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1.Fiktivkaufmann (§ 5 HGB)

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Im Fall 3 hat L die Bürgschaftserklärung gegenüber V nur per E-Mail und mithin nicht in der nach § 766 Satz 1 BGB grundsätzlich einzuhaltenden Schriftform des § 126 Abs. 1 BGB abgegeben. Möglicherweise war die Schriftform jedoch gem. § 350 HGB entbehrlich. Dies setzt voraus, dass die Bürgschaft für den Bürgen L ein Handelsgeschäft i. S. d. § 343 Abs. 1 HGB ist, was wiederum voraussetzt, dass L Kaufmann ist.

57Nach § 2 Satz 1 HGB gilt ein Unternehmen, das nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 HGB erfüllt, gleichwohl als Handelsgewerbe und sein Inhaber damit als Kaufmann, wenn die Firma des Unternehmens in das Handelsregister eingetragen ist (Kann-Kaufmann, s. dazu Rn. 46 ff.). Voraussetzung für die Anwendung des § 2 HGB ist aber stets das Vorliegen eines gewerblichen Unternehmens (s. § 2 Satz 1 HGB); der Inhaber eines nichtgewerblichen, etwa eines freiberuflichen oder eines künstlerischen Unternehmens, kann also auch nach § 2 Satz 1 HGB nicht Kaufmann sein (s. Rn. 47).

58Auch § 5 HGB regelt den Fall, dass für ein Unternehmen eine Firma im Handelsregister eingetragen ist, und bestimmt, dass demjenigen, der sich auf die Handelsregistereintragung beruft, nicht entgegengehalten werden kann, dass das betreffende Unternehmen kein Handelsgewerbe sei. Auch nach § 5 HGB gilt derjenige, der im Handelsregister eingetragen ist, also als Kaufmann (sog. Fiktivkaufmann). Auf die Handelsregistereintragung kann sich im Rahmen des § 5 HGB nicht nur ein Dritter, sondern auch der Eingetragene selbst berufen, so dass die Vorschrift sowohl zugunsten als auch zulasten des Eingetragenen wirkt.93 Auf die Gut- oder Bösgläubigkeit des Dritten, der sich auf die Handelsregistereintragung beruft, kommt es bei § 5 HGB – anders als bei § 15 Abs. 1 HGB (dazu u. Rn. 63 f.) sowie nach den Regeln über den Scheinkaufmann (dazu u. Rn. 65 ff.) – nicht an.94

59§ 5 HGB ist ohne Rücksicht darauf anwendbar, ob von demjenigen, der sich auf die Eintragung beruft, tatsächlich Einsicht in das Handelsregister genommen worden ist. Allerdings knüpft § 5 HGB an die zumindest abstrakte Möglichkeit einer Einsichtnahme in das Handelsregister und deren – ebenfalls abstrakte – Kausalität für das anschließende Verhalten der betreffenden Person im Rechtsverkehr an. Eine solche abstrakte Kausalität der Einsichtnahme in das Handelsregister für das Verhalten im Rechtsverkehr ist aber von vornherein nur im rechtsgeschäftlichen Bereich denkbar, nicht dagegen im Bereich deliktischer oder sonstiger gesetzlicher Haftungstatbestände, die keinen Bezug zum rechtsgeschäftlichen Verkehr haben, etwa im Falle eines Unfalls im Straßenverkehr. Zu Recht beschränkt die h. M. den sachlichen Anwendungsbereich des § 5 HGB daher auf – vertragliche und gesetzliche – Ansprüche, die im Zusammenhang mit dem rechtsgeschäftlichen Verkehr stehen.95

60Aufgrund der Parallelen, die § 2 HGB einerseits und § 5 HGB andererseits sowohl hinsichtlich des Tatbestands (Eintragung im Handelsregister) als auch hinsichtlich der Rechtsfolgen (Behandlung des Eingetragenen als Kaufmann) aufweisen, nimmt die wohl h. M. an, dass § 5 HGB neben der durch das Handelsrechtsreformgesetz von 199896 neu gefassten Vorschrift des § 2 HGB keinen eigenen Anwendungsbereich mehr habe und daher überflüssig sei.97 Dabei geht die h. M. davon aus, dass § 5 HGB – ebenso wie § 2 HGB – voraussetzt, dass ein Gewerbe betrieben wird;98 nach der h. M. wird ein nichtgewerbliches Unternehmen also weder von § 2 HGB noch von § 5 HGB erfasst.

61Dagegen will K. Schmidt § 5 HGB auch dann anwenden, wenn ein nichtgewerbliches – etwa freiberufliches oder künstlerisches – Unternehmen im Handelsregister eingetragen ist.99 Eine weitere Ansicht verlangt zwar auch für § 5 HGB ein gewerbliches Unternehmen, schreibt der Vorschrift aber insofern einen eigenen Anwendungsbereich zu, als § 5 HGB im Unterschied zu § 2 HGB auch dann eingreife, wenn der Handelsregistereintragung keine wirksame Anmeldung zugrunde liege oder ein Handelsgewerbe i. S. d. § 1 HGB nach der Handelsregistereintragung zu einem Kleingewerbe i. S. d. § 1 Abs. 2 Halbs. 2 HGB absinke.100

62Die letztere Auffassung erscheint vorzugswürdig. Wie dargelegt wurde (s. Rn. 47), ist für § 2 HGB zu fordern, dass der Handelsregistereintragung eine wirksame Anmeldung des Unternehmensinhabers zugrunde liegt. Denn § 2 HGB setzt implizit voraus, dass der Inhaber eines kleingewerblichen Unternehmens willentlich von der ihm eingeräumten Eintragungsoption Gebrauch gemacht hat. Demgegenüber knüpft § 5 HGB gerade nicht an eine willentliche Entscheidung des Unternehmensinhabers an und erfasst damit auch jene Fälle, in denen die Firma des Unternehmens ohne wirksame Anmeldung des Inhabers im Handelsregister eingetragen worden ist. Insoweit hat § 5 HGB also durchaus einen eigenen Anwendungsbereich. Demgegenüber widerspräche es der bewussten Entscheidung des Gesetzgebers, die Kaufmannseigenschaft bei natürlichen Personen auf gewerbliche Unternehmer zu beschränken, wenn man § 5 HGB mit K. Schmidt auch auf nichtgewerbliche Unternehmer anwenden würde. Auch § 5 HGB kann daher nur eingreifen, wenn das eingetragene Unternehmen überhaupt ein Gewerbe darstellt.

Im Fall 3 ist L zwar nach wie vor mit seiner Firma im Handelsregister eingetragen. Allerdings betreibt L jetzt kein Bestattungsinstitut und damit kein Gewerbe i. S. d. § 1 HGB mehr, sondern geht der Bildhauerei und damit einer künstlerischen Tätigkeit nach, die vom Gewerbebegriff des § 1 HGB nicht erfasst wird (s. Rn. 34 ff.). Mangels gewerblichen Unternehmens ist daher § 2 HGB und nach h. M. auch § 5 HGB nicht anwendbar. Möglicherweise muss L sich aber nach § 15 Abs. 1 HGB als Kaufmann behandeln lassen.

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