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Mit Ludwig Ficker bei Baum 6

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Am 28. Februar gegen Abend stieg Hans Faber in den Nachtzug nach München. Wie es sich für einen gut situierten Rechtsanwalt und NS-Parteigenossen gehörte, reiste er erster Klasse. Gut sichtbar hatte er sein Parteiabzeichen am Jackett angebracht. Das Essen im Zug schmeckte ihm nicht. Zu viele Gedanken wirbelten durch seinen Kopf. Dann setzte sich auch noch ein Fahrgast zu ihm, der sich als Vertreter der IG- Farben zu erkennen gab. Der Herr meinte: “Wir hatten Wichtiges in Berlin zu besprechen aber das Entscheidende ist jetzt, dass es der Kommune an den Kragen geht“. Hans Faber nickte das ab und beschloss, noch einen Cognac zu trinken. Es fiel ihm schwer, in seinem Schlafabteil die nötige Ruhe zu finden. Er dachte an die vielen Genossen, die in den Folterkellern der SA Unsägliches zu erdulden hatten. Hermann Göring setzte die SA als Hilfspolizei ein und ließ sie foltern und morden. Diese mörderischen Sadisten konnten wohlvorbereitet ihre Triebe ausleben. Im Reich blieb es ruhig, es gab keinen nennenswerten organisierten Widerstand der Arbeiter.

Gegen 8:00 Uhr morgens kam Hans Faber in München an und fuhr schnell in seine Wohnung in der Schraudolphstaße, um sich für die Kanzlei zurechtzumachen. Auf dem Wohnzimmertisch fand er einen Brief von Lore. Sie freue sich, ihn heute Abend wieder in ihre Arme schließen zu können. In der Barerstrasse traf er einen Zahnarzt, der Mitglied der Nazipartei war. Es war generell so, dass unter den Ärzten speziell unter den Zahnärzten, die NSDAP einen immens hohen Mitgliederanteil hatte. Der Zahnarzt jubilierte auf offener Straße über den Schlag, den der Führer und Göring jetzt der Kommune verpassen werden. Hans Faber musste dem leider zustimmen, obwohl es ihm schwerfiel, seine Verachtung für den Zahnklempner zu verbergen.

Die meisten Ärzte und Zahnärzte war nicht nur Antikommunisten, sondern auch besonders wütende Antisemiten. Ihre Studienzeit verbrachten diese Herren meist in schlagenden Verbindungen, soffen und schlugen Schmisse. Kein Wunder, dass jeder sich Patient um die fachliche Kompetenz des Arztes kümmerte und nicht um dessen Religion. Folglich gingen die Praxen jüdischer Zahnärzten oft besser als die ihrer “arischen“ Kollegen. Diese „arischen“ Ärzte wurden Nazis nur aus Verachtung gegenüber dem Proletariat, sondern auch, weil sie sich von der Naziführung erhofften, endlich von der jüdischen Konkurrenz befreit zu werden. Faber wurde den Nazi-Zahnarzt recht schnell wieder los.

In seiner Kanzlei angekommen, begrüßte er seine neue etwas ältere Sekretärin, Berta. Diese steckte ihm, dass „im Vorzimmer ein elegantes Frauenzimmer auf ihn wartete. „Schicken Sie die Dame herein, auch wenn mir der Allerweltsname `Müller´ nichts sagt.“ Die Dame trat ein und erklärte Faber, sie käme in der Steuerangelegenheit Viktor mit C. Er solle sich doch heute gegen 16:00 Uhr mit ihrem Mann treffen.

Hans Faber verstand sofort, mit wem er sich um 16:00 Uhr bei Baum 6 im Englischen Garten zu treffen hatte. Mittags studierte Faber im Schellingsalon die neuesten Presseprodukte des Regimes, Haupttenor: „Zerschmettert den Kommunismus, vernichtet die Sozialdemokratie“.

Plötzlich trat an der Nazi-Verleger Max Amann seinen Tisch. Er begrüßte Faber sehr herzlich und wollte von diesem wissen, wie er die Entwicklung einschätze. Faber wies darauf hin, dass jetzt die Zeit gekommen wäre, mit dem Kommunismus endgültig Schluss zu machen. Wörtlich erklärte er: “Die Kommunisten haben uns ja schon fast ein Geschenk gemacht mit ihrer dämlichen Aktion den Reichstag anzuzünden.“ Amann meinte, dass er zwar recht hätte, aber mit solchen Bemerkungen etwas vorsichtig sein solle, „denn am Schluss kommt noch irgendjemand drauf zu meinen, wir hätten den Reichstag selbst in Brand gesetzt, um einem Vorwand gegen die KPD zu haben“. Hans Faber nickte und blinzelte den ehemaligen Feldwebel und Vorgesetzten Hitlers aus dem Ersten Weltkrieg schalkhaft an. Max Amann meinte,“ Vorsicht Herr Rechtsanwalt nur ja keine juristischen Spitzfindigkeiten, die falsch interpretiert werden könnten“. Beide lachten und verabschiedeten sich scheinbar herzlich.

Gegen 16:00 Uhr war Faber mit Poldi im Englischen Garten und wartete auf Ludwig Ficker. “Faber jetzt geht’s los” meinte Ficker noch halb im Laufschritt. Dann erörterten die beiden Freunde die Lage. Immer wieder wies Faber darauf hin, wie wichtig es sei, die Kader abzusichern. Es gelte die Reichstagswahlen, die jetzt Terrorwahlen seien, abzuwarten und dann unter Umständen loszuschlagen. Er verwies auf die Siegeszuversicht der Nazis in Kombination mit den Repressalien. Ficker versuchte sich seinen Optimismus zu bewahren. Faber deutete an, dass die Nazis in irgendeiner Form nach den Reichstagswahlen die Länder gleichschalten würden. An Widerstand durch die „Bayernwacht“ der BVP dachte er nicht. Nach Faber träumt nur Erhard Auer im Altheimer Eck bei Bier und Brezen von einer solchen Möglichkeit. Dem stimmte Ficker zu und meinte, “ ja so sind sie, die Sozialfaschisten”.

Faber wies ihn zurecht. “Auer mag sein, wer er will, aber der wirkliche Faschismus hockt in der NSDAP. “ Diese Bemerkung passte Ficker nicht, aber er sparte sich eine Erwiderung. Man vereinbarte, sich wöchentlich zu treffen. Morgen solle Faber an einem Treffen mit Hans Frank in der Max Emanuel Brauerei in der Adalbertstraße teilnehmen. Der rhetorisch begabte Nazianwalt wollte dort über seinen „NS-Juristenbund“ und die neuen Aufgaben sprechen.

Durchgefroren kam Hans Faber nach Hause. Lore wartete bereits. Sofort viel ihr auf, wie blass und nervös Hans war. Aber ihr „Schauspieler“ versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Als Hans Faber nach einiger Zeit fragte: „Na, wie war heute die Stimmung bei den braunen Banditen?“, rang Lore nach Fassung. „Die freuen sich diebisch über den Reichstagsbrand. Sie ergötzen sich an ihren eigenen Grausamkeiten. Nur Schneidhuber und Wilhelm Schmidt waren etwas unzufrieden, weil es in Bayern noch nicht losginge. Faber nickte und steckte sich eine Zigarette nach der anderen an. „Du glaubst gar nicht, wie mich das Pack anekelt, ich mach das nur für dich, Hans. Können wir nicht nach Spanien oder meinetwegen nach Russland auswandern“, fragte Lore verzweifelt. „Nein, das können wir leider nicht“ Lore. „Hier in Deutschland schlägt die Schicksalsstunde des Proletariats.“ Sofort bedauerte Hans Faber seine pathetische Ausdrucksweise. Kurz darauf fragte Lore, was denn mit ihrem Schicksal sei. Faber musste grinsen. „Ich“ war seine Antwort.

Verrat in München und Burghausen

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