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aa) Polen

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Die Entwicklung in Polen[244] ist zunächst einmal Ausdruck einer veränderten Einstellung zur Verfassungsgerichtsbarkeit. Während 1920 die Verfassung der 1. Republik das richterliche Prüfungsrecht in klaren Worten ausgeschlossen hatte,[245] scheint nun die Zeit der gerichtlichen Garantie der Verfassung für Polen gekommen. Dieser Fall ist vor allem deshalb beachtenswert, weil bereits 1985, unter der Verfassung der Volksrepublik, ein „Verfassungsgericht“ ins Leben gerufen wurde. Der politische Kontext zeichnete sich durch eine enorme politische Ambiguität[246] aus, wobei die Zuständigkeiten dieses Verfassungsgerichts unbedeutend blieben. Dennoch, als sich 1989 das politische System im Wege fragmentarischer Reformen in Richtung einer pluralistischen Demokratie entwickelte, war es diesem Verfassungsorgan schon gelungen, verbreitet Ansehen in der Öffentlichkeit zu gewinnen. So wurde es möglich, dass in der langen darauffolgenden Periode bis 1997, als es Polen endlich gelang, eine grundlegend neue Verfassung zu verabschieden, das Verfassungsgericht sich dazu berufen sah, auf der kargen Basis der veränderten, aber letzten Endes beibehaltenen Verfassung der vorigen Volksrepublik als Verfassungsakteur aufzutreten.

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Das polnische Verfassungsgericht bildet unter den erwähnten Umständen das erste Beispiel eines Verfassungsgerichts, das bereit ist, die vollständige Umwandlung des politischen Regimes in einen Rechtsstaat durchzuführen.[247] Mit der Ausweitung seiner Zuständigkeiten auf die Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit der gesamten Rechtsordnung der Republik im Jahr 1989 erhält das Verfassungsgericht das Instrumentarium, das diese definitive Umwandlung ermöglicht.

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Die polnische Verfassungsgerichtsbarkeit wird durch die dank seiner breiten Antragsberechtigung besonders aktive Position des Bürgerrechtsbeauftragten charakterisiert.[248] Erwähnenswert ist auch die Typisierung der verschiedenen Urteilsgattungen,[249] wie insbesondere die „Signalurteile“, die auf halbem Weg zwischen Untätigkeitskontrolle und repressiver Normenkontrolle liegen.[250] Dabei handelt es sich nicht unbedingt um verbindliche Urteile, sondern vielmehr um Urteile, mit denen der Gerichtshof auf Mängel oder Lücken im Rechtssystem hinweist, die seine Kohärenz beeinträchtigen könnten.

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