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6. Ein deutscher Patriot wirbt für das Christentum

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Als er 1931 in den Berliner Villenvorort Dahlem berufen wurde, war Niemöller noch ganz und gar nationalkonservativ. Mit zahllosen evangelischen Christen begrüßte er die politische Wende zum ‚Dritten Reich‘ im Jahre 1933, weil er der Überzeugung war, dass nun endlich die nationalen, konservativen und christlichen Überzeugungen in Deutschland wiederhergestellt würden. Aus dieser Einstellung heraus schrieb er auch seine Erinnerungen nieder, die im Herbst 1934 unter dem Titel „Vom U-Boot zur Kanzel“ erschienen und sich glänzend verkauften. Mehr als 90.000 Exemplare wurden gedruckt. Das Buch war in Deutschland noch erhältlich, als Niemöller bereits im KZ gefangen saß. Erst im September 1940 wurde es von Propagandaminister Goebbels verboten!156

Auf Wunsch seines Verlegers hin, aber auch veranlasst durch das Drängen von Freunden und Bekannten, hatte Niemöller sich zu einem längeren Urlaub im Seebad Zinnowitz auf der Insel Usedom zurückgezogen, um sein Erinnerungsbuch zu schreiben, „ein sehr verspätetes Stück Weltkriegsliteratur“, wie er selbst es charakterisierte.157 „Vom U-Boot zur Kanzel“ lässt über weite Strecken den Krieg wie ein sportliches Abenteuer erscheinen und ist von deutschnationalen Tönen erfüllt. Das hat dem Buch schon bald nach seinem Erscheinen Kritik eingetragen. Die Londoner „Times“ vermerkt im Dezember 1936, auf dem Höhepunkt des deutschen Kirchenkampfes, es sei „schwer, bei Herrn Niemöller irgendwelche Anzeichen der Berufung zum Pfarrer zu entdecken“. In seinem Buch sei kaum christliche Demut zu spüren, „überhaupt nichts hören wir von dem Gebet, nichts von Trost und Hilfe, die anderen gebracht wurden“.158 Wer die Autobiographie mit der Erwartung las, schon im Marinesoldaten die Züge eines Seelsorgers zu finden, musste enttäuscht werden. Mit wachsendem Zeitabstand hat sich die kritische Haltung gegenüber der kriegerischen Selbstdarstellung ihres Autors noch verstärkt.159

Übersehen wird dabei der unmittelbare deutsche Kontext, in dem die ersten Leser Niemöllers Erinnerungen rezipierten. „Damals wurde in den Schulen, der Hitlerjugend, in den Büchern, in der Musik der Jugend der heldische Mensch als Leitbild eingeprägt. Zugleich wurden mit allen Mitteln der Propaganda Kirche und Christentum als verächtlich, artfremd und minderwertig dargestellt. Für diese Welt muß man dieses Buch werten. Hier lasen junge Leute so spannend, wie Kirche sonst nicht ist, daß ihr Traum, im U-Boot zu fahren, vereinbar war mit christlichem Glauben. Hier wurde beschrieben, daß evangelischer Glaube im Gegensatz zur allgegenwärtigen Behauptung der Propaganda Menschen in Stand setzte, sich in Gefahren als Mann zu bewähren. Hier fanden Jugendliche auch, daß Heldentum dazu führen kann, auf Jesus Christus zu hören. Das Beispiel des Wegs eines anerkannten Helden des Ersten Weltkrieges ins Pfarramt hat damals unter der Jugend mehr Verständnis für den Glauben verbreitet als die für Jugendliche weniger anziehenden Gottesdienste oder die theologischen Erklärungen der Bekenntnissynoden.“160 Dazu muss man wissen: Niemöller war in den ersten Dahlemer Jahren für kirchliche Jugendarbeit zuständig und sowohl im Landesverband II wie in der Reichsleitung der Schülerbibelkreise aktiv.161

Martin Niemöller

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