Читать книгу Die hypnotisierte Gesellschaft - Miryam Muhm - Страница 11
Hypnose und Placebo-Effekt
ОглавлениеEine besondere Form der Hypnose könnte auch der bekannte Placebo-Effekt sein.51 Bis vor Kurzem herrschte in der Wissenschaft die Sichtweise vor, dass der Placebo-Effekt auf einer schlichten Täuschung beruht und »Hypnose beschrieben werden könne als eine Art Placebo ohne Täuschung«.52 Diese Einschätzungen trafen bislang nicht zu, denn während die Placebo-Wirkung allein aufgrund von Täuschung funktioniert (der Patient weiß nicht, dass er z. B. eine Zuckerpille anstatt eines tatsächlichen Schmerzmittels bekommt), ist sich der Patient bei einer Hypnose sehr wohl bewusst, dass er sich einer solchen unterzieht.
Seit einigen Jahren ist man allerdings richtigerweise von der eingangs genannten Sichtweise abgerückt, denn chronische Schmerzen werden inzwischen auch im Rahmen sogenannter offener Placebo-Therapien behandelt. Bei diesem innovativen Behandlungsansatz wird der Patient offen darüber informiert, dass man ihn mit Placebos behandelt; er wird also nicht getäuscht.
Erstaunlicherweise kann selbst eine solche offene Placebo-Therapie Schmerzen verringern oder verschwinden lassen. Auch in diesem Fall entsteht der positive Effekt durch den gezielten Einsatz von Worten, die – genau wie bei einer Hypnose – eine besondere suggestive Wirkung entfalten.
Wie in einer Studie der Universitäten Basel und Harvard beschrieben,53 funktioniert die offene Placebo-Therapie nur, wenn der Arzt dem Patienten die positiven und schmerzlindernden Effekte des Placebos zuvor wiederholt eindringlich dargelegt hat.
Dass auch bei dieser neuen Behandlungsform Worte von fundamentaler Bedeutung sind, hat eine Forschungsarbeit der Universität Essen unter der Leitung von Prof. Ulrike Bingel erst vor Kurzem erneut bestätigt. Ihre im Fachblatt Pain publizierte Studie beschreibt, dass die offene Placebo-Therapie nur dann gelingt, wenn sich die Betreffenden vorher ein Video anschauen, in dem nacheinander mehrere Patienten die Vorzüge dieser Therapie (also die Placebos, die sie bekommen hatten) in ihren eigenen Worten wiederholt anpreisen – so auch gezeigt in der Sendung ARD Buffet am 9. März 2021.54
Diese neuesten Forschungsergebnisse lassen erkennen, dass Worte eine fast magische Wirkung auf unsere Neuronen ausüben können, die in der Tat verblüffend ist. Robert Jütte, Leiter des Stuttgarter Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung GmbH, äußerte sich in der ÄrzteZeitung zur Wirkung der offenen Placebo-Therapie. Er betonte, dass hierbei die Erwartungshaltung der Patienten ausschlaggebend sei, und fügte hinzu: »Die Bedeutung des Wortes in der Medizin ist ein ganz altes Thema, das fängt schon bei heilenden Sprüchen an, die in der Antike verwendet wurden […].«55 (Hervorhebung durch die Autorin)