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15. Kapitel

Wir finden die Fassung wieder

Die jetzt netten Soldaten bringen uns zum Grillplatz zurück. Hier sind wir wieder unter uns. Der Hund hat den Grill leer gefressen, liegt zufrieden im Schatten und wedelt mit dem Schwanz. Der Mann von Frau Notvertrete möchte eine Erklärung, er habe nichts verstanden. Echt-Natron senkt den Kopf, hebt die Hand und bedeutet ihm Schweigen. Keiner soll jetzt irgendetwas Sinnloses sagen. Stille ist jetzt angesagt, fühlen wir alle. Der Hund hält sich bereits daran, selbst sein Schwanz wedelt nun nicht mehr. Wir genießen den Moment der entspannenden Ruhe.

Vor Jahren hatte ich mir ein Pulvergemisch aus Mandragora, Schlafmohn, ägyptischem Bilsenkraut und getrocknetem Stechapfel in die Nase gezogen. Ein windiger Typ einer Installationsfirma hatte mir das Gemisch geschenkt, um seine Firma bei meinen weiteren Projekten in guter Erinnerung zu behalten. Nun, in Erinnerung ist mir geblieben, dass meine Sinne schwerelos in alle Richtungen davonflogen. Alles wurde heller und farbiger. Ein angenehmer Singsang lag in der milden süßlichen Luft. Die an mir vorbeifahrenden Streitwagen hatten keine Räder, sondern Kufen, so wie die üblichen Transportschlitten für Schwerlasttransporte auf den Baustellen Ägyptens. Sie schwebten alle in der Luft. Die Streitwagenlenker waren mit dicken roten Mänteln und Mützen bekleidet. Lange weiße Bärte wehten im Fahrtwind in ihren Gesichtern. Sie schwangen Peitschen, trieben damit seltsame Pferde mit stark verzweigten Hörnen an und riefen immerzu „Hohoho Hoho“. An manchen Streitwagen hingen am Ende der Kufen kleine weiße durchsichtige Kinder mit Flügeln, die sich offensichtlich bestens vergnügten. Ihr lautes Lachen vermischte sich mit dem hellen Läuten tausender goldener Glöckchen, die um die Hälse der merkwürdigen Pferde befestigt waren. Es war wundervoll mystisch, verstärkt auch durch musikähnliche langgezogene Tonreihen, die man nur mit Fausthandschuhen spielen kann. Dann wurde mir übel, ich musste mich übergeben. Mein Hausschamane erklärte mir später auf Nachfrage meinen Zustand. Die eingenommenen Substanzen würden sich mit meinem Blut vermischen und im Hirn rauschähnliche Bilder hervorbringen, die in meinem Unterbewusstsein durch Erfahrung und Charakter fest gespeichert sind. Er ergänzte, dass derartige Erlebnisse meist freudlos auftraten. Wie auch immer, ich hatte damals das Gefühl, dass dieser Rausch nach Abklingen der Übelkeit kein Gift war, sondern ein Geschenk.

Genau jetzt befinde ich mich in einem ähnlichen Zustand. Trancehaft sinniere ich über die wesentlichen Aspekte der sich überstürzenden Ereignisse. In der Tat, es soll ein Grabsteinhaufen in Form einer Pyramide entstehen. Der Pharao lässt uns nicht hinrichten, sondern lädt uns zu einem Spiel ein. Das ist irre. Aber, dass Schi Tot wieder im Lande ist und ich davon so nebenbei erfahre, beginnt mich ein wenig zu erzürnen. Der Wesir schilderte mit überschwänglicher Begeisterung, sie sei wie ein Pfau in den Pharaopalast stolziert, hätte sich künstlich drapiert, um die Augen der Männer zu verdrehen. Sie hat sich in listiger Absicht verstellt und verleugnet. Doch halt, vielleicht hat sie auch unser Leben oder zumindest unsere Reputation gerettet? Ich bin viel zu durcheinander, um einen klaren Gedanken zu fassen. Ich möchte jetzt gleich zu ihr. Ich will erfahren, was passiert ist. Ich frage Echt-Natron, ob ich gehen darf, ich hätte eine für mich wichtige Angelegenheit zu klären. Echt-Natron lacht mich an und ermutigt mich: „Ja geh zu Schi Tot, umarme und herze sie. Schließlich verdanken wir ihr alle, dass wir mit einem Schlag keine Baukostenprobleme mehr haben. Sie ist großartig“.

Starken Schrittes und fest entschlossen erreiche ich Echt-Natrons Wassergrundstückseingang. Ein Streitwagen fährt vor, obwohl ich keinen bestellt habe. Der Lenker steigt aus und fragt mich, ob ich wüsste, wo die Bauleute zu finden wäre. Er könne sich an mich wenden, ich gehöre dazu, teile ich ihm mit. Der Streitwagenlenker stellt sich vor. Sein Name ist Tack Si, eigentlich müsste ich ihn kennen. Belustigt fragt er nach, ob wir ausgenüchtert wären. Er erinnere sich an ein abendliches Gelage in der Tanzbar. Er hätte uns alle nacheinander nach Hause gefahren und obskure Dinge zu Bestattungsritualen im Todesfalle des Cheops vernommen. Auf diese Weise hat Tack Si erfahren, wie pietätlos wir Totenzeremonien erfanden und uns dabei vor Lachen bogen. Nachdem er uns alle zu Hause abgeliefert hatte, begann ihn sein schlechtes Gewissen zu plagen, denn er hatte den Architekten allein in die Dunkelheit torkeln sehen.

Also ist er zurück, den scheinbar Hilflosen suchen zu gehen. Auf einer Bank einer Streitwagenhaltestelle unweit von der Bar hat er ihn ziemlich angeschlagen gefunden und nach Hause gefahren. Unterwegs hat San Rah ihm das Versprechen abgenommen, dafür zu sorgen, dass er die gleiche Bestattung bekäme wie sein Pharao mit dem geplanten Wüstenwürfel. Schließlich hätte sein Kollege Imhotep, zwar etwas bescheidener als sein Herrscher, eben auch eine prunkvolle letzte Ruhestätte erhalten.

Als Angestellter der königlichen Fahrbereitschaft fühlte sich Tack Si verpflichtet, die Eingebungen der betrunkenen Bauleute seiner Dienststelle zu melden. Über die herkömmlichen Kanäle in der Beamtenhierarchie wurde auch Cheops informiert. Der Lenker erlebte am eigenen Leib, dass Cheops nach dieser Information ausnehmend gute Laune bekam und in Erwägung zog, dass der Wüstenwürfel als seine Grabstätte gebaut werden soll. Ebenso erfuhr der Lenker, dass die betrunkenen Bauleute ob dieser Nutzungsidee reich beschenkt werden sollen. Stünde ihm nicht als einfacher Angestellter auch ein Anteil der Beschenkung zu? Das Stückchen Kuchen aus der königlichen Küche als Belohnung für seinen inoffiziellen Mitarbeiterbericht stellte nun wahrlich kein Äquivalent seiner Treue zum Arbeitgeber dar. Denn ohne seine Indiskretion käme auch kein Reichtum zu den Bauleuten. Tack Si grinst verlegen, faltet seine Hände symbolisch für den Geldempfang und murmelt die fast schon philosophischen Worte: „Gelderwerb kenne bekanntlich kein schlechtes Gewissen“. Erleichtert ist mir sofort klar geworden, dass in unserer Gruppe kein Maulwurf tätig war. Das ist eine gute Nachricht. Trotzdem bin ich hin und her gerissen. Einerseits hat Tack Si mit der Weitergabe der Information eine glückliche Projektwendung initiiert. Anderseits, grenzt seine Forderung nicht an Erpressung? Als ich ihn moralisch mit seinem Ansinnen konfrontiere, schaue ich in ein enttäuschtes Gesicht. Ich stelle in Aussicht, dass wir seine Dienste anderweitig honorieren werden. Denunziation jedoch würden wir nicht dulden. Scherzhaft füge ich noch den Vorschlag hinzu, Tack Si solle einen Erpresserlehrgang besuchen. Seine Vorgehensweise stellt für uns keine Drucksituation dar. Sein amateurhaftes Verhalten ist einfach nur lächerlich. Ich biete Tack Si an, mich sofort nach Memphis zu bringen. Das wäre dann ein Teil der Wiedergutmachung. Er willigt verunsichert ein und wir brausen los.

Das große Hochstapeln

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