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5. Kapitel

Die Handlung springt auf eine andere, auf eine höhere Ebene

Albert trinkt seinen Kaffee aus und überlegt, ob er das kleine Makronenstückchen nicht besser auf der Untertasse liegen lassen soll. Seine Blutwerte sind derzeit nicht die besten. Jedes Mal, wenn er mit den von ihm so sehr geliebten Süßigkeiten konfrontiert wird, muss er sich quälen, der Verlockung standzuhalten. Am schwierigsten ist es, Disziplin zu bewahren, wenn selbstgebackene Plätzchen im Angebot sind. Diese liebt er abgöttisch. Dennoch schafft er es heute, das Gebäckstück liegen zulassen, denn er muss eilig zu einem wichtigen Termin in die Bevollmächtigtenkammer. Die Flugbereitschaft der hohen Ebene stellt ihm pünktlich eine Kabine zum Erreichen des Tagungsortes zu Verfügung.

Der Plenarsaal für den Sitzungstermin des Fachausschusses für Erdenangelegenheiten füllt sich allmählich. Alle Bevollmächtigten sollen heute erscheinen. Keine Ausnahmen werden gestattet, denn die Konferenz zu außerordentlichen Entwicklungsfragen der Erdenbewohner wurde von höchster Stelle, nämlich von der Zentrale, direkt und kategorisch angewiesen. Alle sind gespannt, denn derartige Veranstaltungen sind eher selten. Es geht um den Planeten Erde, dessen Bewohner der höheren Entwicklungskategorie immer wieder auf der hohen Ebene für Aufregung sorgen. Die zweibeinige aufrechtgehende Spezies, die sich im evolutionären Wettbewerb mit diversen zellteilenden Konkurrenten durchgesetzt hat, sorgt durch meist unverständliches und sinnloses Tun immer wieder für Kopfschütteln. Der Betreuungsaufwand der Mitarbeiter des zuständigen Fachausschusses für die Erdenbewohner ist immens hoch und wird schon teilweise von der Zentrale kritisch hinterfragt. Normal finden die Besprechungen zum Thema Planet Erde in einem 100-Erdenjahre-Rhythmus statt. Doch derzeit lassen die jüngsten Entwicklungen in Ägypten die Einhaltung dieses normalen Abstandes nicht zu.

Albert hat neben seinem Freund Claudius Platz genommen. Sie begrüßen sich herzlich und erkundigen sich gegenseitig nach ihrem Favoriten beim demnächst anstehenden Talentwettbewerb „Fachausschuss sucht den Superstar“. Claudius berichtet kurz über den Verlauf seines Vorbereitungslehrganges, den er vergangene Woche erfolgreich abschließen konnte. Er soll als Mathematiker im neuen ägyptischen Reich in der Stadt Alexandria erscheinen und eine weitreichende weltbildlich-kosmologische These aufstellen. Diese These entspricht zwar nicht der Realität, aber sie entspricht dem Vorstellungsvermögen der Erdenbewohner in diesem Entwicklungsstadium. Sein Deckname für die Erdmission soll Ptolemäus sein. Claudius soll behaupten, dass die Erde eine Scheibe ist. Nicht, dass die Erde eine Scheibe hat, wie er im Lehrgang einmal witzelte. Mit dieser These soll er den Erdenbewohnern ein stabiles astronomisches und religiöses Fundament ihrer Weltanschauung geben. Zunächst sollen die Erdenbewohner sich im Zentrum der Welt wähnen. Dies wird ihr Selbstbewusstsein stärken. Dann sollen später Pioniere mit Entdeckergeist auf den Plan treten, die es wagen werden, dieses Weltbild vom Kosmos in Frage zu stellen. Trotz religiöser Verfolgung bis hin zur physischen Vernichtung werden diese Helden des wissenschaftlichen Gewissens der bornierten weltlichen und religiösen Macht die Stirn bieten. Sie werden Geräte und mathematisch physikalische Formeln entwickeln, mit denen sie beginnen können, das Universum mit neuen, anderen Augen zu betrachten. Das ist dann der Moment, wo Albert seinen Auftritt auf der Erde hat.

Albert ist im Fachausschuss anerkannter Experte für das Relativieren von Zuständen. Nur seine Frau, die ständig durch diese Fähigkeit ihres Mannes ihre Ehe gefährdet sieht, kann diesem Talent nichts abgewinnen. Albert ist im Fachausschuss sehr beliebt, auch weil er bescheiden ist. Er ist auserkoren, zu einem gegebenen Zeitpunkt mit einer allgemeinen und speziellen Relativitätstheorie das Universum zu begründen. Auf der Suche nach der Weltformel wird er sich zunächst auf ein mathematisch beschreibbares Universum konzentrieren. Das ist zeitgemäß und wird von einem gut ausgebildeten Teil der Erdenbewohner mehr oder weniger auch verstanden. Erkenntnisse über den Urknall, über schwarze Löcher und die kosmische Dynamik und letztlich auch Rückschlüsse auf die Existenz mehrerer Universen würden die Wissenschaftler überfordern und sind für eine spätere Erdenperiode vorgesehen. Das Installieren der strategischen Achse der Missionen von Newton – Einstein – Hawking ist ein geschickter Schachzug der Verantwortlichen in der Zentrale. Selbst die Irrtümer des begnadeten Wissenschaftlers Oppenheimer bei seiner tragischen Rolle bei der Entwicklung von Atomwaffen gehören zur Strategie.


Es wird nun um Aufmerksamkeit gebeten. Albert und Claudius konzentrieren sich auf die Worte des Leiters der außerordentlichen Beratung.

„Verehrte Herrschaften, kurz und knapp gesagt, Cheops hat es nun doch getan“, beginnt der Redner seine Darlegungen. „Alles wurde getan, ihn davon abzuhalten. Es war sinnlos, wir haben es nicht geschafft. Cheops hat nun doch die Aufträge für ein Bauwerk erteilt, welches in Form, in Material und Dimension überhaupt nicht in diese Erdenzeit passt. Lange werden die Erdenbewohner über dieses Bauwerk sinnieren und es nicht verstehen. Er muss verrückt geworden sein, denn die genaue Funktion dieses Würfelmonumentes ist selbst ihm nicht klar. Er will sich höher und gewaltiger als alle seine Vorgänger präsentieren. Nur das ist sein Ziel. Den genauen technischen Weg dahin, kann er selbst nicht beschreiben. Dazu benötigt er die Hilfe von Abenteurern und windigen Fachleuten, die sich einbilden, die Projektaufgabe stemmen zu können. Ein ganzer Schwarm von Schmeichlern in seinen Behörden und in den überdimensioniert geschaffenen Leitungsebenen soll darüber hinaus das Bauvorhaben ideologisch begleiten. Dass das zutiefst unproduktiv ist, wird nicht erkannt, sondern in Kauf genommen“. Als Beleg für seine Selbstzweifel am Gelingen der Baumaßnahme und für die Hinterhältigkeit von Cheops wird den Teilnehmern der Besprechung nun ein Hologramm präsentiert. Mit den neusten und modernsten Methoden der nicht gekrümmten zeitlichen Beeinflussung von Interferenz- und Kohärenzmöglichkeiten von Lichtwellen sehen nun alle klar und deutlich, wie Cheops in seiner Residenz an seiner Bar rumhängt, in sein leeres Cocktailglas grinst und sagt: „Das schaffen die nie“. „Und das schlimmste ist“, fährt der Leiter der Besprechung fort, „es gibt dort Wahnsinnige, die diesen Auftrag angenommen haben. Das kann furchtbar für die Verantwortlichen der Ausführung enden. Ein Scheitern wird Cheops, obwohl er sich nach außen bescheiden gibt, nicht zulassen. Er muss Pharao Djoser in Sakkara, seinen Vater Snofru in Daschur und König Hammurabi in Babel übertrumpfen. Noch größer soll sein Glanz in die Erdenbewohnergeschichte eingehen und zeitlos heller als die Sonne erstrahlen. So sind die Erdenbewohner nun mal gestrickt. Auf ewig. Da kann man nichts machen. Klar ist aber nun auch, dass für die armen Wahnsinnigen etwas getan werden muss“, beendet der Leiter seine Ausführung. Mit deutlicher Mehrheit wird der Vorschlag angenommen, dass Albert der Mission der Rettung des Bauvorhabens und deren Protagonisten vorstehen soll. Der Würfel ist also gefallen. Da keine Debatte angesetzt ist, steht Albert auf und geht allein in sein Büro. Er muss nachdenken. Er hat verstanden.

Das große Hochstapeln

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