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3. Verfassungsgerichtsbarkeit ohne Mauer (1989–2009)

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Die letzte Zeitspanne in der hier nachgezeichneten Entwicklung der Verfassungsgerichtsbarkeit in Europa ist an erster Stelle vom Fall der Berliner Mauer und der anschließenden Wiedereinführung pluralistischer rechtsstaatlicher Regime in Mittel- und Osteuropa gekennzeichnet. In diesem geographischen Raum sind die auf 1989 unmittelbar folgenden Jahre Zeugen eines Revitalisierungs- und teilweise Erneuerungsmoments des europäischen Systems der Normenkontrolle. Gleichzeitig fallen auch andere Mauern mehr symbolischer Natur, die die nationale Verfassungsgerichtsbarkeit überall betreffen: Für den entstehenden kontinentalen Rechtsraum ist es eine Periode der Neupositionierung der Verfassungsgerichte in einem supranationalen Verfassungsraum, in dem die staatlichen Grenzen immer weniger bedeuten. Die Entwicklung zu einem pluripolaren europäischen Rechtsraum, der auch die „Entthronung“ der nationalen Verfassungsgerichte mit sich bringt, ist das Werk von zwei europäischen Akteuren richterlicher Natur, dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und dem Gerichtshof der Europäischen Union. Dieses Bild wird schließlich durch die Stärkung der verfassungsrechtlichen Dimension nationaler Oberster Gerichte in Staaten, in denen spezielle Verfassungsgerichte fehlen, vervollständigt. Auf dieses letzte Phänomen ist zunächst kurz einzugehen.

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Es sind mehrere oberste nationale Gerichte, die besonders in dieser Periode ihre verfassungsgerichtliche Funktion verstärken. Dies gilt unter anderen für Finnland[232] und die Niederlande.[233] Die Rolle des Schweizer Bundesgerichts bei der Verfassungsentwicklung ist schon hervorgehoben worden.[234] Diese allgemeine Entwicklung steht oft in Zusammenhang mit dem Prozess der europäischen Integration. Die Tendenz dieser Gerichte, der Konferenz der Europäischen Verfassungsgerichte als Vollmitglied – nicht nur als Beobachter – beizutreten, wurde bereits erwähnt.[235] Im Vereinigten Königreich wird die Prüfung der Parlamentsgesetze über verschiedene Umwege ermöglicht. In dieser Beziehung gewinnt die dortige Einsetzung eines Supreme Court am 1. Oktober 2009, mit dem entsprechenden Verlust der gerichtlichen Funktionen des House of Lords, im Rahmen unserer Entwicklung symbolreichen Charakter.[236]

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