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Wie funktioniert Hypnose?

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Die Techniken der Hypnose basieren hauptsächlich darauf, Worte zu wiederholen, positive mentale Bilder zu erstellen und/oder Verwirrung zu stiften. So wird in einigen Dentalpraxen in Deutschland Kleinkindern die »Angst vorm Zahnarzt« genommen, indem man in den Praxisräumen mehrere bewegliche Spielzeuge und puppenartige Wesen aufhängt und die Aufmerksamkeit des Kindes während der Zahnbehandlung auf diese unterschiedlichen Gebilde lenkt.

Weiterhin können auch bestimmte Pendelbewegungen mit einem Finger oder einem Objekt sowie spezifische Berührungen (die Hand des Kindes halten oder berühren) eine Hypnose einleiten.

Bei Erwachsenen kommen ähnliche Hypnoseverfahren zum Einsatz. Oft wird mit Tiefenentspannungstechniken anhand von Worten gearbeitet oder sogar Blitzhypnose angewandt. Hierzu braucht der Hypnotiseur z. B. nur »Sleep« (»Schlaf!«) zu sagen – und die Person verfällt in Schlaf.56

Aber wie kann ein einziges Wort wie ein Kommando wirken und das Gehirn eines Menschen derart »hacken«?

Diese Frage muss noch unbeantwortet bleiben – trotz der vielen Studien mit bildgebenden Verfahren, die in den angesehensten Universitäten zur Frage der Hypnotisierbarkeit unseres Gehirns weltweit durchgeführt wurden und werden.57

In den 1970er-Jahren verstand Julian Jaynes (Psychologieforscher und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Princeton) die Hypnose als eine Spur, die in eine andere Bewusstseinsepoche des Menschen führt. Wie er in seinem Hauptwerk Der Ursprung des Bewusstseins durch den Zusammenbruch der bikameralen Psyche darlegte, ist die Hypnose ein kulturelles Überbleibsel aus jener primitiven Zeit, in der wir noch eine bikamerale Psyche besaßen, kaum oder kein Bewusstsein entwickelt hatten und auf (Götter-) Stimmen hörten.58 Deshalb würde Hypnose (in Form einer äußeren Autorität, die einem sagt, was zu tun ist) auch heute noch funktionieren.59 (Ich hoffe, mit dieser verkürzten Darstellung der komplexen Theorie von Jaynes ansatzweise gerecht geworden zu sein oder zumindest das Interesse des Lesers geweckt zu haben.) Auch wenn Jaynes seine visionäre Theorie anhand historischer Fakten belegte, können diese nur als Indizien gewertet werden; sie liefern keinen abschließenden Nachweis über die Natur der Hypnose.

Dank neuer technologischer Entwicklungen – vor allem der bildgebenden Verfahren – konnten sich seit einigen Jahren die Neurowissenschaften des Themas Hypnose annehmen und bereits etliche Nachweise erbringen.

Was man bisher weiß, ist, dass bestimmte Bereiche der Großhirnrinde, also des jüngsten bzw. »modernsten« Teils unseres Gehirns, unter Hypnose teilweise »ausgeschaltet« werden. An der Stanford University stellten der Psychiater David Spiegel und seine Kollegen in einer wichtigen Studie fest, dass ein Hypnosezustand im Gehirn tatsächlich sichtbar gemacht werden kann: Aus Aufnahmen der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) war zu ersehen, dass hypnotisierte Probanden im Vergleich zu einer Kontrollgruppe eindeutig einen anderen Gehirnzustand aufwiesen.

Bei hoch hypnotisierbaren Probanden zeigte sich, dass während der Hypnose die sogenannte Gürtelwindung im Inneren des Kortex sichtbar weniger aktiv ist. In Studien fand man heraus, dass diese Hirnregion Menschen hilft, ihre äußere Umgebung wachsam zu beobachten, also eine Art Kontrolle zu behalten über das, was ringsum geschieht. Während einer Hypnose ist diese Aktivität – und entsprechend der damit verbundene Kontrollmechanismus – reduziert. Das deutlich erkennbare Muster fehlender Hirnaktivität (also fehlender Wachsamkeit) in diesem Areal wurde von den Wissenschaftlern der Universität Stanford weder bei der Kontrollgruppe noch bei hoch hypnotisierbaren Personen festgestellt, solange diese sich im Ruhezustand befanden oder ihr Gedächtnis in Aktion war: »Was die Hoch-Hypnotisierbaren in der Hypnose machten, ist anders«, betonte Dr. Spiegel. »Das ist ein starker Beweis dafür, dass es ein anderer Gehirnzustand ist.«60 (Hervorhebung durch die Autorin)

Es gibt etliche weitere wissenschaftliche Erkenntnisse, aber noch versteht man nicht, warum die Worte eines Hypnotiseurs eine solche Macht haben und die in unserem Kopf entstehenden Bilder den Körper dazu bringen können, so erstaunliche Dinge zu tun, wie beispielsweise Blutungen zu drosseln oder Schmerzen auszuschalten. Und man fragt sich natürlich auch: Wie weit kann die persuasive Kraft von Wörtern gehen – im Guten wie im Schlechten?

Die positiven Wirkungen der Hypnose im Bereich der Medizin wurden nun dargelegt – aber könnte die Hypnose womöglich auch bei unseren Erinnerungen Positives bewirken?

Die hypnotisierte Gesellschaft

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