ten sol­len?«, wun­der­te er sich.

Liz nick­te »So könn­te man das sa­gen Micha. Ich ha­be kei­ne Lust, hier wei­ter zu ver­sau­ern und mir die Fin­ger am Pa­pier auf­zu­schnei­den. Lasst uns nach Ko­lum­bi­en flie­gen, die­ser Cor­tez die Gift­zäh­ne zie­hen und einen Raub auf­klä­ren! Seid ihr da­bei?«

»Darf ich sie auch tre­ten?«, frag­te Leo­nie vor­sich­tig.

»Wenn es nach mir geht, und nach dem, was ich bis­her mit­be­kom­men ha­be, soll­test du ei­ne große Waf­fe mit­neh­men und ihr ein zwei­tes Loch rein­schie­ßen Leo­nie!«, grins­te sie schel­misch.

»Gib mir zwei Mi­nu­ten, dann kanns los­ge­hen«, bat Leo­nie.

Die an­de­ren Mit­glie­der des Te­ams tauch­ten ei­ni­ge Bli­cke aus, wäh­rend sich Leo­nie aus den Ar­men von Mi­cha­el schäl­te und ih­re Ta­sche aus dem Schrank in der Kü­che hol­te. Mi­cha­el brach­te die stum­me Kom­mu­ni­ka­ti­on auf den Punkt »Was sit­zen wir hier noch so nutz­los rum? In zehn Mi­nu­ten sind wir in der Luft und prü­geln der zum Früh­stück die Schei­ße aus dem Kopf!«

Al­le stan­den auf und fun­kel­ten Liz an als, wenn sie ge­ra­de nach ei­nem Krieg ge­fragt hät­te. Die Che­fin zog ihr Han­dy aus der Ta­sche, rief zu­erst Rous­sel an, um ihm zu sa­gen sie hel­fen der ko­lum­bia­ni­schen Po­li­zei, und dann te­le­fo­nier­te sie kurz mit ih­rem Ver­lob­ten, das sie un­ter­wegs sind einen Raub auf­zu­klä­ren. Nach­dem sie das Ge­spräch be­en­det hat­te, schwärm­ten die ein­zel­nen Te­am­mit­glie­der aus. Ka­rya­ni sprang in ihr Au­to und ras­te in die Woh­nung des Paa­res, um die ge­pack­ten Ta­schen zu ho­len. Mi­ke küm­mer­te sich um die Tech­nik und sei­ne Com­pu­ter, die er ein­pack­te. Leo­nie war­te­te be­reits mit der Waf­fen­ta­sche in der Hand und Mi­cha­el hol­te den Kof­fer mit den Kla­mot­ten aus der Kam­mer über der Kü­che. Falls es schnell ge­hen muss­te, hat­ten er und Leo­nie im­mer ih­re Kla­mot­ten schon ge­packt und im Bü­ro ge­parkt. Liz fuhr ih­re Rei­se­ta­sche täg­lich im Kof­fer­raum ih­res Wa­gens spa­zie­ren.

Wäh­rend Mi­ke noch al­les Mög­li­che zu­sam­men­pack­te, stan­den die drei Rau­cher der Trup­pe wie­der vor der Tür. Liz konn­te es kaum er­war­ten wie­der auf die Jagd zu ge­hen und sah sich schon durch Ko­lum­bi­en het­zen, um einen Kunst­dieb ein­zu­lo­chen. Leo­nie konn­te ihr die Vor­freu­de an­se­hen und frag­te noch­mals nach »Darf ich der wirk­lich ei­ne ver­pas­sen Liz?«

»Vo­rerst spie­len wir mal die sanf­te Tour. Falls sie aber wirk­lich so ei­ne große Ner­ven­sä­ge ist, zie­hen wir die Zü­gel an und knöp­fen sie uns vor!«, re­la­ti­vier­te die Che­fin.

»Liz, sei dir im Kla­ren dar­über, dass ich auf kei­nen Fall zu­las­sen wer­de das sie ei­nem von uns ge­gen­über, so ei­ne Tour fährt wie am Te­le­fon. Die zer­reiß ich in der Luft in klei­ne Häpp­chen und ver­gif­te da­mit die Fi­sche, nach­dem sie ein paar An­den­ken von Leo­nie er­hal­ten hat«, stell­te Korn fest.

»Ich weiß Micha«, gab sie zu, »Sie hat eben den Feh­ler ge­macht sich gleich mit dir an­zu­le­gen und dann auch noch Leo­nie ge­gen sich auf­zu­brin­gen. Aber da­mit nicht ge­nug, sie hat dem gan­zen Te­am den Krieg er­klärt. Die­ser Krieg kommt jetzt aber di­rekt auf sie zu, und ich will die­se Per­son vor mir auf dem Bo­den krie­chen und um Gna­de win­seln se­hen«, brach­te Liz zum Aus­druck.

»Schatz, kannst du mal kurz nach­se­hen, ob wir auch die rich­ti­ge Liz mit­neh­men? So kämp­fe­risch ken­ne ich sie gar nicht«, scherz­te Korn.

Leo­nie lä­chel­te, griff ih­rer Che­fin an die Schul­ter und schüt­tel­te sie scherz­haft. Dann wand­te sie sich wie­der an ih­ren Ver­lob­ten und be­stä­tig­te »Es ist die Ech­te! Vi­el­leicht war was im Kaf­fee.«

Liz muss­te la­chen. Die­se bei­den zu­sam­men har­mo­nier­ten bes­ser als je­des Or­che­s­ter. Leo­nie hat­te die­sen un­ge­ho­bel­ten Klotz, den sie da­mals am Flug­ha­fen von Ly­on ken­nen­ge­lernt hat­te, von Grund auf ver­än­dert. Ge­gen­über dem Te­am war er zu Scher­zen auf­ge­legt, küm­mer­te sich um ihr leib­li­ches Wohl und half, wo er konn­te. Auch sei­ne manch­mal bis­si­gen Kom­men­ta­re, die am An­fang grund­los be­lei­dig­ten, ka­men jetzt eher als Witz her­über. So­gar Ja­son, ih­ren Ver­lob­ten, be­han­del­te er als Freund, ob­wohl er nicht viel mit ihm zu tun hat­te. Sie hat­te in ei­ner ru­hi­gen Stun­de mit Leo­nie dar­über ge­spro­chen. Die hat­te ihr ge­sagt, dass er nach der Ge­schich­te mit Isa­bel­la und den ver­gan­ge­nen 30 Jah­ren durch die Lie­be zu ihr wie­der ins Le­ben ge­fun­den hat­te. Er hat­te sich bei ih­rem ers­ten Fall so­gar dar­um be­müht Ja­son für sie nach Ly­on zu ho­len. Das war sei­ne Art, sich zu ent­schul­di­gen für die Feh­ler, die er be­gan­gen hat­te.

Ka­rya­ni kam mit quiet­schen­den Rei­fen vor dem Bü­ro wie­der zum Ste­hen. In Win­desei­le hat­te sie die Ta­schen für sich und Mi­ke zu Hau­se ab­ge­holt, da­mit sie star­ten konn­ten. Auch Mi­ke hat­te die Aus­rüs­tung be­reits ver­packt, um kei­ne Zeit zu ver­lie­ren. Die fünf Agen­ten ver­teil­ten ihr Ge­päck auf zwei Fahr­zeu­ge und mach­ten sich dann auf den Weg zum Flug­ha­fen, wo be­reits die sil­ber­ne Gulf­stream mit dem In­ter­pol­lo­go auf dem Roll­feld war­te­te. In knapp zwei Stun­den wür­den sie be­reits in Car­ta­ge­na lan­den. Liz wies Mi­ke an, noch in der Luft drei Ho­tel­zim­mer zu bu­chen. Gleich mor­gen früh wür­den sie bei Ane­li­sa Cor­tez und ih­ren Kol­le­gen im Bü­ro ste­hen und dem Raub auf den Grund ge­hen.

Das Ikarus Puzzle

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