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11. Kapitel Kolumbien, Cartagena
ОглавлениеDie Agenten verließen zusammen mit den Kommissaren die Dienststelle und brachten sie mit ihren Mietwagen zu ihrem eingerichteten Hauptquartier. Moreira, dessen Wagen noch in der Seitenstraße stand, nachdem sie ihn enttarnt hatten, war bereits schon einmal hier. Für Dolores Paredes tat sich eine völlig neue Welt auf, als sie sah, was dieses Team alles mitgenommen hat, um diesen Raub aufzuklären. Bevor sie aber eine Führung bekamen, teilte Liz ihnen einige Papiere aus, die Mike aus seinem Computer gezaubert hatte. Darauf standen die gesamten Ermittlungsergebnisse, die das Team bisher sammeln konnte. Beide lasen sich die Aufzeichnungen aufmerksam durch. Moreiras Gesichtszüge zeigten völliges erstaunen, und auch Paredes fiel die Kinnlade etwas nach unten.
Sie fragte neugierig »Woher haben sie die ganzen Ergebnisse?«
Liz deutete auf Michael und belehrte die beiden »Unser Wahrsager hier hat das meiste davon entdeckt!«
»Wahrsager?«, fragten die beiden Kommissare wie aus einem Mund und sahen Korn mit großen Augen an.
»Er wirkt eher wie ein ganzes Gebirge, was mit Lawinen um sich wirft«, wunderte sich die junge Kommissarin.
»Mister Korn ist weder Wahrsager noch ein Gebirge. Was die Lawinen angeht, muss ich leider in vielen Fällen zustimmen, aber es hat sich schon enorm gebessert. Er war ein gefragter Bodyguard bis er dann bei Interpol gelandet ist. Seine Aufgabe ist die Sicherheit unseres Teams, ebenso ist es unser Verhörspezialist und er kann durch seine Beobachtungsgabe Hinweise erkennen die den meisten verborgen bleiben«, erklärte Liz.
»Ehrlich gesagt hab ich ein bisschen Angst vor ihm!«, gab Paredes zu.
Leonie legte ihren Arm um Michael »Vor meinem Verlobten braucht ihr keine Angst zu haben, wenn ihr euch nicht mit ihm anlegt. Das hätte auch Cortez besser vermieden«, lachte sie und gab ihm einen kleinen Kuss.
Paredes und Moreira wechselten einen skeptischen Blick bevor sie wieder zu Liz sahen.
»Das Team besteht aus zwei Paaren, bevor ihr euch wundert. Leonie und Michael sind wie Karyani und Mike miteinander verlobt«, bestätigte die Chefin des Teams.
»OK, so genau wollte ich es gar nicht wissen«, sagte Paredes, »Mich würde eher interessieren, wie sie darauf gekommen sind und die Kommissare auf der Dienststelle wie blutige Anfänger aussehen lassen konnten. Als ich mit Cortez kurz in Museum war, wurden wir von Sosa zurückbeordert, bevor ich etwas herausfinden durfte.«
Liz nickte einsichtig, als sie kurz darüber nachdachte. Sie entschied das Karyani, Mike und sie selbst im Hauptquartier bleiben würden, während Leonie, Michael und die beiden Kommissare zusammen im Museum die Erkenntnisse verifizieren und vielleicht noch mehr herausfinden sollten. Die beiden waren sofort einverstanden, als sie hörten, das Michael ihnen seine Ermittlungen zeigen würde. Moreira hatte seine Ermittlungen im Museum nicht aufgenommen, nachdem er sich mit Cortez überworfen hatte, und die junge Paredes konnte ihre Fähigkeiten bisher nicht einbringen. Außerdem könnten sie von einem Agenten des Teams einiges lernen. Michael nehm die Entscheidung der Teamführerin ohne Regung hin, obwohl er schon alles gefunden hatte. Er nahm Leonie in den Arm und ging mit ihr wieder nach draußen. Paredes und Moreira folgten den beiden mit einem scheuen Lächeln auf dem Gesicht.
Während der kurzen Fahrt zum Museum unterhielten sich nur die beiden Verlobten. Auf der Rückbank herrschte gespannte Stille. Die junge Kollegin von Moreira konnte nicht glauben, wie der große Mann mit der kleinen Frau neben sich umging. Sie hatte extremen Respekt vor Michael, der Cortez im Revier mit einem kurzen Hieb zu Boden geschickt hatte und sie bewusstlos liegen blieb. Im Auto mit seiner Verlobten war er wie ausgewechselt. Obwohl er das Steuer in der Hand hielt, wechselten die beiden verliebte Blicke und unterhielten sich wie zwei Teenager auf ihrem ersten Ausflug.
Als sie am Museum ankamen und zu viert in einer Reihe nebeneinander auf den Eingang zugingen, hatte Michael wieder in einen anderen Modus gewechselt. Das Gebäude war nach den Ermittlungen wieder für Besucher geöffnet, die in einer Schlange vor dem Eingang warteten. Korn schob sich an den Besuchern vorbei, bis er vor dem Kassenhäuschen stehen blieb. Ohne ein Wort drückte er ein junges Paar auf die Seite, die sich sofort lauthals beschwerte. Er warf ihnen nur einen kurzen Blick zu und deutete mit seinem Finger auf den Eingang, als er sagte »Karten braucht ihr nicht, das erledige ich für euch, und jetzt macht einen Abgang.«
Dann drehte er sich zu dem jungen Mann, der die Karten verkaufte, um und sprach »Zwei Erwachsene und zwei Kinder«, und legte einen hundert Dollar Schein auf die Theke. Pflichtbewusst brach er vier Karten ab, nahm den Geldschein und wollte gerade herausgeben, als Michael die Ermittler einfach weiterzog und rief »Stimmt so kleiner!«
Leonie kicherte, als Paredes erstaunt fragte »Wieso haben sie vier Karten gekauft? Wir sind Ermittler und dürfen umsonst ins Museum, um Spuren nachzugehen.«
»Paredes, das Museum war tagelang geschlossen, weil ihre Truppe ewig brauchte, um einen einzigen Fußabdruck zu finden. Wenn ihre Kinderabteilung noch an dem Fall dran wäre, dürften die Besucher noch einen Monat warten bis wieder geöffnet wird. Diese ganzen Tage haben ein großes Loch in die Kasse gerissen. Ich bin der Meinung, dass wir wenigstens einige Spesen verwenden sollten, um den Schaden ein bisschen kleiner zu halten!«, gab er etwas mürrisch über seine Schulter zurück.
»Warum frag ich überhaupt«, schmollte sie.
Leonie gab ihr eine kleine Erklärung »Michael mag auf euch ein bisschen böse wirken und was er sagt, unterstreicht diesen Eindruck noch, aber er ist ein unglaublich netter Mensch. Er hat nur noch Probleme damit, es auch offen zu zeigen. Gebt ihm einfach Zeit dafür. Im Gegensatz, zu dem wie ich ihn kennenlernen durfte, hat er eine unglaubliche Entwicklung durchgemacht.«
Die junge Kommissarin schaute sie ungläubig an, sagte aber nichts mehr. Moreira schüttelte nur still den Kopf, als sie ihren Weg fortsetzten. Im vierten Stock führte der ehemalige Bodyguard, die Gruppe in den Raum den Paredes nur sehr oberflächlich in Augenschein nehmen konnte. Er blieb unter der Aluminiumröhre der Lüftung stehen und versammelte seine Begleiter um sich, um zu erklären, wie er auf die Ideen kam.
»Sie müssen lernen, wie ein Einbrecher zu denken um die vorhandenen Spuren richtig deuten zu können! Das Sicherheitssystem des Museums überwacht den Fußboden auf jeder Etage mit Laserstrahlen, die sofort Alarm auslösen, wenn sie unterbrochen werden. Zusätzlich sitzt eine Sicherheitskraft vor Monitoren und macht in gewissen Abständen einen Rundgang durch das gesamte Gebäude. Die unteren Etagen sind gut gegen ein Eindringen gesichert, was es für einen Dieb abschreckend wirkt. Außerdem ist das Objekt seiner Begierde im vierten Stock. Die Treppe kann er nicht benutzen, weil er nicht einmal so weit vordringen kann, das Alarmsystem ausschalten könnte und dem Sicherheitsdienst aus dem Weg gehen. Es muss also einen Weg geben das Videosystem zu überlisten und ungesehen bis in den vierten Stock zu kommen. Die einzige Möglichkeit, die ich sehen konnte, war das Belüftungssystem, das nicht überwacht wird«, erklärte er und zeigte auf die glänzende Röhre über ihm.
»Das Nächste, was dann im Weg steht, ist dadurch bis in den vierten Stock zu kommen. Von unten müsste er senkrecht ohne Sicherung in einer engen Röhre nach oben klettern und das auch noch möglichst lautlos. Das ist fast unmöglich zu machen, was bedeutet, er muss von oben gekommen sein. Das ist fast geräuschlos zu machen, bis er dann in diese Röhre abbiegen kann, ohne sich abseilen zu müssen, weil die Röhre so eng ist das er oder sie sich mit den Händen abstützen kann, oder so verkeilen, um nicht abzurutschen. Hier ist ein großes Lüftungsgitter, unter dem ein Sessel steht. Darauf fand sich auch ihr Fußabdruck, wie ich gesehen habe anhand des Puders, was ihre Spurensicherung dort aufgetragen hatte. Wie kommt der Dieb jetzt von dem Sessel zu der Vitrine, die da hinten steht, ohne durch die Laser Alarm auszulösen. Er könnte von einer Vitrine zur nächsten springen, was das Glas einfach nicht mitmacht, ohne zu brechen. An der Decke kann er sich auch nicht fortbewegt haben, weil sie mit dünnen Platten abgehangen wurde die bei einer kleinen Berührung schon Druckstellen zeigen würden. Was wäre dann also die nächste Idee, die ihnen beiden in den Sinn kommt?«, fragte er die Kommissare.
Moreira und Paredes dachten kurz nach, als sie die Erklärung gehört hatten. Beide blickten sich suchend um, bis der Blick der jungen Kommissarin auf der Konsole der Alarmanlage haften blieb.
Michael bemerkte den Blick und sprach weiter »Paredes hat es entdeckt. Die Konsole der Alarmanlage ist in der Reichweite vom Sessel aus. Also habe ich unsere Technikexpertin die Konsole überprüfen lassen, wie man sie überlisten kann, weil es die einfachste Möglichkeit wäre. Sie hat das System unter die Lupe genommen und mir bestätigt, das man sie mit einer einfachen Haarklammer schon aussetzen könnte, wenn man ein bisschen Ahnung hat. Außerdem konnte sie Kratzspuren daran entdecken. Also kam er oder sie zu der Vitrine und konnte sie mit einem Glasschneider öffnen, wie das kreisrunde Loch beweist, was gefunden wurde. Nachdem er seine Beute also geholt hat, muss er wieder verschwinden. Die Alarmanlage war aber wieder in Betrieb, was heißt, dass er auf demselben Weg wieder verschwunden ist, wie er kam. Jetzt stehen wir wieder vor dem Problem, das er durch die Röhre lautlos nach oben klettern müsste, allerdings noch unter Zeitdruck, weil der Wachmann schon auf seiner Runde unterwegs ist. Zudem müsste er dann, während schon alles nach ihm sucht, vom Dach verschwinden. Wie geht es also weiter?«, fragte er erneut die neuen jungen Kollegen.
Diesmal war Moreira der erste, der antwortete »Wieder nach unten abseilen und dann durch den Keller verschwinden!«
»Exakt Moreira«, lobte Michael, »Der Beweis dafür ist seine Ausrüstung für die Manipulation der Videoaufzeichnung auf dem Dach, die er zurückgelassen hat. Entweder war er in Eile und hat sie deshalb dort liegen lassen, oder er wusste, dass sie dortbleiben würde. Gefunden haben wir sie unter einem Rohr versteckt, was für mich der Hinweis darauf ist, das er wusste, er könnte sie nicht mehr einsammeln. Es musste also eine Möglichkeit geben, durch den Keller zu verschwinden. Ich habe also Mike unseren Computerexperten gefragt, wohin die Wasserstellen, die es im Keller gibt, führen. Er hat dann bestätigt, das zwei davon in ein Höhlensystem führen, die mit dem Meer verbunden sind. Welche Eigenschaften können wir mit diesem Wissen über den Dieb herausfinden?«
Paredes gab die passenden Antworten, die sie bereits im Bericht zuvor gelesen hatte. Beide staunten, wie einfach Michael diesen Weg finden konnte, ohne Spuren zu sichern oder Angestellte zu befragen. Leonie nickte den beiden aufmunternd zu und gab ihrem Liebsten einen leichten Klaps auf den Hintern. Sie verließen das Museum wieder und begaben sich auf die Rückseite, wo Michael die Kletterspuren zeigte, die Karyani entdeckt hatte. Die jungen Beamten waren beeindruckt, wie die Agenten von Interpol diesen Fall mit einem einzigen Besuch aufklären konnten und bereits nach dem Dieb suchten, während sie noch rätselten, wie es ihm gelungen war, in das Gebäude zu kommen. Scherzhaft fragte Paredes, ob Michael vielleicht Kurse anbieten würde, wie ein Dieb zu denken.
Grinsend antwortete er »Natürlich, sie müssen nur ihre Polizeimarke abgeben und versuchen in Gebäude einzudringen, die Stücke enthalten, die sie gerne ihr Eigen nennen möchten. Dann kommen diese Ideen von ganz alleine.«
»Ich habe mich für die Seite entschieden, die für recht und Gesetz eintritt«, lachte Paredes.
»Das habe ich bemerkt«, gab Michael zurück, »Trotzdem ist es wichtig sich auch damit auszukennen wie Kriminelle denken und Sicherheitseinrichtungen überwinden. Denn dieses Wissen ist existenziell sie zu bekämpfen.«
»Verstanden, aber scheinbar beherrscht ihr ganzes Team diese Kunst. Wie kommt das?«, fragte sie nachdenklich.
»Zum einen ist es nicht mein Team, weil Miss Croll die Teamchefin ist, und zum anderen sind wir alle, außer der Chefin selbst, mit dem Gesetz in Konflikt gekommen«, bekannte Korn und schenkte Leonie einen wissenden Blick.
Moreira und Paredes konnten ihre Überraschung nicht verbergen. Die jungen Kommissare versuchten, ein bisschen mehr nachzufragen, inwieweit die Agenten in kriminelle Machenschaften verwickelt waren, aber die beiden Agenten gingen nicht weiter darauf ein. Besonders neugierig war Moreira, der immer wieder mit kleinen Andeutungen auf das Thema zurückkam. Als sie zurück im Mietwagen saßen, hatte Leonie die Nase voll von den Andeutungen und wurde ärgerlich. Korn selbst ignorierte die kleinen Spitzen der beiden und legte seiner Verlobten immer wieder beruhigend die Hand auf. Kurz bevor sie wieder am Hauptquartier des Teams ankamen, half aber auch das nichts mehr. Leonie drehte sich wütend zu den beiden auf dem Rücksitz um und drohte »Egal, wer von euch beiden jetzt noch auf dieses Thema kommt, wird den morgigen Tag nicht mehr erleben! Liz hat gegenüber Moreira bereits erwähnt, das mein Finger am Abzug nicht lange zögert. Wir vier sind keine Engel, sondern standen auch ziemlich weit auf der anderen Seite des Gesetzes. Verzichtet darauf, weiter nachzufragen! Ihr wärt nicht die Ersten, die durch mich ihr Leben verlieren.«
Die beiden verkniffen sich jede weitere Nachfrage und setzten ein ängstliches Gesicht auf. Auch als sie im Hauptquartier ankamen, verhielten sie sich weiterhin still. Michael hatte sich mit Leonie kurz zurückgezogen, um sie zu besänftigen. Auch Liz bemerkte die gedrückte Stimmung und wollte bei ihren Kollegen nachfragen. Korn bat sie einige Minuten zu warten, bevor er ihr eine Erklärung liefern würde.