Читать книгу Peter Lebegerns große Reise - Max Geißler - Страница 3

Оглавление

Von Haus aus war Peter Lebegern wohl ein Armer — was man so arm nennt, das nicht reich ist; denn sein Vater war ein ehrsamer Dorfschuhmacher. Wenn der seine Sohlen aufnagelte, ängstigte den bescheidenen Mann in Liebe zu seinem Kinde der Traum: dieser Junge möge dereinst Schulmeister werden, womöglich gar Kantor. Aber — wie gesagt — jener Gedanke hatte etwas Beängstigendes; denn Wilhelm Lebegern, der Schuster, hielt ihn für vermessen.

Zu dem Dorfschulmeister kam es mit Peter trotzalledem. Seiner Art nach gab es keinen, der zum Lehramt in damaliger Zeit berufener gewesen wäre mit seiner Entbehrungsfähigkeit, der Kraft seiner Selbstentäusserung, Geduld und Güte.

Aber auf einmal … auf einmal kam die Sehnsucht über ihn!

Nun, Peter Lebegern, der in Bogenbach am Rotwasser die Kinder die schweren Künste des Schreibens und Lesens lehrte — dieser Peter Lebegern war kein tatenloser Träumer. Er wartete nicht auf ein Wunderbares. Er dachte nicht, dass ihn ein Unbekannter zum Millionenerben einsetzen würde. Er hatte keinen Vetter in Amerika. Nein, nein, Peter Lebegern war ein so vernünftiger Mensch, dass er sich von den sechzig Mark Monatsgehalt eines Hilfslehrers nicht einmal ein Lotterielos kaufte. Aber das wusste er von Stund an: die Wüsten Arabiens oder die Weidegärten zwischen Euphrat und Tigris hatten etwas endlos Verlockenderes für ihn als die Enge der Wände, in die er dank des Traumes seiner Väter versetzt worden war. — Es war nämlich herausgekommen, dass dieser Traum schon durch Geschlechter in den Lebegerns gespukt hatte. Aber erst Wilhelm Lebegern, der Schuster, hatte den Weg und den Mut zur Verwirklichung gefunden.

Natürlich war Peter Lebegern weise genug, sich zu sagen, dass es im Grunde keinen edleren Veruf gäbe als Menschen zu machen zu Abbildern Gottes aus den nassnasigen jungen Geschöpfen, die man ihm auf die Schulbank setzte. Jedennoch — er war auch weise genug, zu erkennen, dass er dies Geschäft besser solchen überliesse, die sich dabei ein bescheideneres Mass und Ziel steckten oder andere Verheissungen hatten als er.

Und Peter Lebegern lauschte der Stimme, die in ihm sprach. Es sei nicht das richtige Glück, in dem er lebe, lockte diese Stimme. Wie? War das wohl gar ein Ton, jenem ähnlich, der durch die wunderschöne Dichtung von der Schlange im Paradiese klingt? — Nun, Peter Lebegern hörte dennoch hin — mit lächelndem Verständnis.

Eines Tages stand es für ihn fest: er wollte seinem Glück und der Menschheit auf einem anderen selbstgewählten Posten dienen! Soviel Geld wie als Schulmeister musste sich zum Lebensunterhalt allenthalben verdienen lassen bei einer freien, seinen Neigungen mehr entsprechenden Tätigkeit.

Dieser junge Dorfschulmeister hatte nämlich alle Sinne weit offen und sah durch seine Brillengläser ein ungeheuer weites und tiefes Stück Welt in sich hinein. — Es ist nicht von ungefähr, dass jene Brillengläser genannt werden. Sie hatten mit ihrer schwungvollen schwarzen Hornfassung in dem schmalen Dorfschulmeistergesicht etwas Herrschendes. Sie griffen hinab bis auf die Jochbeine der Wangen und griffen empor bis zu der klar modellierten Stirn. — Um jene Zeit trug Peter Lebegern das blonde Haar strack nach hinten gekämmt. Auch aus dieser Tatsache lässt sich erkennen, dass er mit dem Hirtenkönig im Land Uz wenig Ähnlichkeit besass — ausser der Verheissung, die in ihm glühte.

Jedennoch — seine Träume waren anderer Art. Was nicht heissen soll: sie waren zeitgemässer. Oder: sie waren weniger verwegen; die des Abram waren das so sehr, dass er sich bekanntlich hinter den lieben Gott verstecken musste, um bei seinen Leuten den Eindruck zu vermeiden, die Wüstensonne habe ihm das Hirn verbrannt. Aber Könige waren sie alle beide — Punktum. Nur konnte der schmale Schulmeister von Bogenbach am Rotwasser sein Königtum nicht so sichtbar zur Schau tragen wie etwa der bronzebraune Kamelreiter aus dem Lande Uz in Chaldäa, dessen Herden die Weiden deckten zwischen den Rändern des Himmels.

Peter Lebegerns große Reise

Подняться наверх