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2. Einzelheiten
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Von den in § 53 Abs. 1 Nr. 1–3b StPO genannten Personen sind in der Praxis Verteidiger, Rechtsanwälte, Ärzte, Steuerberater von der größten Bedeutung. Der Schutz des § 97 StPO endet grundsätzlich dann, wenn der Gewahrsam des Zeugnisverweigerungsberechtigten an dem Gegenstand endet (zu Ausnahmen vgl. Rn 225).[246]
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Bei Syndikusanwälten ist zu unterscheiden, ob diese lediglich für das Unternehmen tätig sind, das sie beschäftigt oder ob auch alle üblichen Merkmale eines Rechtsanwalts erfüllen. Dies bedeutet, dass § 97 StPO sie nur dann schützt, wenn sie weisungsfrei arbeiten, fremde Mandaten annehmen und auch Mandate ablehnen können.[247] Hat der Syndikusanwalt hingegen nicht Alleingewahrsam an den Gegenständen, so kommt ein Beschlagnahmeverbot ebenfalls nicht in Betracht.[248]
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Die Handakten des Verteidigers[249] sind grundsätzlich als beschlagnahmefrei anzusehen. Insoweit gelten die allgemeinen Regeln. Dies gilt somit dann nicht, wenn der Verteidiger selbst einer Straftat verdächtig ist[250] oder ein Verdacht der Teilnahme gegen ihn besteht. Für einen Teilnahmeverdacht gegen den Verteidiger müssen laut Rechtsprechung „gewichtige Gründe“ sprechen,[251] ohne dass deutlich würde, was hierunter genau zu verstehen ist. Eine Beschlagnahme, mit der erst der Tatverdacht begründet werden soll, ist jedoch unzulässig. Hat der Beschuldigte dem Verteidiger Gegenstände übergeben, die aus der Tat hervorgegangen sind oder bei Begehung der Straftat gebraucht oder zu ihrer Begehung bestimmt sind, so sind diese nicht beschlagnahmefrei.[252] Etwas anderes gilt nur, soweit die Gegenstände zu Verteidigungszwecken übergeben wurden.[253] Wird der Verteidiger von der Schweigepflicht entbunden, besteht kein Beschlagnahmeverbot. Um eine eventuelle Strafbarkeit aus § 203 StGB zu vermeiden, sollte der Verteidiger seine Unterlagen nie freiwillig herausgeben, sondern eine ausdrückliche Beschlagnahme verlangen, die auch in dem Protokoll hierüber als solche kenntlich gemacht wird.
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Für Abgeordnete besteht ebenfalls ein Schutz aus § 97 StPO. Nicht unter diesen Schutz fallen jedoch bereits nach dem Wortlaut Mitglieder von Kommunalparlamenten. Die einzelnen Beschlagnahmeverbote sind auch im GG sowie regelmäßig in der jeweiligen Landesverfassung niedergelegt. Abgeordnete des Europäischen Parlaments werden durch § 6 S. 2 EuAbgG geschützt. Bei Abgeordneten ist zu beachten, dass ein Beschlagnahmeverbot auch bei Teilnahmeverdacht besteht. Nur dann, wenn der Abgeordnete selbst Beschuldigter ist, greift § 97 StPO nicht ein.[254]
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Gem. § 97 Abs. 4 StPO gelten sie Beschlagnahmeverbote auch für die Berufshelfer (§ 53a StPO) der genannten Personen, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht. Nicht unter die Berufshelfer fallen Personen, bei denen kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Berufstätigkeit und Hilfeleistung besteht, wie z.B. bei einem Hausmeister. Auch selbstständige Gewerbetreibende, die für den Berufsträger tätig werden, fallen nicht unter die Vorschrift. Es ist darauf abzustellen, ob sich der beschlagnahmte Gegenstand im Gewahrsam der Hilfsperson befand. In den Räumen des Bundestags dürfen Schriftstücke beispielsweise auch dann nicht beschlagnahmt werden, wenn sie sich bei einem Mitarbeiter des Abgeordneten befinden.[255]
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Gegenstände im Gewahrsam von Mitarbeitern von Presse und Rundfunk werden über § 97 Abs. 5 StPO vor einer Beschlagnahme geschützt. Aufgrund einer Gesetzesänderung am 23.3.2002 sind nunmehr auch nichtperiodische Druckwerke, Rundfunksendungen, selbst recherchiertes Material sowie Bilder oder Filme geschützt. Das Beschlagnahmeverbot gilt jedoch nur für den redaktionellen Teil des Presseprodukts (§ 53 Abs. 1 S. 2 StPO). Ein Beschlagnahmeverbot besteht gem. §§ 97 Abs. 5, 53 Abs. 2 S. 2 StPO auch dann nicht, wenn es sich um selbst recherchiertes Material handelt und die Beschlagnahme
– | der Aufklärung eines Verbrechens dient oder |
– | Friedensverrat und Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats oder Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit (§§ 80a, 85, 87, 88, 95 i.V.m. 97b, 98–100a StGB), eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174–176, 179 StGB) oder Geldwäsche (§ 261 Abs. 6 StGB) Gegenstand des Verfahrens ist |
und die Aufklärung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsorts des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.
Dient die Durchsuchung/Beschlagnahme ausschließlich dem Zweck, einen Informanten eines Journalisten zu ermitteln, ist sie ebenfalls unzulässig.[256]
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Ausreichend für die Annahme eines Beschlagnahmeverbots ist, dass der Zeugnisverweigerungsberechtigte zumindest Mitgewahrsam an dem betreffenden Gegenstand hat[257], es sei denn, der Beschuldigte ist Mitgewahrsamsinhaber.[258] Sobald der Gewahrsam endet, entfällt auch das Beschlagnahmeverbot. Auf den Gewahrsam ist dann nicht abzustellen, wenn es sich um Verteidigungsunterlagen handelt.[259] Dies wird mit einer Ergänzung des § 97 Abs. 2 StPO durch § 148 StPO begründet. Der freie Verkehr zwischen Verteidiger und Beschuldigtem ist nur dann geschützt, wenn auch Unterlagen, die sich im Gewahrsam des Beschuldigten befinden, vor einer Beschlagnahme geschützt sind.[260] Dies gilt auch dann, wenn sich die betreffenden Unterlagen auf dem Postweg befinden[261] und auch unabhängig von der Frage, ob der Beschuldigte inhaftiert ist oder nicht.[262] Ein Beschlagnahmeverbot wird nicht allein dadurch begründet, dass bestimmte Unterlagen als Verteidigungsunterlagen bezeichnet oder mit solchen vermischt werden.[263] Hierbei bleibt jedoch ungeklärt, wann ein Missbrauch der Verteidigerrechte vorliegt.[264]
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Die Vorschrift des § 97 Abs. 2 S. 2 StPO bestimmt für Angehörige der Heilberufe, dass entsprechende Gegenstände auch dann einem Beschlagnahmeverbot unterliegen, wenn sie sich im Gewahrsam einer Krankenanstalt befinden. Hierbei ist jedoch auch die wichtige Ausnahme zu beachten, dass dies nicht gilt, soweit der zeugnisverweigerungsberechtigte Arzt selbst Beschuldigter ist (vgl. Rn 227).
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Besteht bei Anordnung der Beschlagnahme der Verdacht der Teilnahme an der Straftat, der Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei gegen die zeugnisverweigerungsberechtigte Person, so liegt gem. § 97 Abs. 2 S. 3 StPO kein Beschlagnahmeverbot vor. Ausreichend ist das Vorliegen eines Anfangsverdachts, wobei die Tat lediglich rechtswidrig begangen sein muss, so dass auch eine Tat nach § 258 Abs. 6 StGB hierunter fällt. Während eines laufenden Verteidigungsverhältnisses gilt die Ausnahme jedoch nur dann, wenn „gewichtige Gründe“ für eine Verstrickung des Verteidigers vorliegen, was sich aus § 148 StPO ergibt.[265] Spätestens jedoch nach einem Ausschluss des Verteidigers gem. § 138a StPO oder einer Anordnung des Ruhens der Rechte des Verteidigers gem. § 138c Abs. 3 StPO, gilt die Vorschrift des § 97 Abs. 2 S. 3 StPO.
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Die Patientenkartei eines Arztes ist ebenfalls dann beschlagnahmefähig, wenn der Arzt beispielsweise Beschuldigter einer fahrlässigen Körperverletzung oder Tötung oder eines Abrechnungsbetrugs ist. Das BVerfG hat in einer bereits genannten Entscheidung[266] ausgeführt, eine Beschlagnahme eines kompletten Datenbestands sei dann regelmäßig unzulässig, wenn von der Beschlagnahme auch nichtverdächtige Berufsgeheimnisträger betroffen seien.
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Ein Beschlagnahmeverbot ist gem. § 97 Abs. 2 S. 3 StPO auch dann nicht gegeben, wenn es sich um Gegenstände handelt, die durch eine Straftat hervorgebracht oder zur Begehung einer Straftat gebraucht oder bestimmt sind oder aus einer Straftat herrühren.[267] Dies wäre beispielsweise bei verfälschten Urkunden der Fall. Dies könnte somit auch bei dem Verteidiger beschlagnahmt werden.[268] Eine Ausnahme hiervon gilt lediglich bei Abgeordneten, da ihre Immunität einer Beschlagnahme entgegensteht. Erst wenn gegen sie (zulässig) als Beschuldigte ermittelt wird, ist die Beschlagnahme zulässig.[269]
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Wird der Gegenstand von dem Zeugnisverweigerungsberechtigten freiwillig herausgegeben, bedarf es einer Beschlagnahme nicht. Erforderlich für eine Verwertbarkeit ist jedoch, dass der Zeuge darüber belehrt wird, dass eine zwangsweise Beschlagnahme nicht in Betracht kommt, sondern dies nur mit seiner Einwilligung möglich ist. Wird diese Belehrung nicht erteilt, ist der Gegenstand unverwertbar,[270] es sei denn der Zeuge kannte sein Recht aus § 97 StPO. Die Einwilligung ist jederzeit widerrufbar.[271] Macht der Zeuge von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, kann hieraus noch nicht auf einen Widerruf in die Einwilligung zur Beschlagnahme geschlossen werden.[272]
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Grundsätzlich unterliegen auch Behördenakten der Beschlagnahme. Eine Beschlagnahme ist jedoch gem. § 96 StPO nicht zulässig, wenn die oberste Dienstbehörde eine bindende Sperrerklärung abgegeben hat. Diese Möglichkeit dient dem Schutz des Dienstgeheimnisses.[273] Sie ist jedoch nur dann zulässig, wenn hierdurch eine Gefahr von Nachteilen für das Wohl des Bundes oder eines Bundeslandes abgewendet werden soll. Die Sperrerklärung ist für das Strafgericht bindend;[274] nur bei offensichtlicher Willkür tritt eine Bindungswirkung nicht ein und eine Beschlagnahme kann erfolgen.[275]
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Die Sperrerklärung muss begründet werden. Überzeugt die Begründung nicht, so hat das Gericht auf eine Aufhebung der Sperrerklärung hinzuwirken, wozu es aufgrund seiner Aufklärungspflicht aus § 244 Abs. 2 StPO verpflichtet ist. Ein Aussetzungsanspruch des Angeklagten besteht nicht, dieser kann sich jedoch, je nach Bedeutung der Behördenakte, ebenfalls aus § 244 Abs. 2 StPO ergeben.[276] Der Verteidiger sollte gegebenenfalls einen entsprechenden Antrag stellen. Gegen die Sperrerklärung steht der verwaltungsgerichtliche Rechtsweg offen.[277]
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Ein weiteres Beschlagnahmeverbot ergibt sich aus § 35 Abs. 3 SGB I.[278] Danach trifft den Sozialleistungsträger keine Pflicht, Auskünfte oder Zeugnis zu geben, Schriftstücke, Akten oder Dateien auszuliefern, wenn die Übermittlung der Sozialdaten nicht zulässig ist. Ein solches Sozialgeheimnis ergibt sich aus § 35 Abs. 1 S. 1 SGB I, wonach die Sozialdaten im Sinne des § 67 Abs. 1 SGB X zu schützen sind.
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Hat der Beschuldigte aufgrund von Pflichten, deren Verletzung unter Straf- oder Zwangsdrohung steht, schriftliche Auskünfte erteilt, so ergibt sich ein Beschlagnahmeverbot aus dem Nemo-tenetur-Prinzip. Dies wäre beispielsweise bei einer Auskunft des Gemeinschuldners aus §§ 20, 97, 98 InsO der Fall.[279] Nicht ausreichend für ein Beschlagnahmeverbot ist eine allgemeine vertragliche Auskunftspflicht, wie sie beispielsweise gegenüber einer Versicherung besteht.
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Die Anordnung der Beschlagnahme berechtigt nicht nur zur Vornahme der Beschlagnahme selbst, sondern darüber hinaus auch zur Anwendung unmittelbaren Zwangs zur Durchsetzung der Maßnahme.[280]
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Nach Beendigung der Beschlagnahme, die spätestens mit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens eintritt, sind die Gegenstände grundsätzlich an den letzten Gewahrsamsinhaber herauszugeben. Eine Ausnahme hiervon wird in § 111k StPO gemacht, der vorsieht, dass eine Herausgabe auch an den Eigentümer der Sache erfolgen kann, soweit diesem die Sache durch die Straftat entzogen worden ist. Lange Zeit war umstritten, wo der Ort der Rückgabe der Gegenstände ist, wenn die Beschlagnahme beendet ist. Zwischenzeitlich ist geklärt, dass es sich bei der Rückgabepflicht nicht um eine Bring-, sondern um eine Holschuld handelt. Die Rückgabe hat an dem Ort zu erfolgen, an dem der Gegenstand aufzubewahren war.[281] Die Vorschrift des § 697 BGB ist analog anzuwenden.
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Der Rechtsschutz gegen Beschlagnahmemaßnahmen richtet sich danach, was begehrt wird. Das Rechtsschutzsystem ist ähnlich wie das gegen Durchsuchungen ausgestaltet. Richtet sich das Begehren auf Herausgabe des Gegenstands, ist bei richterlichen Anordnungen eine Beschwerde gem. § 304 StPO gegen die Beschlagnahme zu erheben. Die Art und Weise der Beschlagnahme wird ein Feststellungsantrag gem. § 98 Abs. 2 S. 2 StPO analog zu stellen sein. Wird Rechtsschutz gegen nichtrichterliche Anordnungen begehrt, so ist ebenfalls ein Antrag gem. § 98 Abs. 2 S. 2 StPO zu stellen. Wurde die Beschlagnahme gem. § 98 Abs. 2 StPO richterlich bestätigt oder ein Antrag gem. § 98 Abs. 2 S. 2 StPO abgelehnt, so ist gegen diese Entscheidung wiederum die Beschwerde gem. § 304 StPO statthaft. Nachträglicher Rechtsschutz ist grundsätzlich ebenfalls möglich.[282]