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Irgendwo zwischen Hamburg und Dubai, 15. Februar 2010

Liebster,

leider bin ich sehr schlecht darin, Entfernungen zu schätzen. Vor allem, wenn es um Geschwindigkeit und Strecke in Relation zueinander geht und ich keinen Tacho in Sichtweite habe. Es muss also nicht mal ansatzweise richtig sein, wenn ich sage, dass ich vielleicht 2000 km von dir entfernt bin. Hin und wieder erscheint natürlich das kleine, langsam vorwärts zuckende Flugzeug auf dem Monitor vor meiner Nase, aber da ich die letzten zwei Stunden in einen mich bestens unterhaltenden Hollywoodstreifen vertieft war, habe ich irgendwie den Anschluss verpasst. Nun denn … was macht es auch für einen Unterschied, ob wir 1000, 2000 oder 18000 Kilometer voneinander entfernt sind? Die Sehnsucht bleibt ohnehin dieselbe.

Es ist schon einige Jahre her, dass ich in einem ähnlich imposanten Flieger saß und eine relativ große Distanz hinter mich gebracht habe (so groß natürlich nicht, geht ja auch gar nicht – dann hätte ich schon einmal ans andere Ende der Welt gereist sein müssen). Damals gab es oben unter der Decke alle paar Meter einen kleinen Bildschirm, der den Passagieren einen Film aufnötigte, den zumindest ich – wie könnte es auch anders sein – garantiert schon kannte und meistens nicht besonders mochte. Heutzutage jedoch, ja, heutzutage hat jeder Fluggast sein eigenes, in den Sitz des Vordermannes integriertes Heimkino!! Vielleicht langweilt dich diese Info, weil dir das längst klar ist und ich nur etwas hinterwäldlerisch bin, aber so oder so wirst du meine Begeisterung sicher verstehen! Wir haben hier eine Auswahl von … keine Ahnung … 30 oder 40 Filmen, von denen viele erst vor wenigen Wochen auf DVD erschienen sind! Abgesehen davon gibt es auch noch eine ganze Palette an Musik. Gut, der Sound ist jetzt nicht sonderlich beeindruckend, aber das Unterhaltungsangebot als solches imponiert mir sehr! Das ist Reisen auf ganz anderem Niveau! Wüsste ich es nicht besser, ich hätte vermuten können, dass man Luise und mich aus Versehen in die Business-Class gesetzt hat. Nicht zuletzt, weil (gefühlt) alle Viertelstunde jemand vorbeikommt und fragt, ob wir einen Saft, Tee oder ein Twix haben möchten. So etwas gab es früher nicht! ☺ Das macht Mut und zeigt deutlich: Es geht nicht immer nur bergab – es gibt stets Grund zur Hoffnung!

Aber an Hoffnung mangelt es mir derzeit ohnehin nicht … und das ist einzig dein Verdienst. Ich kann noch längst nicht begreifen, was du da mit mir gemacht hast. In diesen wenigen Wochen hast du es geschafft, mir meine Angst zu nehmen. Angst, die so lange Zeit mein treuer Begleiter war. Angst, die mich so sehr blockiert hat und stärker war, als ich vermutet hatte. Gabriel … ich vertraue dir, wie ich nie zuvor einem Mann vertraut habe. Und wenn du sagst, dass wir diese drei Monate, in denen wir voneinander getrennt sein werden, mit Leichtigkeit überstehen, dann glaube ich dir und habe keine Angst, dass wir scheitern könnten! Du bist das, wonach ich gesucht habe. Du bist der Mann, nach dem sich meine Seele sehnte, nach dem mein Herz verlangte, von dem mein Körper nicht zu träumen wagte …

Ich habe dir gestern gesagt, dass ich dir schreiben werde. An jedem einzelnen Tag, an dem ich nicht bei dir sein kann. So wird es sein und hier wächst gerade mein erster Brief an dich. Entschuldige meine Schrift, es ruckelt etwas. Ich hasse Luftlöcher. Wackelnde Flugzeuge zeigen immer so deutlich, dass man keine Kontrolle mehr hat. Aber dir zu schreiben, lässt mich beinah vergessen, dass wir hier durch die Wolken stolpern.

Ich werde stets einige Briefe sammeln, durchnummerieren (auch die Umschläge, falls die Post versagt) und alle paar Tage abschicken. Da ich dir leider keine feste Adresse anbieten kann, warte ich sehnsuchtsvoll auf E-Mails von dir. Aber das weißt du längst. Du weißt, was ich mir wünsche. Du kennst mich, ohne mich kennen zu können. Deshalb ist es, wie es ist.

Ich habe eben einen Liebesfilm gesehen. Ich kann endlich wieder Liebesfilme schauen! Ohne, dass es schmerzt. Ohne, dass mir der Atem stockt. Ohne, dass mich Wut erfüllt. Ich kann einen Liebesfilm sehen und ihn vollends genießen. Ich kann amüsiert schmunzeln, wenn es zu kitschig wird, und mitfühlen, wenn Leid die Freude ablöst. Denn ich weiß – es ist nicht (mehr) mein Leid und … ich befürchte … kitschig sind wir allemal.

Die Liebe auf der Leinwand hat mir lange nicht gefallen. Wohl, weil ich sie endlich und endgültig in dem Drehbuch meines Lebens verankert wissen wollte. Du hast in kürzester Zeit so viel in meinem Leben verändert, in mir verändert, dass ich einfach nur staunen kann! Ich kann endlich wieder Liebesschnulzen schauen, weil du mir bewiesen hast, dass es sie gibt: die Liebe mit Happy End. Danke … Keine Ahnung, wie ich die nächsten drei Monate ohne dich überstehen soll. Mein Herz schüttelt, seit ich in diesen Flieger gestiegen bin, vehement den Kopf. Mein Körper ist mucksch. 12 Wochen ohne deine Berührung. Wie dumm ich doch bin …

Meine Gedanken sind bei dir, jede Sekunde.

Und nun gibt es (mal wieder) etwas zu essen! ☺

Es küsst und vermisst dich

deine Clara

Fernhalten. Ein Neuseeland-Roman

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