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4.3 Casel und die Mysterienreligionen
ОглавлениеOftmals sind die Untersuchungen Casels zu den hellenistischen Mysterienreligionen, weil eine Grundlage seiner Theologie, zugleich einer der Hauptkritikpunkte seiner Gegner. Schilson zeigt, dass diese Kritik jedoch unberechtigt ist, da die hellenistischen Mysterienreligionen gar nicht den so hoch angesetzten Stellenwert besitzen.256 Im Verlauf seiner Forschung gelangt Casel vielmehr zu einer Auffassung der Mysterienanalogie zwischen Mithraskult und christlichem Kult.257 Es geht ihm allein um die Analogiestruktur, nicht um deren Abhängigkeit. Casel tut es den Kirchenvätern gleich und verschweigt nicht die Irrwege der heidnischen Kulte, z.B. den zentralen Unterschied, dass es im christlich-sakramentalen Bereich keine Verschmelzung des Kultgottes mit den Feiernden gibt, wie das heidnische Kulte ausdrücken. Den christlichen Gottesdienst versteht er daher als Veredelung der antiken Geisteshaltung.258 Der Hellenismus ist ihm deswegen so bedeutsam, weil er nur darin ein Verständnis vom Mysterium zu finden meint, das für das Christentum fruchtbar gemacht werden soll.259
So unterscheidet Casel drei antike Mysterientypen: In der Regel ist der Mythos Epiphanie eines Gottes auf Erden, der im Ritus nachgelebt wird. Der zweite Typus umfasst die kosmischen Mythen. Der dritte Typ vereinigt die beiden vorgenannten Typen. Casel sieht dabei die Grenzen der Analogie zum christlichen Mysterium und weist zugleich auf die Unterschiede der Kultformen hin.260 Hinter der Heranziehung der heidnischen Mysterienreligionen steht eine anthropologisch-pädagogische Absicht Casels, die Schilson so umschreibt:
„Die hier behauptete Analogie steht vorzüglich im Dienst eines anthropologischen, fast möchte man sagen liturgiepädagogischen bzw. pastoralen Interesses. Durch den entschlossenen Rückgriff auf die hellenistischen Vorformen und Ähnlichkeiten der christlichen Mysterien will Casel die Verkrustungen des scholastischen Sakramentenverständnisses aufbrechen und zu einer integralen Sicht zurückführen.“261
Die patristischen Schriftsteller sind für Casel die Wegweiser, um die Analogien erkennen zu können. Dabei taucht ein neues Problem auf, das sich auf die verwendeten Termini bezieht, d.h. wie diese von den Kirchenvätern angewendet werden. Deren philologische Verstehensweise ist nicht eindeutig festzumachen. Heute geht man von einer Überbewertung der heidnischen Mysterien durch Casel aus. Am Lebensende hat er sich zurückhaltender und differenzierter zu diesem Fundament seiner Denkform geäußert.262
A. Schilson zeigt, dass es der Gedächtnischarakter in den vorchristlichen Kulten ist, der Casel so fasziniert. Ein symbolischer Ritus versetzt vergangene Ereignisse wieder in die Gegenwart hinein. Damit wird dem subjektiven Erinnern die objektive Form vorgegeben. Das hellenistische Prinzip versucht Casel als Grundlage für das Christentum zu transformieren. So gelangt er zu seinem Ansatz, das Kultgedächtnis als die Form zu begreifen, durch die Gegenwart über Raum und Zeit hinweg geschaffen wird. Ein zweiter Aspekt ist die Möglichkeit der aktiven Teilnahme, die dem Mysterium innewohnt. Damit setzt Casel das Mysterium als die Bedingung der Möglichkeit für das Mithandeln mit Gott an der Heilsstiftung für den Menschen. Letztlich findet er im heidnischen Mysterium ein Gott-Welt-Verhältnis, in dem Gott transzendent und immanent zugleich gesehen wird. Damit eröffnet sich die Perspektive einer „Vergottung des Menschen“. Auch seine diesbezüglichen religionsgeschichtlichen Untersuchungen sind oft kritisiert worden. Der Vorwurf zielt wiederum darauf, dass Casel die Untersuchungen im Sinne seines eigenen Anliegens führt. Doch darf nicht übersehen werden, dass es Casel vielmehr um eine theologische Absicht geht und weniger um eine religionsgeschichtliche. Für ihn stehen der real-symbolische und real-präsentische Gedächtnischarakter der Sakramente und die Perspektive des menschlichen Mit-Handelns im Heilswerk an erster Stelle.263 Wir haben angerissen, welche Perspektive Casel an den antiken Kulten fasziniert. Zu fragen bleibt nun, welchen Stellenwert er, bei seiner Hinwendung zur Antike, der antiken Philosophie als ganzer oder einzelnen philosophischen Denkformen und ebenso dem Alten Testament zukommen lässt.