Читать книгу Fernhalten. Ein Neuseeland-Roman - Miriam Rathke - Страница 24

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Taupo, 28. Februar 2010

Mein Herz,

das tägliche, meist abendliche Ritual, dir zu schreiben, ist nicht mehr wegzudenken. Es gehört zu dieser Reise wie der Kiwi nach Neuseeland. Wer weiß, vielleicht fehlt es mir gar, wenn ich wieder bei dir bin und es keinen Grund mehr gibt, dir so oft und viel zu schreiben. (Ich hoffe, du wirst mich entwöhnen und bestens beschäftigen! ☺) Sobald sich mir jedoch die Möglichkeit bietet, dir eine E-Mail zu schreiben, nutze ich diese. Auch wenn dieser Brief elektronisch ist und du ihn nicht in den Händen halten kannst, so erreicht er dich von jetzt auf gleich, was auch seinen Vorteil hat.

Luise und ich hatten heute etwas mehr Glück, als die letzten Tage – der Regen wurde langsam müde und zog seine Wolken ab. Somit konnten wir es wagen, den Campingplatz zu verlassen und Lake Taupo in seiner ganzen Pracht zu bewundern. Der Taupo ist ein Unter-Wasser-Vulkan und um die 65.000 Jahre alt. Dieser See sieht so harmlos aus! So ruhig, idyllisch und zahm! Unvorstellbar, dass hier Ausbrüche apokalyptischer Dimensionen stattfanden! Aber ja, dieser Kratersee ist riesig und hat seine Macht bereits bewiesen! Mit über 600 km² noch größer als der Bodensee. Man sieht so viel Wasser, dass man für einen Moment denken könnte, man stünde am Meer. Nur die Abwesenheit des Meeresduftes löst dieses Rätsel alsbald auf. Aber das Gefühl von Weite ist ähnlich schön. Man muss unweigerlich tief einatmen, will seine Lungen mit dieser klaren, sauberen Luft füllen. Will sich Bilder einprägen, in sich aufnehmen, was aufzunehmen ist.

Mir wird plötzlich bewusst, wie lange ich noch von dieser Reise zehren werde. Dankbarkeit breitet sich in mir aus und hinterlässt nichts als wohlige Wärme.

Könntest du doch nur hier sein. Könntest du doch nur zusammen mit mir staunen.

Zusammen. Du und ich. Wir sind uns trotz der Entfernung so nah und dennoch ist manches durch Briefe nicht aufzufangen. Daliegen und miteinander reden. Einlass gewähren in Wesentliches, Wichtiges, das sich nicht allzu leicht teilen lässt.

Schwierige Lebensthemen ließen wir bisher weitestgehend außen vor, dabei sind sie so gewichtig, um eine Persönlichkeit im Ganzen begreifen zu können, und von hoher Bedeutung, um das Wort des anderen richtig zu verstehen. Du musst es nicht und sollst dich nicht gedrängt fühlen, aber wenn du möchtest und es als richtig empfindest, dann schreib mir von den Sorgen, die dein Herz plagen, schreib mir von dem Verhältnis zu deiner Mutter. Was macht es euch so schwierig, liebevoll miteinander umzugehen? Woher kommen all die Vorwürfe, die du erwähnt hast? Wenn es nicht der richtige Zeitpunkt ist, dann verschieben wir es. Ich respektiere das voll und ganz, aber wenn du mit mir darüber reden möchtest – wenn auch nur in schriftlicher Form (und leider nicht bei einer Tasse Tee oder einem Bier von Angesicht zu Angesicht …) – dann halte dich bitte nicht zurück. Ich fühle mich manchmal hilflos, noch hilfloser aufgrund der Entfernung und würde dir gern meine Hand reichen, wenn ich spüre, dass dich etwas belastet. Ich werde jedes deiner Worte in mir aufnehmen, wohl behüten und mich – nur wenn du dies wünscht – gern dazu äußern.

So oder so – ich freue mich unbändig darauf, von dir zu lesen und zähle die Stunden, bis ich endlich wieder zum Handy greifen und dein „Hallo“ hören darf.

Es küsst dich

deine Clara

Fernhalten. Ein Neuseeland-Roman

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