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1. Zenon aus Kition

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Was das Leben des Schulgründers Zenon betrifft, so verfügen wir neben zahlreichen ‚sprechenden‘ Anekdoten über nur sehr wenige zuverlässige Informationen.9 Diogenes Laertius, der sich auf verschiedene Biographen stützt,10 überliefert den Wortlaut des Dekrets, mit dem das Volk von Athen unter dem Archontat von Arrhenides beschloss, „Zenon von Kition, den Sohn des Mnaseas … mit einem goldenen Kranz dem Gesetz gemäß zu bekränzen … und ihm auf dem Kerameikos auf öffentliche Kosten ein Grabmal zu errichten“.11 Die Begründung hebt hervor, dass er „viele Jahre um der Philosophie willen in der Stadt gelebt und in allem Übrigen sich beständig als rechtschaffener Mann (anēr agathos) erwiesen und die jungen Menschen, die der Bildung wegen zu ihm kamen, zur Tugend und Besonnenheit (ep’ aretēn kai sōphrosynēn) aufgefordert und zum Besten ermuntert habe, wobei er allen das eigene Leben zum Vorbild machte, da es konsequent dem entsprach, was er lehrte“.12 Von seiner Besonnenheit ist denn auch in einem von Antipater von Sidon verfassten Grabepigramm die Rede.13 Arrhenides bekleidete 262/61 das Amt des Archonten.14 Damit steht mit einiger Sicherheit die Zeit des Todes Zenons fest. Als historisch glaubwürdig bietet sich auch die Nachricht des Schülers Persaios an, Zenon sei als 22jähriger nach Athen gekommen und im Alter von 72 Jahren dort gestorben.15 Seine Geburt wäre also für das Jahr 333/32 anzusetzen. Er entstammte einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie,16 ging zunächst vermutlich selbst Handelsgeschäften nach,17 ehe er sich ganz der Philosophie widmete. Seine körperliche Konstitution und sein Äußeres wird von der biographischen Tradition als etwas verwachsen, hager (ischnos), leidlich groß (hypomēkēs), dunkelhäutig (melanchrous), eher weich (apagēs) und kraftlos (asthenēs) beschrieben.18 Er schloss sich zuerst dem Kyniker Krates an, hörte dann auch den Megariker Stilpon,19 lernte, zusammen mit dem Dialektiker Philon, bei Diodoros Kronos,20 um schließlich als bereits fortgeschrittener Philosoph auch die Vorlesungen des Akademikers Polemon zu besuchen.21 Um das Jahr 300 dürfte er selbst zu lehren begonnen haben.

Zenon war offensichtlich sehr lernbegierig, hat Anregungen aus verschiedenen Richtungen aufgenommen und Gedanken anderer verarbeitet. Dem Vorwurf mangelnder Selbstständigkeit22 soll er, in Abwandlung einer Hesiod-Sentenz23 mit dem Hinweis begegnet sein, es sei zwar schön, alle Dinge selbst herauszufinden, es sei aber das Beste, auf den zu hören und ihm zu folgen, der gut spricht.24 Das Aufnehmen und Befolgen richtiger Einsichten war ihm offensichtlich wichtiger als bloße Originalität.25 In Wahrheit hat Zenon vorsokratische und sokratische, kynische, dialektische, megarische und akademische Einflüsse rezipiert und zu einer durchaus eigenständigen Philosophie verarbeitet. Er begründete jedenfalls eine philosophische Strömung und Lehre, die zur bedeutendsten der hellenistischen Zeit werden sollte. Seine unmittelbaren Nachfolger in der Schulleitung verstanden sich als Interpreten und Verteidiger seiner Philosophie. In den Quellen ist von 27 ‚Büchern‘ (gemeint sind Buchrollen) die Rede, die er selbst verfasst hat. Die Titel zeigen,26 dass für ihn Themen der Naturphilosophie und Ethik im Vordergrund standen. Was die Logik betrifft, so lässt sich anhand einer beachtlichen Anzahl überlieferter Beweise zeigen, dass er zwar kein formales logisches System konstruiert hat, doch zur Begründung seiner philosophischen Thesen gültige Argumente benützte und sich ihrer Schlüssigkeit aufgrund ihrer logischen Form vermutlich bewusst war.27

Durch die Art und den Inhalt seines Philosophierens ebenso wie durch die Bescheidenheit und Konsequenz seiner Lebensweise band er einen breiten Hörer- und Schülerkreis an sich. Namentlich bekannt sind Persaios aus Kition, Ariston aus Chios, Herillos aus Karthago, Dionysios aus Herakleia, Kleanthes aus Assos, Sphairos vom Borysthenes, Philonides aus Theben, Kallippos aus Korinth, Poseidonios Schule aus Alexandreia, Athenodoros aus Soloi und Zenon aus Sidon.28 Kleanthes aus Assos sollte ihm in der Leitung seiner jungen Schule nachfolgen.

Wie die posthume Ehrung durch die Stadt belegt, war Zenon in Athen eine öffentliche Figur und als ursprünglich ‚Fremder‘ wohl bestens integriert.29 In tagespolitischen Fragen scheint er eher Zurückhaltung geübt zu haben. Der makedonische Machthaber Antigonos Gonatas suchte seine Nähe; eine Einladung an seinen Hof nach Pella lehnte er ab; er schickte stattdessen seine Schüler Persaios und Philonides.30 Auch in der anekdotisch bekundeten Freundschaft mit dem politischen Gegenspieler Chremonides legte er eine vergleichbare Zurückhaltung an den Tag.31 Bei dem von Diogenes Laertius überlieferten Briefwechsel zwischen Antigonos Gonatas und Zenon dürfte es sich um eine Fälschung handeln.32 Die erwähnte posthume Ehrung Zenons durch die Stadt könnte allerdings auf die Anregung von Antigonos Gonatas zurückgegangen sein.33

Von seinem Ende handeln verschiedene Anekdoten: Er soll seine körperliche Hinfälligkeit als Zeichen Gottes verstanden und sie dadurch selbst beendet haben, dass er sich auf einen Sturz hin ertränkte bzw. erhängte (apopnixas heauton)34 oder aber die Nahrung verweigerte (aposchomenon trophês teleutêsai ton bion).35 Die anekdotischen Varianten entsprächen stoischer Lehre vom vernünftigen Suizid. Ob sie auch auf Historisches verweisen, muss offen bleiben.36

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