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Eine Akte sagt gar nichts

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Es war schon spät am Abend, als Emily Schabbach von Graupen-Aiching auf ihrer Couch im Wohnzimmer lag und die Akte noch einmal durchging. Normalerweise nahm sie keine Arbeit mit nach Hause, ob Akten oder Guests. Sie lebte allein, außer ihren zwei Goldfischen, die aber niemals von ihr Namen bekamen, da sie alle 6-8 Wochen ausgetauscht werden mussten. Über rührselige Begräbnisfeierlichkeiten war Emily schon längst hinaus.

Ihr Haus, war ein schönes Haus und um ein Haar, obwohl sie dickes Haar besaß, hätte sie es nicht gekauft. Denn eigentlich war es für sie alleine ein wenig zu groß. Doch mit etwas Mühe und dem gewissen Kleingeld, war es ihr gelungen, zwei Schuh- und zwei Kleiderzimmer zu füllen. Sie liebte Schuhe und manchmal passierte es, dass sie nachts in einem ihrer Schuhzimmer erwachte, weil sie über der Entscheidung, welches Paar, denn das geeignetste für den morgigen Arbeitstag wäre, auf dem Boden eingeschlafen war. So hatte sie kurzerhand in jedem Zimmer eine gemütliche Couch aufstellen lassen. Das war besser für den Rücken und die Frisur.

Das Telefonat mit David Nikolay hatte zwar die eine oder andere Zusatzinformation über ihren Neuzugang geliefert, doch so ganz wurde sie daraus nicht schlau.

Zuvor gab es keine Auffälligkeiten, dachte sie hin und her blätternd und versuchte sich einen Reim darauf zu machen, doch was zur Hölle reimte sich auf gewesen? Auf Knopfdruck verrichtete die Fernbedienung ihren besten Dienst und erlöste Emily vom unerträglichen Geschwätz einer stumpfsinnigen Unterhaltungsshow. Diese Sendungen waren inzwischen so unglaublich hohl, dass die Fernseher-Hersteller bereits Enthallmodule in ihre Geräte einbauten. Als sie ihre Beine auf der Wohnzimmercouch noch weiter anwinkelte, gaben sie, in Schlafleggins aus Leder Imitat gehüllt, ein knirschendes Geräusch von sich. Behände griff die Ärztin zu dem hohen Rotweinglas und nippte 7 Mal. Dann betete sie sich die Fakten noch einmal vor. Irgendetwas musste ihr entgangen sein.

Sein Name ist Juras Charity, Sohn von Nesslienne (geborene Aldonem), Hausfrau und Pasquale Charity, LKW-Fahrer. Beruf: Geschäftsführer und Inhaber des größten Pharmaunternehmens der Welt, äußerst vermögend, 39 Years old, verheiratet. Sie stockte. Seit 2 Wochen! Sie staunte. 2 Wochen married und schon liefert ihn seine Frau ein? Sicherlich waren sie bereits mehrere Jahre zusammen, bis ihr der Kragen platzte… Sie schrieb: ‚Wie lange sind sie mit ihrer Frau zusammen?‘

Ein kleines orangenes Zettelchen nahm die Frage auf seiner Vorderseite freudig entgegen. Dann blickte sie zum Couchtisch herüber. Noch zwei Schlucke und der Rotwein wäre geleert. Gesagt, getan. Behaglich rekelte sie sich ein wenig und fuhr fort.

Verheiratet, no Children. Es gab keine religiöse Vergangenheit. Keine Verhaftungen, ein paar Strafzettel, keine Anzeigen wegen Vandalismus, Trunkenheit oder sonstigem. Ein scheinbar bodenständiger Geschäftsmann ohne nennenswerte Auffälligkeiten.

„Ich trinke NIE.“ überflog Emily noch einmal die gemarkerten Worte. Sie stammten aus einem der von David geführten Interviews. Emily überlegte.

Und doch ruft seine Frau nachts die Polizei und er wird völlig außer sich und alkoholisiert in Gewahrsam genommen. Sie habe Angst vor ihm und er leide an Wahnvorstellungen, gab Ngoa Charity geb. Swamboudo zu Protokoll.

‚Wahnvorstellungen‘

Ein zweites Zettelchen erging sich, mit blauer Kugelschreiberschrift auf seinem Bauch, in stummer Begeisterung. Er bräuchte dringend Hilfe und sie fühle sich nicht mehr sicher vor seinen Ausbrüchen.

‚Ausbrüche‘

Zwar habe er sie noch nie misshandelt, aber ihre Seele sei bereits stark angeschlagen und es wäre gut, dass die Öffentlichkeit durch den Polizeieinsatz endlich einmal davon erführe…

Ab diesem Zeitpunkt wurden die Informationen aus der Akte zahlreich, aber schwammig. Fakt war: Die Polizei nüchterte Charity aus, übergab ihn am nächsten Tage, aufgrund unkontrollierbarer Ausbrüche, an das ZentralKlinikum und somit an ihren langjährigen Freund und Ex-Studienkollegen Prof. Dr. David Nikolay. Dem blieb nothing else übrig, als den völlig verstörten, unzusammenhängende Sätze stammelnden Mann zu medikamentieren. Nach einer Ruhephase in Rückenlage wurde ein Interview in Sitzhaltung geführt, was jedoch keineswegs Licht into the Darkness, egal ob liegend, sitzend oder stehend, brachte. Mehrere Tests und Befragungen des Patienten ergaben keinerlei brauchbare Diagnose. So entschied man, nach ausgiebiger Beratung, sich an extern zu wenden.

„Man wolle, dem Patienten die bestmögliche Behandlung angedeihen lassen, die es für seinen speziellen Fall gab“, entnahm Emily dem Überführungsbericht. Es bedurfte keines psychologischen Fachverstandes um zu erkennen, dass es hierbei lediglich um Politik ging. Aufgrund der Undiagnose ging das staatliche ZentralKlinikum selbstverständlich von einer Langzeittherapie mit geringer Chance auf Genesung aus. Die staatliche Einrichtung wird vom Steuerzahler unterhalten und so wollte man sich keinen Fixkostenpatienten ans Bein binden. David war jedoch immer bemüht seine Patienten, gerade, wenn sie finanziell hervorragend aufgestellt waren, gut untergebracht und behandelt zu wissen. Deshalb hatte er Bellfort vorgeschlagen und sie war bei David mit ihrer Anfrage auf permanente Verlegung offene Scheiben eingerannt. Ab morgen war Charity, ganz offiziell, ihr Guest.

Plötzlich wurde sie aus ihren Gedanken gerissen. Ihr fröstelte. Der aufkommende Wind wehte durch die offene Verandatür herein und hob ihr seidig durchsichtiges Sleepingshirt mit dem Federboarand. Dann presste er sich durch die üppigen 70E-Brüste. Ihr Lieblingsträgershirt in strahlendem Weiß senkte sich wieder. Ein kurzer Blick, die Knospen saßen noch auf Position. Ihr Schönheitschirurg Dr. Stanton hatte wieder hervorragende Arbeit geleistet. Sie stand auf, schlüpfte in die 8cm LowHeelsSchlafpantoffeln und schlenkerte zum Großkühlschrank herüber, nachdem sie die Verandatür geschlossen hatte. Der Rotwein ließ den Raum etwas wabbelig wirken, doch es ging. Ein Mal die Woche bestellte Emily Pizza, somit hatte sie auch ein Mal die Woche am nächsten Tag ein kaltes Reststück im Kühlschrank. Und das schob sie sich jetzt genüsslich zwischen die sinnlichen, aufgespritzten Motoxlippen, während sie auf einem Hocker an der Granitbar Platz nahm, die die Küche vom Wohnbereich trennte. Neben ihrem Teller die offene Akte. Zwei Bissen später fand sie die richtige Stelle wieder.

Genüsslich auf dem kalten Käse kauend, las sie murmelnd die Satzfetzen und Words, die David in der Nacht von Charitys Eintreffen notiert hatte. Immer und immer wieder. Sie ergaben keinen erkennbaren Sinn:

Herabsteigen … vor ihm schützen … seit Jahrtausenden in der Familie … wird er nie bekommen … das Ende der Welt … Verdammt … der Gefallene … Gottes Diener …

Ihre Augen wurden müde, die Pizza war nur noch zerlegter Magenbrei, der Rotwein leer und die Goldfische trieben bäuchlings im trostlosen Rundglas. Outside war es already dark und sie klappte die Akte zu. Schluss für heute, es war schon late.

Bevor sie ins Bett ging, trat sie hinaus auf die Veranda. Dort atmete sie tief die frische Nachtluft ein, schloss die Augen und hörte das Meer auf den breiten Strand preschen und versiegen. Ein paar Minuten vergingen und wieder kehrten ihre Gedanken zur Akte und dem außerordentlich interessanten Fall zurück. Dann, ohne es zu wollen, kam er ihr in den Sinn. Juras war ein wirklich gut aussehender Mann. Ihre Erinnerung untersuchte das Standbild. Der 6 Tagebart, die dicken, schulterlangen Haare, die in leichten Wellen das markante Gesicht umrahmten. Seine Nase war männlich und kraftvoll, breit aber nicht zu groß. Hervortretende Wangenknochen gaben ihm eine natürliche Schönheit und Emily vermutete, dass er es auch wusste. Wenn sie es recht bedachte, wirkte er anziehend. Das hatte sie bei noch Niemandem sonst gespürt. Durchdringende, tiefbraune Augen … und dann dachte sie an seine tastenden Blicke und genoss den kurzen Moment von heute Morgen noch einmal. Ihr wurde ganz warm in Brust und Lende, was sie ungeniert dem armen Rotwein zuschob. Ein Windstoß verfing sich in ihrem langen Haar und strich zärtlich über jede verfügbare entblößte Hautpore. Gänsehaut bildete sich aus. Und was für eine.

Mit einem Mal riss sie die Augen wieder auf und sich zusammen.

Emily, schalt sie sich. Ein Guest und married. Was war nur in sie gefahren? So etwas kannte sie überhaupt nicht von sich. Ein Maß an Unprofessionalität, was ihr zu tiefst zuwider war. Unverzüglich musste sie damit aufhören, im schlimmsten Fall musste sie Juras Charity an jemand anderen weiterverweisen. Dann beruhigte sie sich. So weit musste es ja gar nicht erst kommen.

Zügigen Schrittes stakste sie hinein und ging, mit der Genugtuung zu Bett, einen very interesting case an Land gezogen zu haben.

Die Ringe des Herrn

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