Читать книгу Ich nannte ihn Krawatte - Milena Michiko Flasar - Страница 13

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Er aß langsam, kaute jeden Bissen zehn Mal. Er hatte Zeit. Den Eistee schlürfte er in kleinen Schlucken. Auch dabei sah ich ihm zu. Schon fast ohne Verwunderung über mich selbst. Denn damals ertrug ich es kaum, einem andern beim Essen und Trinken zuzusehen. Er jedoch tat es mit solcher Behutsamkeit, dass ich darüber meine Übelkeit vergaß. Oder wie soll ich es beschreiben: Er tat es in vollstem Bewusstsein dessen, was er tat, und dies machte aus einem alltäglichen Akt wie diesem einen bedeutsamen. Jedes einzelne Reiskorn nahm er in sich auf, brachte sich ihm gleichermaßen dar, mit einem dankbaren Lächeln.

Bei jedem anderen wäre ich auf und davon gelaufen, hätte das Mahlen des Kiefers für eine Bedrohung, das Malmen der Zähne für eine Gefahr gehalten. Ich fand es ungeheuerlich, wie eins ums andere in den Mund hinein und hinunter in die Gedärme rutschte. Ich selbst schlang, ohne nachzudenken. Der innere Zwang, mich zu erhalten, mich trotz allem zu erhalten, war mir ein Rätsel, dem auf den Grund zu gehen ich sorgsam unterließ. Besser nicht nachdenken darüber.

Sobald er fertiggegessen hatte, war er wieder ein gewöhnlicher Salaryman. Er schlug die Zeitung auf, las den Sportteil zuerst. Die Giants*, fett gedruckt, hatten einen triumphalen Sieg davongetragen. Zustimmend nickte er, während er mit dem Finger die Zeilen entlangfuhr. Ein Ring. Er war also verheiratet. Ein verheirateter Giants-Fan. Wieder zündete er sich eine Zigarette an. Danach noch eine und noch eine, der Qualm hüllte ihn ein.

Ich nannte ihn Krawatte

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