Читать книгу Die Ringe des Herrn - Monduras IX. - Страница 19
Jünger, Jünger, Jünger – wer braucht so viele Jünger?
Оглавление„Wie viele?“
„Zwölf. Und jetzt hör endlich das Jammern auf, ist ja nicht auszuhalten!“ Gabriel war bereits nach dem Frühstück genervt. Dabei hatten Engel Nerven wie Haifischhaar. Sollten sie eigentlich. „Na mach schon, geh hin zu ihnen. Sie werden dich schon nicht beißen.“ Gabb gab ihm einen Stups und Jesus stolperte seiner vorgereckten Schulter hinterher.
„Ja, ja, ist ja gut.“ Der Messias hasste es, wenn man ihn schubste. Unsicher hielt er auf das kleine Boot zu, was noch halb im Wasser des Sees lag. Auf ihm standen zwei Gestalten, die ihre Netze zusammenlegten und nach Löchern suchten. Die Sonne brannte auf sie hernieder und Jesus hatte Sand in der rechten Sandale. Außerdem war er müde und hatte Hunger.
„Wie heißt ihr, Leute!“ sprach er, als er sie erreicht hatte, um Selbstsicherheit bemüht.
„Wer will das wissen?“, fragte der vordere der beiden rauen Arbeiter. Ihre Gesichter waren von der Sonne braun und gegerbt.
„Ich. Jesus von Nazareth!“ verkündete er stolz. Die Männer gingen unermüdlich weiter ihrem Geschäft nach und schienen ihn kaum zu beachten. Dann nickte wieder der vordere in Richtung Gabb, der sich mit der Hand ein paar Schäufelchen Wasser in den Nacken hievte:
„Und wer is das?“
„Das ist … ähm … mein Assistent!“
„Aha. Ich bin Simon, das ist mein Bruder Andreas!“ Dabei zeigte er mit dickem Daumen nach hinten.
„Sehr erfreut!“ gab Jesus, doch Andreas konnte ihn nicht leiden. Er sprach kein Wort. Und das war es dann. Nichts weiter passierte. Der Messias stand wie angewurzelt da. Eine eklig, gallertartige Pause lag Backbord im Sand. Plötzlich erinnerte er sich an den Spruch, den Gabb ihm anvertraut hatte und sagte ihn auf:
„Ich mache euch zu Fischern!“ Erwartungsvoll blickte er drein. Der hintere Mann schnaubte leicht und schob ein misslauniges Mienenspielupgrade auf 10.2 nach.
„Ähm … entschuldige, aber das sind wir bereits!“ antwortete wieder der Vordere.
„Hmm“, brummte es zustimmend aus dem Hintergrund.
„Nein, nein! Ihr versteht mich falsch. Ich mache euch zu …“ Jesus hatte neuen Mut gefasst und redete weiter, „… zu … Menschenfischern! Also kommt und folgt mir.“
Nun hielten die Fischer inne. Simon blieb der Mund offen stehen. Andreas brummte etwas Unverständliches auf fischerisch. Dann fuhr er fort, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. Jesus wartete auf freudige Reaktionen, dann auf überhaupt eine Reaktion und dann darauf, dass die Fliege, die die ganze Zeit um sie herumflog, endlich einen Landeplatz fand. Langsam klappte Simon den Mund wieder zu. Verschwörerisch lehnte Jesus ich vor:
„Sag mal, warum ist ‘n der so angefressen?“
„Mein Bruder?“ Simon zeigte über seine Schulter und Jesus nickte.
„Naja, vielleicht kann er es dir auch selbst sagen.“ Und plötzlich fixierten Jesus tiefschwarze Augen, aus einem harten Fischergesicht:
„Also, ich sag’s mal gerade heraus: Du hast ja vielleicht Nerven! Was denkst du dir eigentlich dabei?“
„Wobei?“ wollte Jesus wissen.
„Halt’s Maul, jetzt rede ich!“ Der Messias fuhr zusammen und Andreas fort: „Kommst hier her, nach all den Jahren … Der Befreier, sagen sie überall und der Messias … König der Juden, blablabla. Lässt dich ewig nicht blicken und tauchst dann, mir nichts dir nichts hier auf, in einem Alter, in dem die meisten schon Großeltern oder tot sind. Folgt mir, folgt mir!“ äffte er Jesus nach, ließ sein Netz fallen und schlenkerte mit den Armen herum. „Und ich lasse jetzt alles stehen und liegen und wir machen einen Spaziergang oder wie? Was hast du überhaupt vor, Großväterchen, du, du, Befreier? Ach weißte was, mich interessiert’s doch gar nicht. Du hältst mich von der Arbeit ab, weiter nichts. Also verschwinde, Mann!“ Er spuckte auf die glatte Wasseroberfläche und der weiße Schaum zerfaserte missachtend.
Nun stand Jesus augenbrauenhochzugig und vor den Kopf gestoßen da. Am Rande des Sees Genezareth. In der Hitze des Tages, mit trockenem Mund. Als er nach endlosen Sekunden einatmete, verschluckte er sich an der Fliege, die gerade auf seiner Zunge gelandet war und musste husten. Die beiden Fischer begannen lauthals an zu lachen. Irgendwann fiel Jesus mit ein. Die Stimmung hatte sich gefangen. Simon begann als Erster:
„Sag mal ist das dein Ernst?“
„Ähm, ja. Mein voller Ernst. Ihr werdet meine Jünger und …“ Andreas fiel ihm ins Wort:
„Simon, du willst doch nicht wirklich diesem Vogel da folgen, oder?“
Dieser fuhr jedoch seinen Bruder an:
„Wart‘s doch mal ab …“ Wieder wandte er sich dem Erlöser zu:
„Wir sind aber nicht ohne Sünde. Und können wir damit unsere Liebsten ernähren?“ Niemals hätte Jesus gedacht, so weit zu kommen. Jetzt ging es bereits in die Verhandlungen.
„Das macht nichts, ich vergebe Sünden bereits vor dem Frühstück …“ Der Witz zündete nicht. „… und ich kann euch kein Geld bezahlen, falls ihr das meint. Aber Gott wird für euch und eure Liebsten sorgen, das verspreche ich.“ Gabb hatte gesagt, er selbst würde dafür Sorge tragen. Falls nicht, würden die zwei und etwaigen anderen Jünger sicherlich einige sündige Dinge auf Schmerzbasis mit ihm anstellen. Simon überlegte ernsthaft, wobei sein Bruder vehement protestierte:
„Das ist jetzt nicht wahr, Simon. Du denkst nicht ernsthaft darüber nach mit diesem Clown umherzuziehen?“
„Ähm, wir haben keine Clowns!“ warf Jesus ungehört ein.
„Schau uns doch mal an, Andreas. Wie viele Fische fangen wir denn noch?“ Er zeigte in die Bootsmitte, in der ein paar abgemagerte Genezarethheringe müde zappelten. „Tag für Tag fahren wir mit all den anderen Booten raus und plackern uns ab für ein paar lausige Heringe. Das ist doch kein Leben!“
„Aber den Mitläufer im Wanderzirkus zu spielen ist besser?“, konterte sein Bruder.
„Es wird für uns und unsere Familien gesorgt werden, du hast es doch gehört!“ argumentierte Simon. Den hatte er also schon mal im Sack, dachte Jesus.
„Tsss. Und dem Gewäsch von diesem Waschweib schenkst du Glauben?“ Eindringlich berührsänftigte Simon seinen Bruder an der Schulter:
„Er spricht die Wahrheit, Andreas, ich weiß es. Ich habe Geschichten von ihm gehört. Er ist Gottes Sohn.“ Während Simon weitersprach, schlenderte Jesus zu Gabb herüber, der sich in der Sonne liegend trocknete.
„Und?“, fragte er mit einem offenen Auge.
„Sie brauchen noch einen Moment. Andreas denkt wir haben Clowns!“
„Haben wir nicht!“ gab Gabb zu bedenken.
„Hab ich auch schon gesagt“, erwiderte Jesus und setzte sich neben den Engel.
„Gut“, meinte dieser. „Nicht das sie unter falschen Voraussetzungen mitmachen.“
„Werden sie nicht“, meinte Jesus und legte sich ebenfalls zurück.
Irgendwann rief Simon vom Boot herüber:
„Hey, Sohn Gottes. Wir sind dabei!“ Jesus setzte sich auf, winkte ihnen freudig und rief:
„Prima. Kennt ihr noch wen, der Lust hätte?“
Später am Tag gabelten sie zwei weitere Fischer auf. Jakobus und Johannes.