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Abschiedsfest für Monika

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Wasim und die anderen nahmen Monika genauso herzlich auf wie mich am ersten Tag. Leider verließ sie Damaskus schon tags drauf, weshalb Tarek vorschlug, eine kleine Abschiedsfeier für sie zu veranstalten – am besten, meinte er, in dem kleinen Haus von Mikes Eltern, außerhalb der Stadt. Ich war selbstverständlich für die Musik verantwortlich, den Rest übernahmen sie.

Wenig später ging es los. Vom Stadtzentrum bis zu Mikes Haus fuhr man etwas über eine Stunde. Wir nahmen die sogenannten Minibusse, welche es überall in der Stadt gab. Nur auf den wichtigsten Strecken verkehrten einige große Busse, die so alt waren und stanken, dass die vier Cent pro Fahrkarte immer noch zu teuer erschienen; alle anderen Strecken fuhren eben jene Minibusse, welche eher an Sammeltaxis erinnern, aber stets ihre gleiche feste Route hatten; für sie bezahlte man pro Fahrt knapp acht Cent. Es gab von ihnen sechs verschiedene Hauptlinien: eine rote, ein grüne, eine schwarze, eine blaue, eine weiße und eine gelbe Linie. Start- und Zielort waren jeweils am Dach angeschrieben, leider immer nur auf Arabisch.

Die ersten Male waren diese Fahrten für mich sehr abenteuerlich. Wenn man zu acht im Bus saß, war jeder Sitzplatz belegt und man konnte, solange man kein Gepäck hatte und weniger lange Beine hat als ich, halbwegs bequem sitzen. Im Schnitt waren es jedoch meistens zwölf. Einmal zählte ich bei einer Fahrt sage und schreibe sechzehn Personen, die sich in den kleinen Mitsubishi-Bus zwängten, inklusive meines riesigen schweren Rucksacks.

Beim Bezahlen wurde das Geld von einem zum anderen nach vorne gereicht, was blendend funktionierte. Saß man zum Beispiel zu zweit ganz hinten im Bus, so gab man dem Vordermann das Geld und sagte einfach »zwei«. Er gab es wieder seinem Vordermann und so weiter, bis es beim Fahrer angelangt war. Das Wechselgeld kam auf dem gleichen Weg wieder zurück. Soweit Platz vorhanden war, wurde vermieden, sich als Mann neben eine Frau zu setzen und umgekehrt; nur wenn nichts anderes frei war, wurden Ausnahmen gemacht.

Die Sonne war schon untergegangen, als wir bei Mikes Haus ankamen. Vor uns lag das Lichtermeer der Stadt. Die Gebetstürme der vielen Moscheen leuchteten in einem grellen Grün, der Farbe des Propheten. Am Himmel glitzerten die Sterne.

»Verdammt!«, murmelte Mike, als wir vor dem Eingang des Hauses standen. »Ich glaub, ich habe die Schlüssel vergessen.«

Er hämmerte mit der Faust an die Tür.

»Willst du sie einschlagen?«, fragte Tarek ironisch.

»Erraten!«, sagte Mike, der das Schloss gerade auf Schwachstellen überprüfte.

Ein warmer Wind wehte den Berghang hinauf.

»Wir könnten uns doch einfach hier auf die Terrasse setzen«, schlug ich vor, aber Mike schüttelte den Kopf.

»Nein … das haben wir gleich.«

»Außerdem ist die Wasserpfeife drinnen!«, bemerkte Tarek besorgt.

»Hat irgendjemand von euch zufällig ein Licht oder ein Feuerzeug dabei?«, fragte Mike.

»Ich hab eine Taschenlampe«, antwortete ich und war froh, dass ich sie mal wieder brauchen konnte. So viele Dinge trug ich Tag für Tag ungenutzt mit mir rum, vor allem das Kochgeschirr, den Biwaksack und das Wasseraufbereitungsgerät. Angesichts der Temperaturen war mittlerweile auch die ganze warme Kleidung – Handschuhe, Mütze und Thermounterwäsche – recht unnütz geworden.

»Perfekt!«, meinte er und leuchtete auf die Eingangstür. Was wir erkennen konnten, sah nicht besonders erfreulich aus: Die schwere Eisentüre machte einen sehr stabilen Eindruck und hatte den Vorteil, dass sie aus zwei Flügeln bestand, welche man eventuell aushebeln konnte, falls sie nicht in der Mitte miteinander verankert waren.

Mike begann, die Tür zu bearbeiten. Erst mit einem Stein, dann mit dem Fuß. Es machte einen Höllenlärm.

»Was denkst du?«, fragte mich Monika.

Die Türe bewegte sich kein bisschen.

»Sieht nicht gut aus, finde ich … vielleicht sollten wir uns mal die Fenster ansehen.«

Also schlichen wir beide um das Haus, während vorne gerade Tarek an der Reihe war, gegen die Tür zu treten. Alle Fenster waren verriegelt, bis auf eines. Vor dem hing jedoch ein solides Metallgitter.

Es war inzwischen stockdunkel geworden.

»Hast du ein Feuerzeug für mich?«, fragte ich Monika. »Ich will mir das genauer ansehen.«

»Klar … hier!«

»Es ist nur angeschraubt!«

»Hast du einen Schraubenzieher dabei?«, fragte Monika

»Ja … an meinem Taschenmesser.«

Die unteren Schrauben hatte ich schnell gelöst, aber um an die oberen ranzukommen, musste ich am Gitter hochklettern.

Monika hatte mittlerweile den anderen Bescheid gesagt. Wasim leuchtete mir, und wenig später war das Fenster frei.

»Wer will zuerst?«, fragte Wasim. Mike meldete sich.

»Ich weiß, wo der Lichtschalter ist, ich geh voraus.«

Er setzte die Stirnlampe auf und kletterte durch das Fenster.

Wir warteten ein paar Minuten, doch nichts geschah. Ich konnte meine Neugier nicht länger bändigen.

»Ich schau mal nach, wo Mike so lange bleibt.«

»Aber du siehst doch nichts!«, sagte Monika. Ich stand jedoch bereits auf dem Fenstersims.

»Ich hab doch noch dein Feuerzeug«, antwortete ich, ohne mich noch mal umzudrehen.

Langsam ließ ich mich in die Dunkelheit hinabgleiten, bis ich wieder festen Boden unter den Füßen spürte. Es roch nach Küche. Vorsichtig tastete ich mich in die Richtung vorwärts, aus welcher ich meinte, Mikes Schritte hören zu können.

»Mike?!« Ich bekam keine Antwort.

Die Wand fühlte sich kühl an. Jetzt war ich offenbar an einem Türstock angelangt – der Küchendunst wich einem staubigen Geruch von frisch gebrochenem Putz. Der Raum musste größer sein als der vorherige, denn mein Schlurfen hallte etwas.

»Mike?!« Ich hörte eine Kiste oder Schachtel am Boden entlangschleifen. Das musste Mike sein.

»Max?!«

»Ja, ich bin’s. Wo bleibst du denn so lang?«

Seine Stimme kam aus einem anderen Raum.

»Deine Taschenlampe hat ihren Geist aufgegeben. Und das Licht im Haus funktioniert auch gerade nicht … dafür hab ich eine Baubeleuchtung gefunden, aber ich weiß nicht, wo eine Steckdose ist.«

»Ich hab noch ein Feuerzeug dabei«, sagte ich. »Aber es ist nicht besonders viel Gas drin.«

»Macht nichts«, meinte Mike. »Besser als gar nichts.

Ich tastete mich vorwärts. Als ich wieder an eine Tür kam, machte ich das Feuerzeug an. Der Schein war mickrig, und ich konnte, geblendet von dem kleinen Licht, noch nichts erkennen, als plötzlich Mike vor mir auftauchte.

»Versuchen wir es hiermit!«

Er hatte ein Stück Zeitungspapier zu einer Fackel zusammengedreht und entzündete sie am Feuerzeug.

Für einen kurzen Moment wurde der Raum im warmen Schein des Feuers erleuchtet, aber noch bevor Mike irgendetwas finden konnte, war die Fackel abgebrannt. Erst zwei Zeitungspapierfackeln später entdeckte er eine Steckdose, und wir hatten endlich Licht. Die Eingangstür war schrecklich demoliert; obwohl man eigentlich nur den Riegel hätte zurückschieben müssen, um sie zu öffnen, hatten wir jetzt große Schwierigkeiten, so verbogen war er. Die Türangeln waren halb aus der Wand gebrochen, der Putz am Türrahmen bröckelte.

Kurze Zeit später hatten wir es uns bequem eingerichtet. In dem großen Raum gleich hinter dem Eingang lagen Matratzen, Kissen und Decken. Tarek bereitete die Wasserpfeife, und Wasim richtete das mitgebrachte Essen auf einem Tablett in der Mitte her. Es gab gegrilltes Hühnchen, sie nannten es »Faruch«, Hummus, Falafel und natürlich Fladenbrot. Wir aßen mit den Händen.

Wasim hatte einen kleinen Gasherd und eine Teekanne mitgenommen, das Wasser brodelte schon.

»Ohne Tee wird es keine gute Feier!«, hatte er davor gesagt. Etwas anderes gab es auch nicht. Alkohol trank keiner.

Dann wurde es Zeit, meine Gitarre auszupacken. Die drei waren ein umwerfendes Publikum, sie klatschten, sangen und tanzten ausgelassen zu meiner Musik. Monika musste selbstverständlich auch mitmachen, sie ließen ihr gar keine Wahl.

Unplugged

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