Читать книгу Die Eucharistie als Opfer der Kirche - Michael Hesse - Страница 60
5.5 Kritische Würdigung
ОглавлениеDie Sakramente werden von Casel also als Schattenbilder einer dahinter verborgenen Wirklichkeit verstanden, d.h. die Symbole sind letztlich austauschbar. Die göttliche Gabe des Pneumas an das Subjekt ermöglicht diesem die Erkenntnis der hinter den Symbolen verborgenen Wirklichkeit. Schilson zeigt treffend hierzu auf, dass Casel die Gefahr des Dualismus im Platonismus nicht erkennt. Dies äußert sich darin, dass die weltlichmaterielle Wirklichkeit nicht die angemessene Beachtung erfährt, was christologisch zu doketischen Tendenzen bei Casel führt. Ebenso erhält die Geschichtlichkeit, d.h. das Verhältnis von Symbol und Geschichte, Gott und Geschichte wenig Raum. Die vorgetragene, vom platonischen Abbild-Gedanken durchdrungene Denkform, zeigt sich statisch und ontologisch ohne geschichtliche Auswirkung.314 Die Hochschätzung des platonischen Denkens, um das realsymbolische Verständnis bei den Sakramenten zu vermitteln, birgt die Gefahr des weltflüchtigen Dualismus. Zudem wird alle geschichtliche Dimension der Vergangenheit, der Zukunft und auch der Gegenwart aufgehoben in das ewige Heute Gottes.315 Das dialogische Zueinander von Geschichte und Gott geht verloren bzw. steht sich als Gegensatz gegenüber. Das Heil ereignet sich durch das Einbrechen Gottes in die Geschichte bzw. das Ausbrechen des Menschen in die Ewigkeit im Sinne einer Flucht, wodurch die irdische Zeit vernichtet und so zu einer Bedrohung von Geschichte stilisiert wird, wie Schilson die Gefahr einer solchen Konzeption herausstellt. Auf der anderen Seite verbirgt sich hierin eine Verwobenheit von Gott und Welt, so dass göttliche Substanz und göttliches Leben zu Bestandteilen der Welt werden. Das bedeutet für das Symbol eine verborgene Epiphanie des Göttlichen in der Welt zu werden, die dahinter erfahrbar wird. Das bedeutet aber, dass die ontologische Differenz von Göttlichem und Materiellem verwischt wird. Ebenfalls wird die Geschichte zur verhüllten Erscheinung Gottes, die dem Menschen somit die Möglichkeit eröffnet, in die Ewigkeit einzutreten zu können. Dies ist von Casel jedoch in seiner Konzeption inkonsequent gedacht, da so die Sakramente auf eine niedrigere Ebene herabgestuft werden, weil wir zuvor sahen, dass Casel sie eigentlich zur überzeitlichen und immer schon gültigen Christuswirklichkeit rechnet. So zeigt sich hier auch die Gefahr eines Panchristismus. Einerseits will Casels die Welt als den Ort der Sünde, der Gottesferne und der Vergänglichkeit sehen, verkehrt diesen Ansatz nun ins Gegenteil, wenn er die Welt zum Ort der Einlassung Gottes durch Christus in die Geschichte beschreibt, was eine Eigenständigkeit der Geschichte hervorhebt. Es geht Casel jedoch nicht um Rettung der Geschichte, sondern im Gegenteil um Befreiung des Menschen von Geschichte. Daher definiert er die Realsymbole der Sakramente so, dass in ihnen nur die göttliche Seite anwesend ist, was somit nur die Heilsbedeutung der einen Geschichte Jesu meint und hervorhebt.316
M. J. Krahe spricht in ihrer Untersuchung von drei Problemkreisen, die sich schon nach den ersten Publikationen Casels immer deutlicher durch Anfragen anderer Theologen abzeichnen: Zunächst das Quomodo der Mysteriengegenwart, d.h. wie etwas Gegenwart werden kann, das Heil bewirkt, bzw. was überhaupt Gegenwart bedeutet. Diese Frage nach dem Quomodo der Mysteriengegenwart ist die zu Lebzeiten Casels am häufigsten gestellte Frage, weil sie eben den Fragehorizont auf die Gegenwartsweise des Heilswerkes in der Liturgie und in den Sakramenten ausweitet. Dabei spielen Fragen zum Symbolverständnis, zum Verständnis von Zeit und Raum, zum Verständnis der einzelnen Sakramente und der Liturgie als „opus dei“ eine Rolle. Ebenso ist das Verhältnis von Kreuzesopfer und Messopfer nicht deutlich. Die philosophische Durchdringung der Begriffe Mysterium und Sacramentum wird ebenso vermisst. In den verwendeten Traditionsbeweisen und den religionswissenschaftlichen Vergleichen zum Wesen des Mysteriums liegt eine schwierige Problematik vor. Die Zeit nach dem Tod Casels (1948) ist durch eine größere Aufmerksamkeit für die Kirchenväter und den Terminus „mysterium“ gekennzeichnet. J. Betz317 baut in seiner Arbeit über die Eucharistie zur Zeit der griechischen Väter seine Darlegung über die Aktualpräsenz und deren biblische Grundlegung terminologisch präzisierend auf Casels Überlegungen zur kultischen Gegenwart auf. Die oben genannten Monographien von A. Gozier und Jakob Plooij bieten Ende der 60er Jahre eine Zusammenstellung des damaligen Diskussionsstandes. Das II. Vatikanum, mit dem der Übergang zur letzten Phase des Gesprächs über Casels Ansatz geschieht, erkennt das Grundanliegen seiner Mysterientheologie an. Die erneuerte, nachkonziliare Sakramententheologie baut auf biblisch-antiker Anregung und Caselschem Symbolverständnis auf. Das „Quod“ der Mysterientheologie wird faktisch bestätigt, während das „Quomodo“ in der Diskussion umstritten bleibt.318
Widmen wir uns nach diesem Überblick zu den Grundgedanken Casels der konkreten Übertragung der Grundlienen des Theologieentwurfs Casel auf das Thema der vorliegenden Arbeit, der Frage nach dem Verständnis der Eucharistie als Opfer der Kirche. Es ist eine Fragestellung, die von den bisher genannten Autoren, die sich mit Casels Theologie auseinandersetzten, nur angedeutet aber nicht erarbeitet worden ist. Ansetzen müssen wir bei der christozentrisch-soteriologischen Grundlage Casels. Auf der Grundlage des Urmysterium Christus haben wir erst die Möglichkeit, nach einer ekklesiologischen Notwendigkeit zu fragen. Auf der zweifachen Grundlegung von Christologie und Ekklesiologie können wir in einem weiteren Schritt die sakramental-mysteriologische Übergabe der Heilstat Christi an die Kirche im Verständnis Casels beleuchten. So wird es möglich, die konkrete Fragestellung nach einem Opfer der Kirche durch die Kirche innerhalb des Heilswerkes Christi zu erarbeiten.
Beginnen wir unsere weitere Auseinandersetzung mit dem Theologieentwurf Casels mit dessen Zentrum, nämlich Jesus Christus selbst. Wer ist Jesus Christus für Casel? Angedeutet haben wir in den Ausführungen zu Casels Grundlagen, dass er letztlich nur die christologischen Aussagen des apostolischen Glaubensbekenntnisses als relevant erachtet. Welche soteriologische Dimension verbindet Casel mit dem Christus der Geschichte? Auch wenn wir die Christozentrik in seiner Theologie bereits angesprochen haben, ist es für die Frage nach dem Opfer der Kirche unerlässlich, umfassender die Person Jesu Christi im Theologieentwurf von Odo Casel herauszuarbeiten, um dann anschließend überhaupt auf dieser Grundlage seine Ekklesiologie erarbeiten zu können.