Читать книгу Die hypnotisierte Gesellschaft - Miryam Muhm - Страница 24
Wie unabhängig sind internationale Aufsichtsbehörden?
ОглавлениеWir alle (darunter selbst Ärzte und Wissenschaftler) lassen uns davon beeindrucken, dass zwei bedeutende Institutionen – die US-amerikanische Arzneimittelbehörde Food and Drug Agency (FDA) bzw. die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) – den hehren Auftrag haben, unsere Gesundheit zu schützen und hierfür nur Medikamente zuzulassen, die zuvor lange und rigide Prüfungen durchlaufen. Ihre Entscheidungen werden daher so gut wie nie infrage gestellt, obwohl das 2020 im Zusammenhang mit dem Corona-Medikament Remdesivir wieder einmal angebracht gewesen wäre (siehe unten). Für viele Menschen wäre auch eine bessere Kontrolle bei den Covid-Impfstoffen (Beispiel: AstraZeneca) wünschenswert gewesen.
Eine Zulassung bedeutet nämlich nicht immer, dass das betreffende Medikament für uns Patienten tatsächlich gut ist und keine gefährlichen Nebenwirkungen hat. Davon gutgläubig auszugehen ist eine weitere Art von Verblendung, denn die EMA musste 2015 zum Beispiel die Zulassung von Hunderten von Medikamenten ruhen lassen, weil die von ihren Experten evaluierten Studien nachweislich auf fehlerhaften Angaben basierten. Genauer gesagt: Diese Medikamentenzulassungen waren aufgrund verfälschter Studiendaten zustande gekommen.150 All dies ging zwar durch die Presse, trotzdem ist jedoch bei den meisten von uns die Vorstellung, dass die Zulassung eines Medikaments gleichbedeutend ist mit seiner positiven Wirksamkeit, nach wie vor hypnotisch fest verankert.
Dass dem nicht so ist, stellte sich einmal mehr während der Corona-Krise 2020 heraus. Die Marktzulassung des antiviralen Medikaments Remdesivir basierte hauptsächlich auf den Ergebnissen einer einzigen (!) Studie, die das Nationale Institut für Allergie und Infektionskrankheiten (NIAID) erstellt hatte (das vom allseits bekannten Dr. Fauci geleitet wird). Was dabei jedoch völlig außen vor gelassen wurde, war die Tatsache, dass eine andere kurz zuvor im Lancet151 veröffentlichte Studie über Remdesivir eindeutig zu dem Schluss gekommen war, dass dieses Medikament nicht nur wenig Nutzen im Kampf gegen Covid brachte, sondern sogar gravierende Nebenwirkungen verursachte.
Trotzdem wurde wie hypnotisiert hauptsächlich auf die eine positive NIAID-Studie geschaut (obwohl diese unter fachlicher Kritik etlicher Experten stand). Gab es womöglich einige Interessierte, die Remdesivir von Anfang an unbedingt pushen wollten? Jedenfalls erlangte dieses Medikament die Notzulassung in den USA und eine bedingte Zulassung in der EU.
Einige Monate später (die Aktien des Remdesivir-Produzenten Gilead Sciences hatten mittlerweile Höchststände erreicht, da die ganze Welt dieses überteuerte Medikament kaufte) veröffentlichte die WHO ihre Bedenken zu Remdesivir und schloss sich weitgehend der Lancet-Studie an, wobei sie anhand neuer Studien auf die geringe Wirkung von Remdesivir hinwies. Gleiches stand in einer Meldung vom RKI.152
Hätte man sich also nicht so stark auf eine rasche Zulassung fixiert und die Lancet-Studie von Anfang an mitberücksichtigt, wäre dem Staat – also uns! – eine riesige Verschwendung von Steuergeldern erspart geblieben. (In meinem Buch über Covid-19 ist diese ganze Entwicklung im Detail dargelegt).
Aber man ist geblendet von institutionellen Arzneimittelzulassungen und vergisst dabei, dass diese von Menschen gemacht werden und die Beteiligten entweder oft Opfer von Datenmanipulationen und Einflussnahmen sind (man denke an die Hunderte von zurückgezogenen EMA-Zulassungen aufgrund falscher Daten) oder selbst handfeste finanzielle Interessen haben. Das bestätigen auch Analysen von Experten im BMJ: »Erschwerend kommt hinzu, dass auch die Aufsichtsbehörden, die Forschungsergebnisse bewerten – darunter die Europäische Arzneimittelagentur [EMA] und US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel [FDA] – finanzielle Interessenkonflikte haben, da sie von der Finanzierung durch eben-jene Unternehmen abhängig sind, deren Produkte sie bewerten.«153 (Hervorhebung durch die Autorin)
Es sind aber nicht nur finanzielle Interessen seitens der Institutionen, die hier vermutlich eine Rolle spielen. Ein gewisses »Gschmäckle« hinterließ Thomas Lönngren, der die EMA mehrere Jahre geleitet hatte: »Als Ende 2010 seine Amtszeit endete, hatte er alles vorbereitet, um am nächsten Tag ein Beratungsunternehmen für exakt solche Firmen zu eröffnen, die er vorher kontrolliert hatte. Doch damit nicht genug: Innerhalb von Wochen wurde er Mitglied in Beiräten der Pharmahersteller Novo Nordisk und Lundbeck sowie ›Senior Advisor‹ für Investitionen im Gesundheitssektor der US-Bank Goldman Sachs. Der Coup aber ist ein Aufsichtsratsposten bei CBio, der den Aktienkurs der Biotech-Firma um 29 % hochkatapultierte.«154 Man kann dem ehemaligen Chef der Europäischen Gesundheitsbehörde nichts nachweisen, und damit hat ja sicher alles seine Richtigkeit … oder doch nicht? »Eigentlich sollte ein solcher Seitenwechsel in der EU gar nicht mehr möglich sein. Denn als Folge einiger Skandale müssen EU-Mitarbeiter nach ihrem Weggang ihre Vorgesetzten zwei Jahre lang über alle beruflichen Aktivitäten informieren. Gibt es dabei Interessenkonflikte, kann die EU durchaus Tätigkeiten untersagen. Dass das Aufsichtsgremium der EMA die Aktivitäten Lönngrens genehmigte, ist ein Skandal. Fünf internationale Organisationen protestierten deshalb beim zuständigen EU-Gesundheitskommissar John Dalli und forderten eine Überprüfung der Aktivitäten des Ex-Kontrolleurs (3). Am 17.3.2011 hat die EMA auf Grund der ISDB-Aktivitäten Einschränkungen verfügt, denen Herr Lönngren in seiner Arbeit für die Pharmaindustrie unterliegt« – so beschrieben im Arzneimittelbrief.155 (Hervorhebungen durch die Autorin)
Nun, zwei Jahre kann jeder abwarten, bis sich Pharmafirmen oder anderweitige private Unternehmen, die von seinem entgegenkommenden Verhalten profitiert haben, »auf legitimer Basis« erkenntlich zeigen dürfen.
Was vor 2010 hinter den Kulissen der EMA vorgegangen war, müsste eigentlich jedem klar sein. Aber nein, wir sind verblendet und lassen es gerne bei dem uns suggerierten Bild, das uns in Sicherheit wiegt und glauben macht, dass Fachleute in Gesundheitsbehörden grundsätzlich korrekt handeln. Zugegeben ist es mühsam, immer alles zu hinterfragen oder Informationen einzuholen, um einer Sache auf den Grund zu gehen. Es ist eben einfacher, vertrauensvoll zu glauben – ähnlich wie bei einer Hypnose.
In den letzten Jahren kann man aber hier und da ein leichtes Aufflackern von Aufmerksamkeit beobachten, und es scheint, als ob einige erwacht wären, die sich diesem System des Lobbyismus und der Korruption nicht mehr beugen wollen.
Nachdem Guido Rasi zum Direktor der EMA ernannt worden war,156 entschloss sich diese Agentur, die Studien für Medikamentenzulassungen öffentlich zu machen (2015). Prompt reichten zwei Pharmafirmen gegen die neue Transparenzpolitik der EMA eine Klage ein. Diese wurde erstinstanzlich abgewiesen, worauf die Firmen Berufung beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) einlegten. Gerard Hogan, Generalanwalt beim EuGH, »hatte in seinem Gutachten zugunsten der beiden klagenden Pharmahersteller plädiert und festgestellt, dass die Transparenz grundsätzlich den kommerziellen Interessen der Unternehmen schade.«157
Gegen diese Meinung protestierten 42 Organisationen, Forschungseinrichtungen und Wissenschaftler gemeinsam mit dem AOK-Bundesverband in einem offenen Brief, in dem sie u. a. klarstellten: »Der Zugang zu den Clinical Study Reports für Medikamente ist ein Eckpfeiler für freie Forschung, öffentliche Kontrolle und Vertrauen in die europäische Regulierungsbehörde.«158
In diesem Fall haben sich die obersten Richter des EuGHs nicht, was üblich gewesen wäre, der Meinung des Generalanwalts angeschlossen und somit die Notwendigkeit von Transparenz bestärkt, gerade was die öffentliche Gesundheit anbelangt.159
Dies lässt auf ein allgemeines Erwachen hoffen, auch wenn es ein langwieriger Prozess werden dürfte.