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I Die Geschichte der Schule
ОглавлениеDie Stoa gehört neben der Schule Platons (der Akademie), Aristoteles’ (dem Peripatos) und Epikurs (dem Kepos) zu den bedeutendsten philosophischen Schulen des Hellenismus. Ihre Anfänge gehen in die Zeit um 300 vor Christus zurück. Ihr Begründer ist Zenon aus Kition (dem heutigen Larnaka auf Zypern). Den Namen erhielt sie von der stoa poikilē, einer von Polygnot mit mythologischen Motiven bunt bemalten Säulenhalle am Markt von Athen, einem öffentlichen Gebäude, in dem Zenon zu lehren begann und sich mit seinen Hörern und Schülern traf.1 Zenon, seiner Abstammung nach wohl ein Phönikier,2 war kein Bürger Athens. Ja, er lehnte ebenso wie sein Nachfolger Kleanthes das ihm angebotene Bürgerrecht ab, „um seiner Heimatstadt nicht Unrecht zu tun“.3 Er konnte deshalb in Athen auch kein Grundstück erwerben und seine philosophische Schule rechtlich, wie dort üblich, nach Art eines religiösen Kultvereins konstituieren. Wie die Schule organisiert war, wissen wir nicht. Zwar bildete sich eine Tradition heraus, nach der Kleanthes, Chrysipp etc. als Oberhäupter bzw. Leiter der Schule galten. Doch allem Anschein nach war die Bindung und der Zusammenhalt in ihr weniger eng als etwa in der Akademie oder im Kepos.4 „Wir Stoiker“, so später Seneca, „werden nicht von einem König regiert; ein jeder steht für sich selbst ein“.5
Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts unterscheidet man zwischen alter, mittlerer und später bzw. kaiserzeitlicher Stoa. Zu den großen bzw. heute bekannten Figuren der alten Stoa zählen Zenon, Kleanthes und Chrysipp, zu denen der mittleren Panaitios und Poseidonios, zu denen der späten Stoa Seneca, Epiktet und Marc Aurel. Die Gliederung in die drei Phasen der Schulgeschichte ist etwas problematisch, da sich zwar gedankliche Eigenheiten einzelner Autoren, nicht aber eindeutige Zäsuren oder markante Entwicklungsschritte bezüglich des philosophischen Systems feststellen lassen, zumal sämtliche Originalschriften der hellenistischen, also der frühen und mittleren Phase verloren gegangen sind und die Autoren der Kaiserzeit sich verstärkt auf die Gründerfiguren zurückbezogen. Gleichwohl bedeutet die Wende des Blicks von Griechenland nach Rom im 2. vorchristlichen Jahrhundert ohne Zweifel eine gewisse Veränderung der praktischen Philosophie. Als sicher kann gelten, dass Chrysipp als drittes Schuloberhaupt eine überragende Rolle in der systematischen Ausdifferenzierung und argumentativen Absicherung der stoischen Philosophie (vor allem gegenüber skeptischer Kritik) gespielt und durch seine gedankliche Leistung in gewisser Weise kanonisch gewirkt hat.6 Noch im 1. und 2. nachchristlichen Jahrhundert dienen seine Schriften als Grundlage der schulischen Unterweisung in stoischer Philosophie. Und „wer in dieser Zeit die stoische Schule als solche bekämpft, wie Plutarch, Galen, Alexander von Aphrodisias, pflegt seine Polemik in erster Linie gegen Chrysipp zu richten. Auch das Wissen von stoischer Philosophie, welches in dieser Zeit Gemeingut aller Gebildeten ist, bezieht sich im Wesentlichen auf die Chrysippsche Form der Lehre“.7 Doch seine Autorität im Rahmen der Schule war nie so, dass eine Kritik an einzelnen Stücken seiner Lehre und Abweichungen von ihr als unangebracht oder gar verpönt gegolten hätten. Und innerhalb wie außerhalb der Schule blieb Chrysipp keineswegs die einzige Autorität, auf die man sich zu berufen pflegte; Zenon, Ariston, Kleanthes, Panaitios, Poseidonios blieben neben ihm durchaus prominent.8