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Predigtarbeit
ОглавлениеJoachim Kanitz, der im Frühjahr 1933 in Berlin-Lichterfelde wohnte und sich auf sein erstes theologisches Examen vorbereitete, schreibt: „Ich war einmal Zeuge, als sich Niemöller und Hildebrandt über die Predigt des kommenden Sonntags unterhielten. Ich weiß keine Einzelheiten mehr, aber es hat mir einen bleibenden Eindruck gemacht, wie dieser mutige Mann mit großer Zaghaftigkeit an das immer wieder unerhörte Wagnis einer Predigt heranging, und wie er auf die Argumente des Jüngeren hören konnte.“101
Als enger Mitarbeiter hat Franz Hildebrandt in einem Rückblick sehr lebendig Entstehungssituation und Eigenart der Predigten Niemöllers geschildert:
„Es war Hochbetrieb im Dahlemer Pfarrhaus. Klingel und Telefon standen nie still, es wimmelte von Besuchern, Kollegen, Freunden, Ratssitzungen, und ‚nebenbei‘ mußte ja irgendwie die Familie mit den sieben Kindern zu ihrem Recht kommen. Die Jesus Christuskirche, in der die meisten dieser Predigten gehalten wurden, war genau zur rechten Zeit gebaut worden; Martin Niemöller wurde 1931 in sein Pfarramt eingeführt, und die kleine schöne St. Annenkirche hätte die Hörer in der Zeit des Kirchenkampfs nie gefaßt. Der wichtigste Kommentar zu den Predigten wäre eine Nachschrift der ‚Katechismusstunden‘ an Montagabenden im Gemeindehaus, wo Niemöller vom Schlachtfeld102 berichtete, von den unzähligen Reisen und Tagungen, die sein Programm ausfüllten; meines Wissens ist eine solche Nachschrift nicht erhalten, wenn auch die ständigen Spitzel der Polizei (unsere treuesten Kirchenbesucher …) sich sicher Notizen machten.
Die Gemeindearbeit – Konfirmandenklassen, Amtshandlungen, Seelsorge – kam darüber nicht zu kurz, und das Hauptwerk am Schreibtisch ist und bleibt die Predigt. Kein Wunder, daß es in der Regel ein oder zwei Uhr nachts wird, ehe der letzte Strich getan ist. Satz für Satz muß er sich abringen, bis er ihm druckreif erscheint. Dann freilich bleibt das Niedergeschriebene stehen, so daß kaum eine Korrektur am Manuskript zu entdecken ist. Gern liest er seiner Frau oder einem nahen Freund beim Hereinkommen laut vor, was bis jetzt fertig ist, bespricht sich über exegetische Probleme und Liederauswahl. Und wieder ist er frühmorgens am Schreibtisch, um bis zum letzten Moment, wo er in die Kirche gehen muß, zu memorieren; was er geschrieben hat, wird ja nicht vorgelesen, sondern im Ernst gepredigt. Vielleicht ist es nicht überflüssig, daran zu erinnern, daß in der deutschen Tradition nur Textpredigt als wirkliche Verkündigung gilt; das entscheidende Kriterium [im Original: Kriterion] ist niemals ‚Zeitgemäßheit‘ (relevance), sondern Treue gegenüber dem Wort. Es hat sich bei Freund und Feind nur zu deutlich gezeigt, daß die Heilige Schrift zu jeder Zeit selber für ihre Aktualität sorgt; man denke nur an das Beispiel der Sexagesimae-Predigt über Phil. 1,12–21 – und Martin Niemöller hatte, wie meistens, den Text nicht selber gewählt, sondern sich an die vorgeschriebene Perikope des Sonntags gehalten.“103
Hildebrandt meint jene Predigt vom 30. Januar 1937, in der Niemöller die Situation des gefangenen Apostels Paulus, der auf eine Entscheidung wartet, mit der Situation der Gemeinde in Dahlem zusammen sah. Unversehens wurde das Wort der Schrift zu einem Wort für heute, als er von der bedrückenden Erkenntnis sprach,
„daß in diesen Jahren die Kirche selber in Gefangenschaft geraten ist, daß die Kirche selber die Freiheit verloren hat, ihre Sendung auszurichten, wie sie es früher tat. Es hieße lügen, es hieße die Wahrheit bewusst verleugnen, wenn wir behaupten wollten, die Kirche des Evangeliums dürfte heute ungehindert die ihr befohlene Botschaft verkündigen. Ich brauche das nicht im Einzelnen darzulegen. Das eine Wort ‚Lübeck‘ redet deutlich genug, als daß es überhört werden könnte. Lübeck, die Stadt in Deutschland, wo die Predigt des biblischen Evangeliums polizeilich verboten ist; Lübeck, die Stadt im deutschen Vaterlande, wo durch Anwendung von Gewalt sämtliche evangelischen Prediger polizeilich gehindert werden, den Herrn Christus als den einen Heiland und Retter zu bezeugen.
Diese eine Tatsache müßte genügen, um uns in unserem Rückblick sehr, sehr nachdenklich zu machen. Aber diese Tatsache steht ja nicht allein, daneben steht das Verbot aller Evangelischer Wochen,104 daneben steht das Verbot vieler Hausbibelstunden, und daneben steht hier und da das Verbot kirchlicher Gottesdienste.“
Die Kirche, sagt der Prediger weiter, sei „eine gefangene Kirche, eine unfreie Kirche, und der Prozeß gegen die Kirche läuft noch. Keiner kann sagen, wann und wie dieser Prozeß zu Ende geht, ob es bald ist oder erst in Jahren, ob er mit einem Freispruch oder mit dem Todesurteil endet. Wer will das mit Sicherheit sagen[,] und wer kann wissen, was darüber aus den Menschenkindern wird, denen die Kirche die eine rettende Botschaft von dem Herrn Jesus Christus schuldig ist?“105
Man erkennt, wie hier die Predigt den biblischen Predigttext vergegenwärtigt und dadurch zur prophetischen Zeitansage wird: Der Prediger deckt auf, was jetzt an der Zeit ist; er ‚sieht‘ die Gemeinde in derselben Situation wie den gefangenen Paulus. Was vier Wochen zuvor in Lübeck geschah, wird zum Zeugnis für die Gefangenschaft der Kirche: Auf Beschluss des Lübecker Kirchenrats waren alle Lübecker Pastoren, die der Bekennenden Kirche angehörten, zum 1. Januar 1937 ohne Ruhegehalt aus dem kirchlichen Dienst entlassen worden. Am 31. Dezember 1936 hatte die Gestapo bereits über diese Pastoren Hausarrest verhängt; einer von ihnen wurde des Landes verwiesen. Der Reichskirchenausschuss der Deutschen Evangelischen Kirchen (DEK) hatte dagegen vergeblich protestiert.106
Thomas Mann bekam später in den USA Niemöllers letzte Dahlemer Predigten in die Hand. Er bekennt, er habe diese Predigten mit Ergriffenheit und Erschütterung gelesen. In Niemöller sei das Evangelium unmittelbar zum Ereignis geworden. Selbst beim Lesen wirkten seine Predigten so stark, dass man sich ihrer Radikalität nicht entziehen konnte. Bewegt von „ehrlicher Bewunderung“, beschreibt der Schriftsteller, was den Dahlemer Prediger des Evangeliums nolens volens zur politischen Figur macht:
„Er hatte gegen die Vergottung des Staates – und was für eines Staates! – geistige Verwahrung eingelegt. Und er hatte erklärt: ‚Wir wollen ohne Murren der Welt geben, was ihr gehört. Aber wenn die Welt fordert, was Gottes ist, dann müssen wir mannhaft Widerstand leisten, daß wir ihr nicht geben, was Gottes ist, und um des Wohllebens in der Fremde willen unsere Heimat verlieren.‘ Das und vieles andere dergleichen, was man in diesen Predigten nachlesen mag, war ‚politische Agitation‘ – ohne Zweifel. Es wird nämlich jeder, der ein Menschenherz in der Brust hat, zum politischen Agitator, wenn eine Kreatur wie Hitler zur Macht gelangt – wie denn nicht ein christlicher Prediger? Nimm an, du hättest den Beruf des Theologen, des Seelsorgers und des Verkünders von Gottes Wort ergriffen, wärst ein Kanzelredner geworden, den Liebe und Glaube inspirieren, und an dessen Lippen viele tausend schlichte Seelen hängen. Die Politik ist dir fremd, sie ist keineswegs dein Feld, denn sie ist ‚die Welt‘, als deine Heimat aber empfindest du das Geistige und Ewige. Nimm also an, du wärest ein rein religiöser Mensch, der ganz bereit ist, ‚dem Kaiser‘ zu geben, was ‚des Kaisers‘ ist, aber dessen eigentliche Anliegen Gott, Sünde, Erlösung, Tod und Ewigkeit sind. Und nun nimm an, es stellte sich ein Schurke auf mit Weiberhänden und der Stimme eines bösen, bissigen Kettenhundes und brüllte unter großem Zulauf: ‚Staat und Volk sind Gott, und ich bin Volk und Staat, folglich bin ich Gott!‘ – Nicht wahr, da müßtest du widersprechen – und im Nu wärst du ein politischer Agitator. Das wäre ganz unvermeidlich, und schuld daran wärest freilich nicht du, sondern jener Schurke, doch unvermeidlich wäre es. Grenze und Unterschied zwischen Religion und Politik wären plötzlich aufgehoben. Eben noch nur ein populärer Prediger, wärest du von heut auf morgen, du wüßtest nicht, wie, zur politischen Figur und deine Kirche zu einem Zentrum der politischen Opposition geworden. So erging es Pastor Niemöller.“107
Seit dem Frühjahr 1937 nannte auch Niemöller in den Dahlemer Gottesdiensten die Namen der verhafteten Mitglieder der BK und nahm sie in die Fürbitten auf. „Behördenwillkür, Repressalien, Verhaftungen, propagandistische Verzerrungen durch gleichgeschaltete Kirchenbehörden [waren] trauriger Alltag für die BK“.108 Durch den „Maulkorberlass“ von Reichsbischof Müller war es streng untersagt, von solchen Ereignissen im Gottesdienst zu berichten, ebenso war die Bekanntgabe der Kirchenaustritte von der Kanzel verboten – die BK setzte sich trotzdem immer wieder über diese Vorschriften hinweg, was für erneute Verhaftungen sorgte.
Besonders eindrücklich muss eine Ansprache gewesen sein, die von der Anklage beim späteren Prozess als belastendes Indiz angeführt wird. Niemöller beschreibt darin die kirchliche Situation in Bildern einer ‚belagerten Gottesstadt‘.109 Weder das Manuskript noch eine wörtliche Mitschrift haben sich erhalten. Wir wissen vom Inhalt nur durch Gestapoberichte und eine Nachschrift, in der Niemöller selbst nach Notizen den Text rekapitulierte.
In sprechender Analogie zu dem biblischen Bericht 2. Chronik 32,1ff über die Belagerung Jerusalems durch den assyrischen König Sanherib schildert er in seinem Vortrag „Die belagerte Gottesstadt“, wie sich „der eiserne Ring um die Kirche“ geschlossen habe. Am 13. Februar 1937 sei „der Feind aus dem Graben herausgekommen“ und habe die Ziele der Belagerung bekanntgegeben. Das bezog sich auf die von Kirchenminister Kerrl angekündigten Kirchenwahlen. Zwei Tage nach dieser Ankündigung hatte ein Erlass Hitlers Wahlen für eine Generalsynode der DEK festgesetzt und damit massiv in die kirchliche Eigenständigkeit eingegriffen. Laut Niemöller sollten die Fundamente der Kirche, das Bekenntnis zu Jesus Christus, „ausgegraben und zerbrochen und als Trümmerstücke über das Feld zerstreut werden“. Danach sollte auf dem Boden der Gottesstadt ein heidnischer Tempel aus den Bausteinen der nationalsozialistischen Ideologie errichtet und das Volk Gottes in die „Gefangenschaft“, unter die Herrschaft des Staates geführt werden. Verhaftungen und Einschränkungen der Wahlvorbereitungen ließen erkennen, dass der Feind „nach wie vor … vor den Toren“ stehe. Er „treibt seine Gräben vor, bringt seine Geschütze in Stellung und tut, was er tun kann, um die Stadt fester zu umschließen“. Zugleich sende er „Spione“ und „Unterhändler“ wie den Thüringer Bischof Sasse, der die „Übergabe der Festung an den Feind“ proklamiert habe. Die Bevölkerung der Gottesstadt dürfe sich aber durch solche „Brieftaubenpost“ nicht irreführen lassen. Sie müsse sich mit dem „Schwert des Geistes“ wappnen, sich um die „Hauptleute“ scharen und die zerbrochenen Mauern befestigen. Zuletzt appelliert Niemöller an die Gemeindeglieder, sich der Bekenntnisgemeinde anzuschließen, die mit Unterzeichnung der „roten Karte“ (dem Mitgliedsausweis der BK) übernommenen Verpflichtungen ernst zu nehmen und „den Worten des Königs“ zu vertrauen.
Mit dieser Auslegung des biblischen Berichts machte Niemöller die Ereignisse um den Wahlerlass Adolf Hitlers vom 15. Februar 1937 als aktuelle Geschichte des ‚Gottesvolkes‘ in der ‚Welt‘ transparent. Für die christliche Gemeinde wird drastisch verdeutlicht, in welcher Lage sie sich befindet, was jetzt mit ihr geschieht und wie sie sich wehren kann. Die militärische Bildersprache ermöglicht, die Hörer mit „einer auch in den Predigten Niemöllers einzigartigen Schlagkraft“110 für den Kampf um das Kirchenregiment zu rüsten. Da er Vorgänge der staatlichen Kirchenpolitik im Licht eines Bibeltextes deutete und kritisch beleuchtete, kann man seine Ansprache auch als politische Predigt bezeichnen.
Niemöller hielt den Vortrag „Die belagerte Gottesstadt“ auf Gemeindeabenden und Wahlkundgebungen u.a. in Dielingen/Westfalen (14.3.), Wuppertal (24.3.), Berlin-Neukölln (1.4.), der Frankfurter Paulskirche (4.4.), Moabit (4.5.) und Zehlendorf (7.5.), ferner in Stuttgart, Minden und Levern.111
Am 19. Juni 1937 predigte Niemöller zum vorletzten Mal vor seiner Verhaftung über Jesu Wort aus der Bergpredigt „Ihr seid das Salz der Erde und das Licht der Welt“. Zu Anfang liest er alle vor, die in Haft sitzen, 72 Namen derer, die um des Evangeliums willen gefangen sind. Sie werden der Fürbitte anempfohlen. Der Prediger schärft das Ohr der Gemeinde für das Evangelium. Die Worte Jesu leuchteten ohne Kommentar. Christen sollen ihr Licht nicht verstecken, sagt Niemöller. So predigt einer, der keine Scheu hat vor weltlichen Pressionen. Dabei schweben zahlreiche Gerichtsverfahren gegen ihn. Er weiß, dass der Berliner Staatsanwalt belastendes Material gegen ihn sammelt, und rechnet täglich damit, verhaftet zu werden.
Niemöller hatte in seiner Predigt die Gültigkeit der Zusagen Hitlers an die Kirche angezweifelt. Ein Überwachungsbeamter kommentierte: „Zusammenfassend kann und muß gesagt werden, daß die Ausführungen des N. nichts mehr mit Gottesdienst noch mit einer religiösen Predigt zu tun hatten. Die Predigt von Niemöller war eine einzige Beschimpfung des Führers, dem er wiederholt in versteckter Form vorwarf, sein feierlich gegebenes Ehrenwort gebrochen zu haben … Es dürfte daher bei Pfarrer Niemöller höchste Zeit sein, einem derartigen Volksschädling das Handwerk zu legen, da ein Mann wie N. durch seine aufreizenden Predigten eine ernste und dauernde Gefahr für das Deutsche Volk ist.“112
Die letzte Predigt vor seiner Verhaftung hält er am 27. Juni 1937 in der Jesus-Christus-Kirche in Berlin-Dahlem. Sie lässt erkennen, wie Niemöller in seinen Aussagen über den Staat immer stärker das Moment des äußersten Konfliktfalls gewichtet, in dem staatsbürgerlicher Gehorsam seine Grenze hat.113 In seiner Predigt vom 3. Februar 1935 über Römer 13,1–10 hatte er das Verhältnis zum Staat noch so bestimmt, dass nur gegenüber Forderungen, die gegen Gottes Gebote verstoßen, ein Recht auf passiven Widerstand bestünde. Im Übrigen sei christlicher Glaube aber mit einer staatstreuen Gesinnung verbunden. Nach dem Muster von Luthers Schrift „Von weltlicher Obrigkeit“ begreift Niemöller den Staat als obrigkeitliche Herrschaft, die „ihre Würde unmittelbar von Gott“ hat, und spricht dem Staatsbürger als ‚Untertan‘ das Recht ab, die Obrigkeit zur Rechenschaft zu ziehen.114
Am 27. Juni 1937 sagte er: „Wir denken ebenso wenig wie die Apostel und hoffen ebenso wenig wie sie, uns dem Zugriff der Obrigkeit eigenmächtig zu entziehen; allerdings sind wir ebenso wenig wie sie dazu bereit, auf menschliche Anordnung hin das zu verschweigen, was der Herr, unser Gott, uns zu sagen gebietet. Denn es bleibt dabei und wird dabei bleiben, solange die Welt steht: ‚Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen!‘“ Mit diesem Wort aus der Apostelgeschichte (Apg 5,29) begründeten Pfarrer und Gemeinden der Bekennenden Kirche seit dem Altonaer Bekenntnis (1933) ihren Widerstand gegenüber staatlicher Willkür. Am 11. Januar 1933 hatten 21 lutherische Pastoren in der Altonaer Hauptkirche und der Petrikirche mit einer Kanzelabkündigung zum politischen Extremismus Stellung genommen, nachdem sich Kommunisten und Nationalsozialisten am 21. Juli 1932 in Altona eine blutige Straßenschlacht geliefert hatten. In Artikel 3 (Vom Staate) ihres Bekenntnisses erklärten die Verfasser: „Wenn aber der Fall eintritt, dass die Obrigkeit selbst wider ‚der Stadt Bestes‘ handelt, dann muss jeder entscheiden, wann der Augenblick gekommen ist, wo man Gott mehr gehorchen muss als dem Menschen.“115 Hier wurde mit einer klassischen Stelle des Augsburger Bekenntnisses von 1530 aktuell das Recht zum politischen Widerstand begründet.116
Niemöller predigt als leidender Zeuge einer verfolgten Kirche. Er mutet der Gemeinde die Erkenntnis zu, dass sie in der Nachfolge des Gekreuzigten „Leiden und Schmach“ zu tragen hat. Die Botschaft vom Kreuz werde unabhängig von Erfolg oder Misserfolg gepredigt und schließe jede Neutralität aus. „Wer sich nicht im Glauben für diesen Herrn entscheidet, wenn ihm das Wort vom Kreuz gesagt wird, der entscheidet sich gegen ihn, auch da, wo er meint, sich noch garnicht entschieden und festgelegt zu haben.“117 Unüberhörbar ist ein resignativer Ton in der Predigt, wenn Niemöller angesichts der Bedrängnis durch das „Trommelfeuer des Versuchers“ erklärt: „ich sage, wer das wirklich mit durchleidet, der ist nicht weit mehr von jenem Wort des Propheten (gemeint ist der Prophet Elia, MH), der spräche am liebsten: ‚Es ist genug …, so nimm nun Herr, meine Seele!‘ [1 Kön 19,4].“118 Es scheint, als sei nun der Moment gekommen, vor dem er sich bereits in seiner Antrittspredigt fürchtete: Seine Kraft ist verbraucht.