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Unterbrechung der Kühlkette

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Die Sonne stand bereits tief über der Stadt. Obwohl der Parkplatz bereits einige Zeit im Schatten der hohen Gebäude lag, gab ein kleiner Wagen noch immer eine unglaubliche Hitze an seine Insassin ab. Das Eis war schon längst oral entsorgt und Penhall & Pork hatten es zum wiederholten Male geschafft ihren Mörder zur Strecke zu bringen. Das heißt, nicht ihren Mörder, sondern den Mörder der Geschichte. Während Melly ganz in Gedanken bei den zwei Detektiven in der Londoner Untergrundbahnwelt verweilte, hätte sie IHN um ein Haar verpasst. Ganz sicher war sie sich nicht, ob er es gewesen war, denn als sie ihn bemerkt hatte, war er schon halb im Supermarkt verschwunden. Zumindest seine obere Hälfte. Mel sog ein laues Lüftchen ein, als könne sie ihn von hier aus wittern und um ihr Gehirn mit frischem Sauerstoff auf Touren zu bringen. 18:00 zeigte die Armaturenbrettdigitaluhranzeige. Sie rutschte sich auf dem Sitz zurecht, legte P&P beiseite und starrte auf die Doppelautomatiktür des Ladens. Gleich würde er heraus kommen. Und diesmal, das schwor sie sich, könne er nicht so schnell entwischen. Die Fenster bereits geschlossen, Socken hochgezogen, Autoschlüssel in der einen und ihren kleinen Rucksack auf dem Schoss in der anderen Hand, wartete sie. Jederzeit bereit aus dem Auto zu springen und ihm zu folgen. Für einen kurzen Moment schloss sie die Augen und ließ die Sekunde, in der er den Laden betreten hatte vor ihrem geistigen Auge noch einmal aufleben und ZACK: Standbild. Eigenartig nur, dass sein wunderbares, lockiges, schulterlanges, fluffiges, nach Zitrone, Bergamotte und Zuckerwatte duftende Haar, im Standbildwind leicht hin und her wehte. Sie zoomte heran. Ganz nah heran, bis sie ihr Gesicht tiefer und tiefer hineinpressen konnte und sich darin verlor.

Ein „NEIN!“ katapultierte ihre Augenlieder nach oben, bis sie sich comicfigurenartig mehrfach überschlugen. Wenn sie ihn jetzt verpasste, wäre die ganze Arbeit umsonst gewesen. Eine Woche hatte sie nach der Arbeit im Auto zugebracht und auf ihn gewartet. Um ihn wieder zu sehen, war ihr jedes Mittel recht und nun verpasste sie den Moment um sich in Schwelgereien zu ergehen? Auf keinen Fall! Angestrengt starrte sie auf die Glasflächen. Auf, zu, auf, zu, leerer Einkaufswagen rein, voller Einkaufswagen raus. Er war nicht da. Er kam nicht raus. Sie schaute auf die Uhr. Hatte sie ihn bereits verpasst, mit ihrer blöden, blöden Träumerei. Sie schaute noch einmal. Dumm nur, dass sie sich die Uhrzeit nie mehr als 5 Sekunden merkte, wenn sie sie sah.

„Mensch, Melly, so ein blödes, blödes, blödes …“ Sie schlug mit der flachen Hand auf das Lenkrad, ein, zwei, drei Mal. Dann riss sie sich noch einmal zusammen, glotzte vorgebeugt aus der schmutzigen Frontscheibe, rieb von innen mit der flachen Hand daran herum, als könnte sie ihn herbeiwischen und betete zu Gott, Jesus, Maria und Josef und wem ihr sonst noch einfiel. Und dann war er da. Eine vollständig recycelbare Einkaufstragetasche auf Leinenbasis in der linken Hand, schnippte er mit der Rechte gerade eine Münze in den zerknickten Coffee2go-Pappbecher eines Obdachlosen mit Hochschulabschluss, um in Richtung Westen fortzugehen.

Jetzt nur nicht die Nerven verlieren! Nur nicht die Nerven verlieren, mahnte sich Melly und stieg hastig aus der Blechbüchse, um prompt, ihren Wagenschlüssel unters Auto purzeln zu lassen. Fast hätte sie sich beim Aufheben noch den Kopf gestoßen, doch sie schloss schnellstens ab und rannte kopflos über den kopfsteingepflasterten Parkplatz.

„Er ist weg, Melly! Er ist weg“, schalt sie sich und eine alte Dame, die gerade ihren Rollator auf 2km/h minus Erdbeschleunigung gebracht hatte, merkte es nicht. Hastige Blickschweifigkeit belastete den Nacken, während sie sich suchend streckte. Dann tauchte die lockige Gestalt hinter einem Busch wieder auf. Er hatte sich nämlich einen Schuh zugebunden, was eine längere Unterbrechung der Kühlkette seiner Einkäufe zur Folge hatte.

„DA! Hahaha!“ Melly hüpfte hoch, als wenn sie durch ein Kakteenfeld stolpern müsste. In genau diesem Augenblick wurde ihr gewahr, wie auffällig jemand sein musste, der einen herumhüpfenderweise verfolgte, hielt sie inne und gewann an Gelassenheit.

P&P, bemurmelte sie sich dann, ich arbeite für P&P und beschatte nun diese Zielperson. Männlich, ca. 180cm groß, braunes, lockiges, schulterlanges Haar, 3 Tagebart, blaue Augen und ein goldiges, einnehmendes Lächeln. Und er ist so süß …

„Ein bisschen mehr Professionalität“, unterbrach sie eine Stimme barsch, aus dem Nichts. Es war Julius Penhall. So hatte sie sich seine Stimme immer vorgestellt. Rau, unfreundlich, hart. Und nun sprach sie zu ihr, wie zu ihrem Kollegen Pork. Schon kam ihr die Idee:

Genau, ich bin Pork, dachte sie und fühlte sich direkt viel sicherer. Jetzt konnte ihr nichts mehr passieren. Nach ein paar gekonnten Schritten wich sie nach rechts aus, brachte somit einen Baum zwischen sich und ihr Observierungsobjekt, und hängte sich zügig an seine Fersen, ohne den geringsten Verdacht zu erregen. Sie war zwar nicht in London, aber auf der Jagd. Wieder!

Die Ringe des Herrn

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