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Wahlen am 5. März - Putsch am 9. März

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Am 5. März 1933 fand die Wahl zum Reichstag unter Ausnahmebedingungen statt. Auch in Bayern konnte die KPD keinen normalen Wahlkampf führen. Die Straßen wurden beherrscht von Nazibanden und ihren Parolen. Hans Faber ging am 5. März in sein Wahllokal in der Türkenstraße. Vor dem Wahllokal bauten sich SA-Leute auf, es war nicht einmal ein Wahlagitator der Bayerischen Volkspartei, BVP, zu sehen. Natürlich wählte Hans Faber seine Partei, die KPD.

Am Abend gab es eine Siegesfeier im Braunen Haus in der Briennerstraße. Alle örtlichen Nazibonzen waren zugegen. Faber wurde freundlich begrüßt, überall gab es kostenlos Speis und Trank. Das Wahlergebnis brachte den Nazis trotz ihres Terrors und Propagandarummels keine absolute Mehrheit. Die Partei hatte unter den gegebenen Umständen ihr bestes Wahlergebnis von etwas über 43 %. Die KPD hatte immer noch mehr als 4 Millionen Stimmen erzielt. Auf dem flachen Land in Bayern gab es Regionen, in denen die katholische bayerische Volkspartei dominierte. Auch das Stimmenergebnis der Sozialdemokratie konnte sich den Verhältnissen entsprechend sehen lassen.

Im Braunen Haus hielt der Gauleiter von Oberbayern, Adolf Wagner, seine Rede und meinte, dass es auch in Bayern mit der Kommune bald endgültig zu Ende ginge, sowie mit den Pfaffen und ihrer Partei. Innerlich gab Hans Faber dem Gauleiter recht. Die Kommunisten wurden im Reich gejagt und die Sozialdemokraten bereiteten alles andere vor, als sich gegen ihre Liquidierung zur Wehr zu setzen. Sie hofften von der braunen Bande in irgendeiner Form geduldet zu werden. Faber ging bald wieder nachhause. Er hatte noch mitbekommen, wie Hans Frank etwas über die kommende Gleichschaltung der Länder erzählte. Für Hans Faber war das klar, es bezog sich auf den kommenden Sturz der bayerischen Regierung und deren Festsetzung. Der Chef der bayerischen politischen Polizei, ein gewisser Müller, war ebenfalls bei den Feierlichkeiten zugegen und grinste zu den Worten von Frank und Wagner.

Zuhause angekommen war, Faber nur noch imstande Kaffee zu trinken. Lores Essen ließ er stehen. Innerlich hoffte er aber nach diesem Wahlergebnis und den Reden, die er gehörte hatte dennoch, dass es zumindest in Bayern Komplikationen geben würde.

Aufgrund seiner politischen Logik verwarf er diesen Gedanken jedoch gleich wieder. Die Bayernwacht wird nicht kämpfen, die Sozialdemokraten werden nicht kämpfen und die Kommunisten hatten den Zeitpunkt für effektive Widerstandsaktionen offensichtlich verpasst. Faber sah eine lange dunkle Nacht auf Deutschland und Bayern zukommen.

Einige Tage später keimte in Faber nochmals Hoffnung auf. Am 9. März eilte er in die Pestalozzistraße. Vor dem Gewerkschaftshaus tummelten sich SA-Männer, um das Gewerkschaftshaus des ADGB, dass schon seit 8. März belagert wurde, zu stürmen. Hunderte von Arbeitern hatten in ihrem Gebäude übernachtet. Faber beobachtete, wie das reaktionäre Münchner Bürgertum die SA jetzt anstachelte, doch endlich das Haus der roten „Banditen“ zu stürmen. Das Ganze zog sich über Stunden hin. Im Gewerkschaftshaus waren kampfbereite und kampferprobte Arbeiter versammelt, um den Angriff der SA abzuwehren. Hans Faber wusste, dass es im Haus Waffen und vor allem sehr effektive Feuerwehrschläuche gab, was die „heldenhaften“ SA-Kämpfer offensichtlich davon abhielt, mit dem Angriff zu beginnen. Faber hoffte und sah in der ganzen Situation noch die Möglichkeit eines effektiven Widerstandes der Arbeiter. In Gedanken spekulierte er darauf, dass die roten Münchner Arbeiterviertel von hinten her in die Ansammlung der Nazis hineinstürmten und die Gewerkschaftskollegen gleichzeitig nicht in die Defensive, sondern ebenfalls zum Angriff übergingen.

Am späten Nachmittag zerschlug sich diese Hoffnung. Offensichtlich gab es Verhandlungen der Gewerkschaftsleitung mit den Nazis. Dann wurden die Tore geöffnet und die meist sozialdemokratischen Arbeiter marschierten unter Gespött und wüsten Beschimpfungen durch einen menschlichen Korridor, den die Nazis geöffnet hatten. Hans Faber sah verzweifelte Gesichter, viele Arbeitern hatten Tränen in den Augen. Gegen freies Geleit wurde das Gewerkschaftshaus den Nazis kampflos ausgeliefert.

Auch am Münchner Rathaus flatterte ab 18 Uhr die Nazifahne. Hans Faber erfuhr von der Gleichschaltung der Länder. Dies betraf auch Bayern. Die bayerische Regierung wurde abgesetzt und unter dem Reichsstatthalter Ritter von Epp wurde ein neues Kabinett gebildet. Heinrich Himmler wurde zum Münchner Polizeipräsidenten ernannt. Zusammen mit ihm war nun der raffinierte und grausame Heydrich in der Münchner Polizeizentrale tätig. Für die Nazis ging alles glatt, die Volkssparteiler kämpften nicht. Der konservative Ministerpräsident Held trat zwar nicht zurück, aber Anrufe in Berlin und bei der Reichswehr verliefen für Held allesamt negativ. All das Gerede von der Rückkehr des Kronprinzen hatte sich als Luftnummer herausgestellt. Wieder einmal wurde die Sozialdemokratie ihrer Rolle als Wegbereiter des Faschismus gerecht. Wie kann man nur kampfbereite Arbeiter vom Kampf abhalten, dachte Faber. Die Sozialdemokraten hofften auf irgendeine Art von Legalität. Die Kommunisten waren zwar gelähmt, aber nicht geschlagen. Ab heute Abend wird der Terror auch in Bayern richtig losgehen, dachte Faber.

Bevor er nach Hause ging, machte er noch Station im Café Luitpold, einem Treff der rechtskonservativen und nationalistischen Schickeria in München. Faber hoffte nicht darauf, dort irgendwelche Nazigrößen anzutreffen, denn die waren sicherlich beschäftigt, sondern er wollte die Stimmung in diesem Prominenten-Kaffee mitbekommen. Die Honoratioren dort nahmen die Entwicklung teils gelassen, teils freudig zur Kenntnis. In einer Ecke saß der ehemalige General aus dem ersten Weltkrieg, Erich von Ludendorff. Er war mit der politischen Entwicklung offensichtlich zufrieden und bedauerte nur, dass er selbst dabei keine Rolle mehr spielte. Seine esoterisch versponnene Gemahlin, Mathilde von Ludendorff, meinte: “Letztendlich wird sich das Germanentum doch in seiner reinen Form durchsetzen“. Ein Münchner Unternehmer, der sich als Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei vorstellte, lobte: „Wie gut es doch ist, dass nicht irgendein Primitivling Reichsstatthalter wurde, sondern seine Exzellenz Ritter von Epp.“

Nach einer Weile hatte Faber genug von dem Geschwätz und verabschiedete sich. Zuhause erwartete ihn Lore, sie war aufgewühlt und berichtete von ihrem Tag in der SA-Zentrale. Demnach waren Röhm und sein Stab schon seit dem Morgen sehr aktiv. Nach Lores Bericht verfasste Faber seine Aufzeichnungen für den Abwehrapparat der KPD und für die Gruppe „Neu Beginnen“.

Verrat in München und Burghausen

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