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2. Kleanthes aus Assos

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Nach dem Tod Zenons übernahm Kleanthes die Leitung der Schule. Er stammte aus der Stadt Assos, einer alten griechischen Siedlung an der Westküste Kleinasiens, der Insel Lesbos gegenüber gelegen. Sein Geburtsjahr und seine Lebensdauer sind unsicher. Viele nehmen die Angaben bei Pseudo-Lukian, Makrobioi 1937 und im Index Stoicorum Herculanensis38 ernst, schreiben ihm eine Lebenszeit von 99 Jahren zu, lassen ihn unter dem Archon Aristophanes 331/30 vor Chr. geboren sein und datieren seinen Tod unter dem Archon Iason um 232 vor Chr.39 Dies führt allerdings zu Unstimmigkeiten im Vergleich zu den Lebensdaten seines Lehrers Zenon. Dem Bericht bei Diogenes Laertius ist zu entnehmen, Kleanthes habe 19 Jahre bei Zenon gehört und (nach einer Lesart) 80 Jahre gelebt.40 Und im Index Stoicorum Herculanensis steht, er sei 32 Jahre Scholarch gewesen.41 Nimmt man diese Angaben ernst und rechnet von der Zeit seines Todes zurück, dann wäre seine Geburt um 308 vor Christus anzusetzen.42

Kleanthes kam aus ärmlichen Verhältnissen. Er soll zunächst vom Faustkampf gelebt und, als er sich (vermutlich mit etwa 30 Jahren) für die Philosophie entschied, sein Studium mit schwerer Nachtarbeit verdient haben.43 Die Geschichte vom ehemaligen Faustkämpfer ist anekdotischer Natur; sie sollte seinen geistigen Habitus kennzeichnen. Er scheint jedenfalls körperlich robust, hart gegen sich selbst und fleißig, von etwas langsamer, doch nachhaltiger Auffassungsgabe gewesen zu sein.44 Den diesbezüglichen Spott der Mitstudenten habe er gelassen ertragen. Er, so seine (anekdotisch bekundete) Antwort, sei als Esel allein stark genug, die Last (der Lehre) Zenons zu tragen.45 Anders als die Schüler Ariston, Herillos und Dionysios46 blieb er den gedanklichen Vorgaben Zenons zeit seines Lebens treu.47 Mit den philosophischen Kritikern und Gegnern, insbesondere mit dem Skeptiker Arkesilaos, pflegte er offensichtlich ein kollegiales und faires Verhältnis.48

Kleanthes war ein fruchtbarer Schriftsteller. Dies kontrastiert etwas mit den Nachrichten von seiner gedanklichen Schwerfälligkeit. Er habe sehr schöne Schriften (biblia kallista) hinterlassen, so Diogenes Laertius.49 Die Überlieferung weiß von 57 Werken. Wie die Liste der Buchtitel zeigt,50 handelte er über alle Bereiche der Philosophie, nicht zuletzt auch über Themen der Logik, und verteidigte Zenons Gedanken gegen außerschulische und innerschulische Gegner (Pros Dēmokriton; Pros Hērillon). Ein besonderes Anliegen war ihm offensichtlich die Rezeption der Philosophie Heraklits (Tôn Hērakleitou exhēgēseis tessara) und die Verteidigung des geozentrischen Weltbilds gegen Aristarchs revolutionären Gedanken, die Erde drehe sich um sich und die Sonne (Pros Aristarchon).51 Sein erhaltener Hymnus an Zeus52 belegt sein Talent und seine Liebe für schnörkellos-kraftvolle philosophische Poesie und seine tiefe Religiosität.

Als philosophischer Lehrer scheint er im Schatten von Ariston und Arkesilaos gestanden zu haben. Es war wohl durchaus offen, welche Entwicklung die Philosophie der Stoa in der Zeit seiner Leitung nehmen sollte. Sein ehemaliger Kommilitone Ariston aus Chios lehrte im Gymnasion Kynosarges. Dessen Gedanken gingen in eine kynische Richtung. Er lehnte Physik und Logik als philosophische Disziplinen ab, Physik, weil sie von Themen handelte, die menschlicher Erkenntnis verschlossen seien und Logik, weil sie (wie ein subtiles Spinnennetz) weltabgehoben und von keinerlei praktischem Belang sei. Alles kam ihm auf die Ethik an. Und hier scheint er eine radikale Situationsethik und die völlige Indifferenz außermoralischer Dinge vertreten zu haben.53 Er lehrte so erfolgreich, dass er im Ruf stand, eine neue Schule zu begründen.54 Dabei war Arkesilaos, der skeptische Scholarch der Akademie, ein mindestens ebenso scharfsinnig-brillanter Kopf und erfolgreicher Lehrer. Kleanthes dürfte es schwer gehabt haben, in seiner bedächtigen Art neben Ariston und Arkesilaos in der Konkurrenz um Studierende und Anhänger zu bestehen. Über sein Ende berichtet Diogenes Laertius, er habe nach heftigen Zahnschmerzen die Nahrung verweigert.55

Von seinen Schülern sind uns nur zwei namentlich bekannt. Sphairos vom Borysthenes und Chrysipp aus Soloi. Sphairos ging zunächst an den Hof von Ptolemaios Philadelphos nach Alexandrien, war später Berater der Reform-Könige Agis IV und Kleomenes III in Sparta und floh nach der vernichtenden Niederlage von Kleomenes (in der Schlacht von Sellasia) mit diesem zu Ptolemaios Philopator ins ägyptische Exil. Vermutlich ist er dort auch gestorben. Trotz einer beachtlichen Liste von Schriften56 haben seine Gedanken in der Überlieferung nur wenige Spuren hinterlassen.57 Ganz anders Chrysipp. Dieser war nicht nur in der Lage, den innerschulischen Einfluss Aristons zurückzudrängen und dem akademischen Skeptiker Arkesilaos Paroli zu bieten. Er vermochte es auch, die Philosophie der Stoa so zu formen, dass sie bis ins 3. Jahrhundert nach Christus die konkurrierenden philosophischen Schulen überstrahlte. Er übernahm nach dem Tod seines Lehrers die Leitung der Schule.

Die Philosophie der Stoa

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