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a) Grundsätze

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Bei der Beschlagnahme ist zunächst zu unterscheiden, was sichergestellt werden soll, wobei Sicherstellung der Oberbegriff für sämtliche Arten der Herstellung staatlicher Gewalt über einen Gegenstand ist.[179] Bei der Sicherstellung von Beweismitteln sind die formlose Sicherstellung (§ 94 Abs. 1 StPO) und die Beschlagnahme (§ 94 Abs. 2 StPO; förmliche Sicherstellung) zu unterscheiden. Die formlose Sicherstellung ist möglich bei gewahrsamslosen Gegenständen und solchen, die freiwillig herausgegeben werden. Die Freiwilligkeit der Herausgabe kann jederzeit widerrufen werden,[180] so dass dann eine förmliche Beschlagnahme erforderlich wird. Formlos sichergestellt werden kann jedoch auch durch an den Gewahrsamsinhaber gerichtete Verbote.[181] Die Beschlagnahme als förmliche Sicherstellung ist auch dann zulässig, wenn eigentlich eine (formlose) Sicherstellung möglich wäre.[182] Unterschieden wird zwischen der Beschlagnahme von Beweismitteln gem. §§ 94 ff. StPO, von Führerscheinen gem. § 94 Abs. 3 StPO und zur Sicherung der Einziehung gem. §§ 111b ff. StPO (siehe Rn 303 ff.). Wurde ein Gegenstand formlos sichergestellt wird die Sicherstellung über § 133 StGB geschützt, während bei förmlicher Beschlagnahme darüber hinaus auch der Schutz des § 136 StGB besteht.

Beweismittel, die nach § 94 StPO sichergestellt oder beschlagnahmt wurden, sind Bestandteil der Akten, so dass der Verteidiger auch ein Akteneinsichtsrecht hat.[183] Nach § 147 Abs. 4 StPO werden die Beweismittel jedoch nicht in die Kanzleiräume übersandt.

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Beschlagnahmefähig im Rahmen des § 94 StPO sind alle körperlichen Gegenstände, nicht hingegen Forderungen oder Rechte, da ihnen keine Beweisbedeutung zukommen kann. Da es auf den zivilrechtlichen Begriff der Sache nicht ankommt, können auch Leichen oder deren Teile sichergestellt werden.[184] Unbewegliche Gegenstände sind ebenfalls beschlagnahmefähig.[185] Computerdaten können ebenfalls sichergestellt werden,[186] müssen hierfür jedoch auf einen Massenspeicher übertragen werden. Hierzu ist es in der Regel wichtig, dass die Daten so gesichert werden, dass später noch festgestellt werden kann, wie der Originalbestand der Daten bei der Sicherstellung ausgesehen hat.[187] Zulässig ist es weiterhin, auch Programme sicherzustellen, um ein Auslesen der Daten zu ermöglichen, wenn dies auf anderem Wege nicht möglich ist.[188] Bei der Sicherstellung von Datenträgern kann es die Verhältnismäßigkeit erfordern, dass der Datenträger kopiert wird und nicht (dauerhaft) im Original sichergestellt wird.[189]

Problematisch ist die Beschlagnahme von E-Mails, die auf dem Server des Providers oder dem Rechner des Betroffenen zwischengespeichert sind. Befindet sich die Nachricht (noch) auf dem Server des Providers oder bereits auf dem Rechner des Betroffenen, sind die §§ 94 ff. StPO anwendbar. Für das Übertragen der E-Mail an den Provider und das Abrufen der Nachricht gilt hingegen § 100a StPO.[190] Sämtliche auf dem Server des Providers „lagernde“ E-Mails können somit „normal“ beschlagnahmt werden.[191]

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Eine Sicherstellung ist bereits dann zulässig, wenn lediglich der Anfangsverdacht (§ 152 Abs. 2 StPO) einer Straftat vorliegt. Nicht erforderlich ist hinreichender oder gar dringender Tatverdacht gegen den Beschuldigten.[192] Daraus folgt jedoch auch, dass bloße Vermutungen, die nicht auf konkreten Tatsachen beruhen, die Voraussetzungen der Sicherstellung nicht erfüllen.

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Fehlt eine behebbare Verfahrensvoraussetzung, können grundsätzlich dennoch Gegenstände sichergestellt werden. Nur dann, wenn beispielsweise nicht zu erwarten ist, dass eine Ermächtigung erteilt werden wird, ist die Sicherstellung unzulässig.[193] Steht fest, dass aus dem behebbaren ein unbehebbares Verfahrenshindernis geworden ist, muss die Sicherstellung aufgehoben werden. Nach Rechtskraft des Urteils sind Sicherstellungsmaßnahmen, insbesondere im Vollstreckungsverfahren, nicht mehr zulässig.[194] Dies gilt jedoch dann nicht, wenn ein Wiederaufnahmeverfahren vorbereitet werden soll.[195]

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Bei einer Sicherstellung gem. § 94 StPO spielt es keine Rolle, wer Eigentümer, Besitzer oder Gewahrsamsinhaber ist oder ob der Betroffene an der Straftat beteiligt war.[196] Entscheidend ist nur die Beweisbedeutung des Gegenstands, um die Durchführung des Strafverfahrens zu ermöglichen. Diese liegt dann vor, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Gegenstand für die Beweisfrage oder sonst für die Untersuchung bedeutsam sein kann.[197] Die Frage, ob eine Eignung als Beweismittel vorliegt, muss aus der ex-ante-Sicht beurteilt werden.[198] Dies kann beispielsweise bei der Sicherstellung von Unterlagen zur finanziellen Situation des Beschuldigten der Fall sein, da diese für die Frage der Strafzumessung von Bedeutung sind.[199] Voraussetzung ist jedoch immer, dass bereits ein Ermittlungsverfahren eingeleitet ist. Auch bei besonderen Verfahrensarten wie Sicherungsverfahren (§§ 413 ff. StPO), Einziehungsverfahren (§§ 440 ff. StPO) und Privatklageverfahren ist die Vorschrift wie auch in der Vollstreckung zur Festnahme des Verurteilten anwendbar.[200] Beschlagnahmefähig ist auch die Post von Untersuchungsgefangenen, die von Gericht oder Staatsanwaltschaft überprüft wird.[201] Unzulässig ist eine Sicherstellung nur dann, wenn eine Beweisbedeutung ausgeschlossen werden kann. Aufgrund des Legalitätsprinzips aus § 152 Abs. 2 StPO besteht bei Vorliegen einer Beweisbedeutung auch die Pflicht, sicherstellende Maßnahmen zu treffen.[202] Bei der Sichterstellung muss noch nicht feststehen, für welche Tatsache der Gegenstand beweiserheblich sein wird; die potentielle Beweisbedeutung ist ausreichend.[203]

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Wie bei allen staatlichen Eingriffen muss auch die Beschlagnahme verhältnismäßig sein. Dies bedeutet, dass immer die am wenigsten einschneidende Maßnahme gewählt werden muss, um den erstrebten Zweck zu erreichen.[204] So kann es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebieten, lediglich Kopien zur Akte zu nehmen und dem Betroffenen die Originale zu belassen.[205] Ist das Original als Beweismittel erforderlich, kann es wiederum geboten sein, dem Betroffenen eine Kopie zur Verfügung zu stellen[206] oder ihm zu gestatten, auf eigene Kosten Kopien anzufertigen.[207]

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