Читать книгу Das Ikarus Puzzle - Matthias Boden - Страница 13
8. Kapitel Vereinigte Staaten, Los Angeles (CA)
ОглавлениеDie Stadt der Engel lag im leichten Nebel, der sich wie ein Seidenschal auf die Skyline der Metropole im Westen der Vereinigten Staaten legte. Vor kurzen war die Boeing 737 aus San Salvador am internationalen Flughafen der Stadt gelandet. Der Kunstdieb Firefly stand vor dem Gepäckband in der großen klimatisierten Halle und wartete auf seinen dunkelblauen Hartschalenkoffer, den er mitgenommen hatte. Sein nächstes Ziel, was er von seinem Auftraggeber bekommen hatte, wurde nur kurz im Los Angeles County Museum of Art ausgestellt. Der Komplex bestand aus mehreren Gebäuden, die durch allerhand technische Spielereien gesichert waren. Erst hatte er mit dem Gedanken gespielt dort einzusteigen, nachdem er aber die verschiedenen Sicherungen studiert hatte, die das Objekt bewachten, hatte er sich entschlossen, noch einige Tage zu warten.
Er hatte vor den Saphir "Big Blue" während des Rücktransports zu seinem Besitzer nach New York zu stehlen. Der Edelstein war das einzige Stück, das der vermögende Kunstsammler dem Museum für die Ausstellung zur Verfügung stellte. Für seine Vorbereitungen blieben noch fast zwei Wochen übrig. Das war deutlich mehr Zeit, als er benötigte. Sein erster Weg führte ihn in eine unscheinbare Hinterhofwerkstatt eines ganz besonderen Mannes, den er vor einigen Jahren in England kennenlernte. Er war Experte für das Erstellen exakter Kopien von mehr oder weniger bekannten Edelsteinen, die auf der Welt zu finden waren.
Der technische Fortschritt in den letzten Jahren machte Handarbeit fast schon überflüssig. Was er brauchte, war ein digitaler Scan des Originals um den tiefblauen Stein aus eingefärbtem Zirkoniumdioxid nachbilden zu können. Für diesen Zweck bekam er von seinem Bekannten eine hochauflösende Kamera, die so klein war wie eine Minitaschenlampe. Nachdem er sie bekommen hatte, verbarg er sie unter der Schirmmütze, die er extra auf dem Kopf trug. Das benötigte Batteriepack steckte er sich in die hintere Tasche seiner Hose. Die Kabel für die Energieversorgung zog er unter seiner Bekleidung bis hoch zum Kragen und versteckte das letzte Stück zwischen seinen schwarzen Haaren. Die eingelegte Speicherkarte mit 512 GB müsste für den einzelnen Saphir ausreichen.
Firefly nahm sich ein Taxi, das ihn zum Los Angeles County Museum of Art brachte. Das gelbe Auto fuhr gemächlich durch die Straßen auf die großen Gebäude zu. Vor dem Museum prüfte er ein letztes Mal seine gesamte Ausrüstung, bezahlte den verlangten Eintritt und begab sich dann wie ein Tourist in die Ausstellung. Das Objekt seiner Begierde, der Saphir "Big Blue", lag alleine in einer Vitrine. Der Edelstein war so groß wie eine Zitrone und besaß einen wundervollen Schliff, der das einfallende Licht der großen Spots, die auf ihn gerichtet waren, in alle Richtungen abstrahlte. Dieser Anblick alleine löste ein Kribbeln in seinen Händen aus, das sich durch das beiliegende Kärtchen noch verstärkte. Angegeben war der Wert des Steins darauf mit 4,8 Millionen Dollar.
Er ließ sich alle Zeit, um den Saphir aus jeder Richtung aufzunehmen. Das Bildmaterial musste so gut wie möglich sein, um daraus ein vernünftiges 3D-Modell zu erstellen. Die Kopie des Saphirs aus dem eingefärbten Zirkoniumdioxid sollte nahezu perfekt werden. Niemand würde entdecken, dass der echte Saphir vom Museum bis zu seinem Besitzer ausgetauscht worden war. Erst der Besitzer selbst, der sein Eigentum nach Erhalt mir einer Lupe untersuchte, würde feststellen das er eine Fälschung zurückbekam. Die erste Vorbereitung war mit den Aufnahmen fast abgeschlossen. Firefly verließ das Museum wie ein normaler Tourist und kehrte in die Hinterhofwerkstatt zu seinem Kollegen zurück.
Sie luden die Bilddaten von "Big Blue" in den Computer, der daraus eine digitale Kopie anfertigte, während sein Kollege das Zirkoniumdioxid blau färbte. Am Bildschirm verkleinerten sie den Stein auf die Größe eines Knopfes, damit sie die Farbe prüfen konnten, die sein Kollege angemischt hatte. Nach einigen Versuchen mit den kleineren Versionen hatten sie die Farbe, dieses tiefe Blau endlich getroffen. Es war an der Zeit zu testen, ob die Originalgröße täuschend echt wirken würde. Die Maschine würde die ganze Nacht dafür benötigen, was ihm genug Zeit gab in seinem vorab gebuchten Hotel einzuchecken und sich zurückzuziehen.
Als er am nächsten Morgen in der Werkstatt ankam, war die Kopie schon fast fertig. Es war unbeschreiblich wie genau das bereits erstellte Teil dem Original, das im Museum lag, glich. Eine weitere Stunde später beendete die Maschine ihre Tätigkeit an dem Modell. Firefly und sein Fälscherkollege begutachteten die Kopie des Saphirs. Kein einziger Fehler war zu erkennen, die Farbe war perfekt, nur das Gewicht des erstellten Modells wich von seinem Vorbild etwas ab. Zirkoniumdioxid war etwas schwerer als der natürliche Stein, was aber nach dem Austausch kaum auffallen würde. Die erste Vorbereitung für den Job, der ihm 3 Millionen Dollar bringen sollte war abgeschlossen.
Der nächste Punkt der Vorbereitung betraf das eingesetzte Fahrzeug, das dieses Objekt vom Museum zum Flughafen brachte, um von Los Angeles nach New York geflogen zu werden. Sein ursprünglicher Plan war den Austausch während des Transports im Flugzeug zu machen. Der Besitzer hatte allerdings sein Privatflugzeug geschickt, das "Big Blue" vom Rollfeld eines kleineren Flughafens, etwas außerhalb von New York, abholen und in sein Penthaus bringen zu lassen. Es war also unmöglich, bei diesem Transport dabei zu sein, denn der Eigentümer des Saphirs hatte seine eigene Wachmannschaft, die man nicht so einfach infiltrieren konnte. Jeder seiner Mitarbeiter war dem Chef persönlich bekannt, was ihn sofort zum Hauptverdächtigen gemacht hätte.
Firefly war sein Künstlername, ein Pseudonym für die einschlägigen Kreise, die seine Dienste in Anspruch nahmen. Seinen richtigen Namen wusste niemand, auch nicht, woher er kam oder wo er lebte. Niemand würde vermuten, dass hinter dieser unscheinbaren Person einer der größten Kunstdiebe, die es gab, steckte. Kunst selbst interessierte ihn fast nicht. Seine Leidenschaft waren das Planen und durchführen von Operationen, die ihm so gut wie möglich alles abverlangten. Dafür hielt er sich fit, trainierte an jedem Wochentag mindestens drei volle Stunden und eignete sich die Sicherungssysteme, insbesondere deren Schwachstellen an, die in den Museen rund um die Welt zum Einsatz kamen.
Er verbrachte den Rest des Tages mit einer Tour durch die Filmstudios in Hollywood, denn vor Einbruch der Dunkelheit konnte er fast nichts mehr unternehmen. Erst in der Nacht waren die gepanzerten Fahrzeuge auf ihren Plätzen abgestellt, und niemand beobachtete das eingebaute GPS. Das Fahrzeug mit der Nummer 2803 würde den Transport durchführen, und die abgestellte Mannschaft dafür bestand aus insgesamt fünf Personen. Einer als Fahrer und Beifahrer, einer der das transportierte Frachtgut im Auge behielt und zwei Personen, die den Transport auf Motorrädern verfolgte. Er musste in diesem Transporter einige Vorkehrungen treffen, was bedeutete, er brauchte einen Schlüssel und ein Versteck in dem Wagen um den Saphir austauschen zu können.
Da jeder der Mitarbeiter vor dem Transport peinlich genau durchsucht wurde, war es unmöglich, die Kopie am Körper in das Fahrzeug zu schmuggeln. Nach dem Transport, noch auf dem Flughafen, würde es eine zweite Kontrolle geben, was es ebenfalls unmöglich machte dieses Objekt unbemerkt verschwinden zu lassen. Sein Plan sah vor, die Kopie schon im Fahrzeug zu verstecken, bevor der Transport begann. Dann würde er den Austausch vornehmen und das Original im Versteck zu lagern, bis er es danach ganz ungefährdet auf dem Parkplatz des Transporters seine Beute stehlen konnte.
Mitten in der Nacht stand der Transporter mit der Nummer 2803 verschlossen auf seinem Parkplatz. Firefly hatte eine Tasche dabei, um den Umbau vorzunehmen, zumindest einen ersten Teil davon. Jetzt war es noch viel zu früh die Kopie in das Fahrzeug zu legen. Erst in anderthalb Wochen, einen Tag vor seines Raubzuges würde er den Nachbau im Fahrzeug verstecken. Die Alarmanlage im Büro des Unternehmens, in dem die Schlüssel gelagert waren, könnte seine Oma mit einem Zahnstocher überlisten. Diese Konstruktion hatte keine Schwachstelle. Die gesamte Anlage war eine einzige Schwachstelle. Den Schaltplan hatte er vor einigen Jahren schon in der Hand gehabt und auf den ersten Blick gesehen, dass es ausreichte, eine Verbindung zu trennen, um das gesamte System lahmzulegen.
Die Steuerungskonsole war so angebracht, dass fast jeder praktisch daran vorbeikam, der in das Büro der Firma wollte. Firefly öffnete den Kasten mit einem Pick Set, was das eigentlich Schwierige daran war, entfernte die Verbindung und machte sich dann an die Bürotür. Mit geübten Fingern knackte er den Schließmechanismus und drang in die Räume vor. Minuten später hatte er den Schlüssel des Fahrzeugs schon in der Hand. Er machte ein Bild von beiden Seiten des Schlüssels, legte ihn wieder zurück und versetzte die Alarmanlage wieder in den Originalzustand. Dann kehrte er in sein Hotel zurück und legte sich schlafen.
Am nächsten Morgen besuchte er seinen Kollegen erneut, um eine Kopie des Schlüssels anfertigen zu lassen. Er würde dafür ungefähr zwei Tage benötigen, was ihm genug Zeit verschaffte, seinen Dienstausweis des Unternehmens am Computer fertigzustellen. Der Mitarbeiter, der den Transport im inneren Überwachen sollte, konnte an diesem Tag nicht zur Arbeit gehen. Für Leichen ist es unglaublich schwer, zu arbeiten. Er würde diesen Platz übernehmen und die Fahrt vom Museum zum Flughafen, die knapp eine Stunde dauern würde, für den Austausch nutzen und danach einfach verschwinden.
Die Plastikkarte am Computer nachzumachen war ein Kinderspiel. Nicht für Firefly natürlich, er konnte mit diesen Kisten die mittlerweile die ganze Welt kontrollierten, nicht gut genug umgehen. Aber dafür gab es in der Welt der Kriminellen einige Spezialisten, für die diese Aufgabe so schwierig war wie normal zu atmen. Sein Kontakt in der Szene hieß "SerialMole", gerade mal 19 Jahre jung aber einer der besten Hacker an der Westküste der USA. Diese Karte mit einem Magnetstreifen zu erstellen war für ihn nicht mehr als eine kleine Fingerübung.
Damit waren Fireflys Vorbereitungen für den Fischzug fast schon abgeschlossen. Alles, was ihm jetzt noch fehlte, war die richtige Uniform, die er aber über einen Schneider, der auch die Kleidung für die Firma lieferte, beziehen konnte, wenn die Karte fertig war, die ihn als Mitarbeiter auswiesen. Wann immer ein Kleidungsstück verschlissen, oder beschädigt war, konnte man mit seinem Dienstausweis dort Ersatz beschaffen. Die Rechnung würde dem Unternehmen am Ende des Monats mit der Post zugehen und anstandslos bezahlt werden. Bis dahin hätte er die Uniform aber schon längst wieder entsorgt und das Land um 3 Millionen reicher verlassen.