Читать книгу Peter Lebegerns große Reise - Max Geißler - Страница 11

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Eines Tages stürmte Pius Heidvogel die gleiche Strasse entlang, auf deren Bürgersteig sich Peter Lebegern in gütiger Oktobersonne Wohlsein liess. ‚Pius Heidvogel,‘ dachte der einstige Schulmeister von Bogenbach, ‚Pius Heidvogel trägt seinen Namen gewissermassen doch auch in der Tat!‘ Das ‚gewissermassen‘ dachte er mit besinnlichem Nachdruck; denn Pius Heidvogel fuhr dahin als hätte er heulenden Westwind unter den Flügeln. Dabei sträubten sich ihm die Haarbüschel auf dem Kopfe wie Federn — was man beobachten konnte, weil er den Schlapphut mit dem angewölkten Band in der Hand schwenkte und unablässig Reden damit hielt. Dieser Heidvogel hatte eine zerdachte Stirn. Er hatte Fenster im Kopfe, aus denen wilder Geist und zermürbte Nervenkraft schauten … könnte man sagen. Aber ‚schauen‘ ist ruhevoll. Und aus den Augen Heidvogels irrlichterte es hervor. Oder es wetterleuchtete.

Pius Heidvogel — oha, solch ein Mensch hiess Pius! — Pius Heidvogel stiess auf den Sonnenpilger Lebegern hernieder wie ein Falke.

„Lebegern, wissen Sie, dass Ihre Aufsätze gefallen haben? Sie, Mensch, es gibt eine einzige Wahrheit in der Welt, die unverbrüchlich ist: ‚Die Not ist die Mutter der Künste!‘ Jawohl, Peter Lebegern.“

Peter fing an, darüber nachzudenken. Aber es fiel ihm nicht ein, dass dies Wort mit Bezug auf ihn gesprochen sei. Die Sonnenseite der Strasse lang redete Heidvogel heftig auf ihn ein; dann merkte Lebegern, dass er ihn für einen hungernden Bummler halte, der an seiner jammervollen Lage tiefsinnig zu werden beginne ….

Nun ja, sein Vermögen zählte nach Groschen. Aber seine Genügsamkeit nach Millionen. Also war er zum mindesten nicht arm. In seiner Giebelstille hauste er und liess sich von Glück und Sonne liebkosen. Dabei spreitete seine Seele so wohlig die falterbunten klaren Schwingen. Kein Staub des Alltags lag darauf.

Da kam Pius Heidvogel, der seine Tage zerhackte wie ein Hartholzspäller! Dieser Pius Heidvogel schwätzte sein Missvergnügen über ihn dahin. Nicht das Missvergnügen an seinem zermürbten Dasein — nein, nein, Peter Lebegern, verstehe: das Missvergnügen an dir und deiner sonnenlichten Art!

„Sie Fremdling!“ krächzte Heidvogel, „Sie reiner Tor! Sie Müssiggänger! Wenn wir Menschen wären wie Sie — erkennen Sie denn nicht, dass dann die Achsen der Welt einrosteten? Was treiben Sie? Sie träumen! Sie lassen uns schuften und spielen König. Sie lassen uns die Welt vorwärtswuchten und sehen listig lächelnd zu. Wir aber — wenn wir fertig sind mit der Arbeit des Tages, dann schnurren die Räder der Maschine weiter, die wir geworden sind, und schnurren uns um den Schlaf …“

Heidvogel aus den ‚Neuesten Nachrichten‘ redete Zeitungsspalten. Immerzu. Und Peter Lebegern war ein Jungmann — im sechsundzwanzigsten Jahre. Er war voll allen Glaubens. Aber es fehlte ihm das wuchtige Selbstgefühl der jungen Leute, das seinen Sitz im wachsenden Schnurrbart zu haben scheint; denn in den Leistungen wurzelt es nicht — Leistungen fehlen um jene Zeit in der Regel.

Einem Manne wie Heidvogel, einem ‚Vorwärtswuchter der Welt‘, hatte Peter Lebegern deshalb wenig zu sagen. Es ist schlechthin zuzugestehen: er fühlte sich betroffen. Seine anfängliche Erheiterung wich einem erschreckten Schweigen. Er beschloss, darüber nachzudenken, ob es für ihn nicht am geschicktesten wäre, den fadenscheinigen Flaus von Bogenbach wieder vom Nagel zu nehmen.

So redete Pius Heidvogel den Lebegern ganz klein und hässlich. Und nach der vierten Spalte redete er sich von hinnen.

Peter Lebegerns große Reise

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