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1. Erlassene Gesetze

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Mit der Verfassungsbeschwerde können Maßnahmen des Gesetzgebers für das Straf- und Strafprozessrecht angegriffen werden. Dies gilt sowohl für den mittelbaren Angriff im Rahmen einer Urteilsverfassungsbeschwerde als auch für die – seltenere – unmittelbare Rüge, siehe §§ 93 Abs. 2, 94 Abs. 4, 95 Abs. 3 BVerfGG. Die Einlegung unmittelbarer Rechtssatzverfassungsbeschwerden begegnet im Hinblick auf den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (§ 90 Abs. 2 BVerfGG) und die Fristproblematik häufig erheblichen praktischen Durchsetzungsproblemen.[42]

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Das BVerfG legt den Gesetzesbegriff weit aus. Erfasst sind nicht nur formelle Parlamentsgesetze, sondern auch Gesetze im materiellen Sinne wie Satzungen des Bundes und der Länder[43] sowie Rechtsverordnungen[44] – letztere in Strafsachen wegen Art. 103 Abs. 2 GG freilich weniger relevant. Keinen mit der Verfassungsbeschwerde angreifbaren Rechtsakt stellt auch Gewohnheitsrecht dar. Unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde schließlich gegen ein Gesetz, welches durch ein Urteil des BVerfG bereits für gültig erklärt worden ist.[45]

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Hinweis

Bei einer Vielzahl von Verfahren gegen ein Gesetz, von dem maßgebliche Teile der Bevölkerung betroffen sind („Massenverfahren“),[46] wählt das Gericht typischerweise eine Reihe repräsentativer Beschwerden aus. Denkbar ist ein solches Vorgehen insbesondere dann, wenn nicht klar ist, ob ein bestimmtes Handeln strafbar ist. Zu denken ist bspw. an die Diskussion zur Frage aktiver Sterbehilfe, die Debatte zum Schwangerschaftsabbruch oder bestimmte Formen des Cybercrime. Das hat einige wichtige praktische Konsequenzen. Bei den durch die spätere Entscheidung in den ausgewählten Verfahren gegenstandslos gewordenen Verfassungsbeschwerden ist nach der Spruchpraxis vom Grundsatz des Selbstbehalts der Auslagen keine Ausnahme zu machen und gem. § 34a Abs. 3 BVerfGG die Auslagenerstattung nicht anzuordnen.[47] Sollte(n) dennoch mehrere Beschwerdeführer dem Rechtsanwalt ein Mandat für eine Gesetzesverfassungsbeschwerde antragen, so empfiehlt es sich, entsprechend der Praxis des Gerichts schon im Vorfeld einige wenige Musterverfahren auszuwählen, denn das Gericht prüft auch bei gemeinsamer Erhebung der Verfassungsbeschwerde jede einzelne auf ihre Zulässigkeit und Begründetheit. Will der Anwalt vermeiden, unter Umständen in mehreren Verfahren Missbrauchsgebühren nach § 34 Abs. 2 BVerfGG auferlegt zu bekommen, sollte er sich daher diejenigen Beschwerdeführer auswählen, bei denen die verfassungsrechtlichen Fragen und die Grundrechtsproblematik besonders deutlich zu Tage treten; insbesondere sollte die fachgerichtliche Verfahrensführung keine Mängel aufweisen und Sachverhalt sowie einfachrechtliche Rechtslage umfassend geklärt sein. Unbenommen bleibt es freilich, in der Beschwerdeschrift das Gericht darauf aufmerksam zu machen, dass mehrere Personen mit ähnlicher Ausgangssituation hinter dem Anliegen stehen.

Die Verfassungsbeschwerde in Strafsachen

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