Читать книгу Ich nannte ihn Krawatte - Milena Michiko Flasar - Страница 7

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Es ist unsere Bank, auf der ich sitze. Bevor sie zu unserer wurde, war sie meine gewesen.

Ich kam hierher, um mir darüber klarzuwerden, dass der Riss in der Wand, jener hauchfeine Sprung quer über den Regalen, drinnen wie draußen seine Gültigkeit hat. Zwei ganze Jahre hatte ich damit verbracht ihn anzustarren. Zwei ganze Jahre in meinem Zimmer, im Haus der Eltern. Hinter geschlossenen Augen hatte ich seine gebrochene Linie nachgezeichnet. Sie war in meinem Kopf gewesen, hatte sich darin fortgesetzt, war mir ins Herz und die Adern eingegangen. Ich selbst ein blutleerer Strich. Meine Haut totenbleich, da keine Sonne sie beschien. Manchmal hatte ich Sehnsucht nach ihrer Berührung. Ich stellte mir vor, wie es wäre, nach draußen zu gehen und endlich zu verstehen: Es gibt Räume, die man niemals verlässt.

An einem kalten Februarmorgen gab ich meiner Sehnsucht nach. Durch den Spalt in den Vorhängen konnte ich einen Schwarm Krähen ausmachen. Sie flogen auf und nieder, auf ihren Flügeln die Sonne, sie blendete mich. Einen stechenden Schmerz in den Augen, tastete ich mich die Wände meines Zimmers entlang bis zur Tür, stieß sie auf, zog mir Mantel und Schuhe an, eine Nummer zu klein, ging hinaus auf die Straße und weiter an Häusern und Plätzen vorbei. Trotz der Kälte rann mir der Schweiß von der Stirn und ich empfand eine sonderbare Genugtuung darüber: Ich kann das noch. Ich kann einen Fuß vor den anderen setzen. Ich habe es nicht verlernt. Alle Mühen, es zu verlernen, sind umsonst gewesen.

Ich versuchte nicht, mich zu täuschen. Nach wie vor ging es mir darum, für mich zu sein. Ich wollte niemandem begegnen. Jemandem zu begegnen bedeutet, sich zu verwickeln. Es wird ein unsichtbarer Faden geknüpft. Von Mensch zu Mensch. Lauter Fäden. Kreuz und quer. Jemandem zu begegnen bedeutet, Teil seines Gewebes zu werden, und dies galt es zu vermeiden.

Ich nannte ihn Krawatte

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