Читать книгу Ich nannte ihn Krawatte - Milena Michiko Flasar - Страница 8
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ОглавлениеWenn ich an jenen ersten Freigang. Denn so muss sich ein Gefangener fühlen, der mit vergittertem Blick seine Zelle mit sich umherträgt, genau weiß, er ist nicht frei. Also wenn ich an jenen ersten Freigang zurückdenke, dann kommt es mir vor, als ob ich mich, eine Figur aus einem Schwarzweißfilm, inmitten einer bunten Szenerie bewegt hätte. Ringsherum schrien die Farben. Gelbe Taxis, rote Briefkästen, blaue Werbetafeln. Ihre Lautstärke betäubte mich.
Mit hochgeschlagenem Kragen bog ich um die Ecken und gab acht, dabei niemandem in die Füße zu stolpern. Mir graute bei der Vorstellung, mein Hosenbein könnte im Vorübergehen den Mantelzipfel eines anderen streifen. Ich presste die Arme an die Seiten und lief, lief, lief, ohne nach rechts, ohne nach links zu schauen. Die grausigste Vorstellung war die zweier Blicke, die sich in einem zufälligen Moment ineinander verhaken. Sekundenlang ineinander verweilen. Nicht loskommen voneinander. Solche Übelkeit. Ich war ihr Gefäß. Randvoll. Je weiter ich lief, desto mehr spürte ich das Gewicht meines Körpers. Ein dampfender Leib unter vielen zu sein. Einer stieß mich an. Ich konnte nicht länger an mich halten. Mit einer Hand vor dem Mund lief ich in den Park und übergab mich.