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4. Panaitios aus Rhodos

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Panaitios entstammte einer der vornehmensten, wohlhabendsten, politisch einflussreichsten Familien aus Rhodos. Er wurde zwischen 185 und 180 in Lindos auf Rhodos geboren. Er studierte zuerst bei Krates von Mallos am Attalidenhof in Pergamon und an der dortigen Bibliothek.104 Krates war seiner philosophischen Ausrichtung nach Stoiker, einer der angesehensten Grammatiker seiner Zeit, versierter Homerinterpret, Geograph und Astronom. Später (wohl in den frühen 150er-Jahren) wechselte Panaitios zu Diogenes von Babylon nach Athen und hielt dort auch unter dem Scholarchat des Antipater der stoischen Schule die Treue.105 Er soll, so Philodem, Antipater im Schulbetrieb durch Einführungskurse geholfen haben.106 Die Familie ebenso wie seine verschiedenen Lehrer hatten gute Kontakte nach Rom. Er selbst hielt sich längere Zeit (um die Mitte der 140er-Jahre) in Rom auf und pflegte dort, zusammen mit dem Historiker Polybios, freundschaftlichen Umgang mit P. Cornelius Scipio Aemilianus, mit Gaius Laelius und weiteren Persönlichkeiten der Führungselite Roms.107 Sein geistiger Einfluss auf die republikanische Aristokratie in Rom war groß. Cicero belegt ihn im Rückblick mit den erhabensten Prädikaten (erudissimus homo; homo in primis ingenuus et gravis; praecellens ingenio vir; magnus homo; princeps Stoicorum), vermutlich auch deshalb, weil er ihm für sein eigenes philosophisches Verständnis von Staat, Gesellschaft und sittlichem Verhalten in führender Stellung viel verdankt. Panaitios begleitete Scipio auf dessen Einladung hin108 als persönlicher Berater im Jahr 140/139 auf einer diplomatischen Reise nach Ägypten, Syrien, Kleinasien und Griechenland. Bis Ende der 130er-Jahre lebte er abwechselnd in Rom und Athen. Nach 129, als er die Leitung der Schule übernommen hatte, dürfte er überwiegend in Athen gewirkt, gleichwohl aber seine engen Kontakte nach Rom weitergepflegt haben. Im Dunkeln liegt, wann und wie Panaitios gestorben ist. Einem Hinweis des Sprechers Crassus in Ciceros De oratore109 ist zu entnehmen, dass, als er, Crassus, im Rahmen seiner Quaestur in Makedonien (110 vor Chr.) nach Athen kam, Mnesarchos, der Schüler und Nachfolger des Panaitios in Kraft und Ansehen stand (vigebat Panaetii auditor Mnesarchos). Ob Panaitios selbst zu dieser Zeit noch lebte, ist nicht klar; jedenfalls dürfte er nicht mehr der Schule vorgestanden haben.

Auch über ein Verzeichnis seiner Werke verfügen wir nicht. Gleichwohl wissen wir über Hinweise und Zitate Dritter mit Sicherheit von einigen Titeln bzw. Traktaten. So bestellt Cicero am 8. Juni 45 vor Chr. bei Atticus eine Schrift des Panaitios Über die Vorsehung (Peri pronoias).110 Nach eigenem Bekunden hat Cicero ferner in den ersten beiden Büchern seines Werks De officiis das entsprechende Werk des Panaitios Über passendes Verhalten (Peri toû kathēkontos) als Vorlage benützt.111 Einem Hinweis Ciceros in De legibus112 ist zu entnehmen, dass Panaitios über die (beste) Ordnung des Staates geschrieben hat.113 Verschiedentlich erwähnt Cicero eine Schrift des Panaitios in Briefform an Quintus Tubero über das Ertragen des Schmerzes.114 Diogenes Laertius nennt eine Schrift Über die Seelenruhe (Peri euthymias).115 Ferner sind Werke Über die Philosophenschulen (Peri tôn haireseōn)116 und Über Sokrates (Peri Sōkratous)117 bezeugt. Ob ihm auch ein Traktat Über die Proportionen und Intervalle der Töne gemäß der Geometrie und der Musik118 zuzuschreiben ist, ist unsicher.

Cicero bemerkt De fin. IV, 79, Panaitios habe die Herbheit der stoischen Grundsätze und die Spitzfindigkeiten ihrer Argumente durch mehr Milde und Klarheit zu vermeiden versucht und stets Platon, Aristoteles, Xenokrates, Theophrast und Dikaiarch im Mund geführt. Dass er sich akademischem und peripatetischem Einfluss öffnete, bemerkt auch Philodem.119 Diese Öffnung dürfte bei ihm zur Differenzierung und Modifikation einiger Lehrstücke, allerdings nicht zur Aufgabe stoischer Kerndogmen geführt haben. Er bezweifelte die Ekpyrosislehre und plädierte (im Sinne einer frömmeren, weil der Göttlichkeit der Welt mehr entsprechenden Annahme) für die Unvergänglichkeit des Kosmos.120 Er bezweifelte die Leistungsfähigkeit der Praktiken der Weissagung und enthielt sich des Urteils darüber.121 Er hat Platons Gedanken individueller Unsterblichkeit abgelehnt,122 zwar die altstoische Seelenlehre modifiziert, sie aber nicht grundsätzlich verändert,123 in der Ethik mehr auf die sittliche Realität124 als auf das Ideal des Weisen geblickt, doch gleichwohl die stoische Bestimmung des Lebensziels (auf der Basis der Oikeiosislehre) bewahrt.125 Im Blick auf seine Theorie der vier personae,126 die für die richtige Lebenswahl nicht nur die allgemeine menschliche Natur, sondern auch die Zeitumstände und die persönliche Eigenart zu berücksichtigen betont, von einer „Revision“ der stoischen Philosophie zu sprechen,127 ist wohl übertrieben.

Die nachhaltigste Wirkung erzielte Panaitios zweifellos über die politischen und ethischen Schriften Ciceros. Dabei fällt es notorisch schwer, in ihnen Panaitios’ Gedanken und Argumente von Ciceros eigenem Beitrag zu trennen. In De republica und De legibus dürfte Cicero noch eigenständiger gearbeitet haben als in den ersten beiden Büchern von De officiis. Auch in diesen schreibt Cicero freilich, zwar von Panaitios’ Schrift angeleitet, doch nach eigenem Urteil und aus eigener, römisch-republikanischaristokratischer Sicht über passendes Verhalten.128 Und De officiis hat über die lateinische Patristik, das Mittelalter und die Europäische Aufklärung für die philosophische Ethik der westlichen Welt eine überragende Wirkung entfaltet.

In der Leitung der Stoa in Athen folgten ihm die Schüler Dardanos und Mnesarchos nach. Wir wissen zudem von zahlreichen Schülern, die zu ihrer Zeit eine Rolle im Geistesleben spielten, uns aber nur noch als Namen (Apollonios aus Nysa, Hekaton aus Rhodos, Sosos aus Askalon, Stratokles aus Rhodos etc.)129 bekannt sind, ohne dass man mit ihnen ein prägnantes geistiges Profil verbinden könnte. Das ist anders bei Poseidonios, der zweiten großen Figur der mittleren Stoa.

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