Читать книгу Erwärmung und Wohlstand oder Abkühlung und Verfall - Norbert Buchner - Страница 40
Die Flut im Schwarzen Meer
ОглавлениеVor einigen Jahren haben die amerikanischen Geologen W.Pitman und W.Ryan vom Lamont-Doherty Earth Observatory der Columbia University, New York, mit ihren sensationell aufgemachten Büchern zu einer „Sintflut im Schwarzen Meer“ großes Aufsehen erregt. Nach ihrer Darstellung war um 10 000 v.h. der Spiegel des Schwarzen Meers unter die Höhe der Überlaufschwelle am Bosporus (-46 Meter des heutigen Niveaus) gefallen, sodass die Verbindung des Schwarzen Meers im Bosporus zum Maramarameer unterbrochen war. Der Kanal des Bosporus habe sich dann allmählich mit Einschwemmungen von seitlichen Zuflüssen gefüllt, welche eine zusätzliche Barriere für das Wasser aus dem Marmara- und Mittelmeer aufgebaut haben sollen. Als dann nach 8000 v.h. das Schwarze Meer wieder zu steigen begann hätte diese Barriere gegen 7500 v.h. dem Druck des Mittelmeers nicht mehr Stand gehalten und ein „Wasserfall von der zweihundertfachen Wucht der Niagarafälle“ sei in das Becken des Schwarzen Meeres gestürzt und weite Schelfgebiete seien überflutet worden. Die beiden Forscher sehen einen Umschlag von Süßwassermuscheln zu Salzwassertypen im Schwarzen Meer vor 7500 Jahren als Beweis ihrer These von der plötzlichen Flutung des „Süsswasser-Sees Schwarzes Meer“ durch das Salzwasser des Mittelmeeres. Die Kunde von dieser „Sintflut“ sei über Handelswege oder Rückwanderungen auch nach Mesopotamien gekommen, wo sie dann in späteren Aufschrieben – Flut des Gilgamesch – festgehalten wurde.
In der Tat sind am Rande des Schwarzen Meers bei der Beendigung der Eiszeit riesige Schelfgebiete überflutet worden, vor allem vor der Küste der Ukraine, vor Moldavien, Rumänien und – auslaufend – vor Bulgarien. Das gesamte Asow'sche Meer war vorher eine trockene Ebene.
Die Darstellung der beiden amerikanischen Autoren steht aber in Gegensatz zu wissenschaftlichen Befunden, welche schon vorher bekannt waren oder bei der Überprüfung ihrer Darstellung erarbeitet wurden.
Abb. 14 Anstieg des Wasserspiegels im Schwarzen Meer bei und nach Beendigung der Eiszeit
Bekannt waren schon die Untersuchungen des russischen Wissenschaftlers Serebryanni, welcher mittels Sedimentuntersuchungen den Verlauf des Wasserspiegels des Schwarzen Meeres für die vergangenen 17 000 Jahre bis zur Neuzeit erforscht hat (s. Abb. 14). Nachdem nach Beginn der Gletscherschmelze viele große Ströme – Donau, Pruth, Dnjestr, Bug und Dnjepr – das Schmelzwasser von Gebirgsgletschern und von der großen skandinavischen Eismasse in das räumlich begrenzte Binnenbecken des Schwarzen Meers eintrugen, muss dort die Wiederauffüllung zunächst schneller verlaufen sein als in den riesigen Becken der Weltmeere. In der Tat fing der Spiegel des Schwarzen Meeres mit dem Nachlassen der großen Kälte schon nach 17 000 v.h. an langsam zu steigen. Der Kälterückfall der Jüngeren Dryas allerdings setzte dann eine längere Pause bis etwa 11 000 v.h. (Abb. 14). Eine Untersuchung einer internationalen Gruppe von Geologen um A.Aksu zeigte, dass in der folgenden Zeit schon Wasser aus dem Schwarzen Meer über den Bosporus ausfloss, denn ein Delta schob sich vom Schwarzen Meer weg. Der Kälterückfall vor mehr als 8000 Jahren brachte dann erneut einen Stillstand; anschließend setzte der Meeresspiegel seinen Anstieg wieder fort (Abb. 14).
Vor 8000 Jahren war das Schwarze Meer noch ein riesiger Süßwassersee in einer weiten Tiefebene, welcher für Ackerbauern ein bevorzugtes Siedlungsgebiet gewesen sein kann. Das war bestes Bauernland! Allerdings müssen die Kälterückfälle im Zeitraum zwischen 8 500 und 8 000 v.h. den Menschen zugesetzt haben ebenso wie die wechselhaften und stürmischen Zeiten nach der Wiedererholung der Temperatur bis zur Stabilisierung eines wieder fruchtbaren feuchtwarmen Klimas. Paradiesische Verhältnisse haben die Menschen dort nicht erlebt!
Mit der starken Erwärmung nach 8000 v.h. begann auch das Schwarze Meer anzusteigen (s.Abb. 14) und es vertrieb die Menschen mehr und mehr aus den fruchtbaren Niederungen: riesige Flächen von rund 100 000 Quadratkilometern wurden allmählich überflutet. Es kam also ein ähnlicher Prozess in Gang, wie er schon für das Meer im Persischen Golf geschildert worden ist. Es sollte aber nicht bei dem einen Unglück bleiben: um 7500 v.h. begann – trotz eines kontinuierlichen Ausflusses von Süßwasser – der bisherige riesige Süßwassersee Schwarzes Meer auch noch zu versalzen, sodass das Wasser für die Bewässerung von Feldern und die Tränke von Tieren unbrauchbar wurde.
Waren in dieser Frühzeit denn schon moderne Menschen in den Niederungen des Schwarzen Meeres? Die damaligen Flächen in den Flachgebieten des Schwarzen Meers sind heute wegen der Überflutung für die Forschung unzugänglich. Allerdings hat man dort auf dem Meeresgrund eine Steinschale gefunden, welche als „Noahs Schale“ durch die Presse ging. In den heute noch bestehenden Grenzgebieten des Schwarzen Meers an Pruth, dem Grenzfluss zwischen Moldavien und Rumänien, an Dnjepr, Bug und Dnjestr und auf der angrenzenden Halbinsel Krim, ist aber eine frühe Anwesenheit von modernen Menschen nachgewiesen. Besonders auf der Krim hat man mikrolithische Steinwerkzeuge gefunden, die mindestens 8000 Jahre alt sind.
Eine plötzliche Flutung eines riesigen Süßwassersees Schwarzes Meer durch Salzwasser hat es nicht gegeben. Aber wie ist dann die Versalzung um 7000 v.h. erklärbar? Im Bosporus herrscht heute eine komplizierte Strömung und die Fischer wissen seit Menschengedenken, dass ihre Netze, fischen sie an der Oberfläche, vom Schwarzen Meer weg getrieben werden. Fischen sie jedoch in der Tiefe, so treiben die Netze zum Schwarzen Meer hin. Die Ursache liegt in 2 unterschiedlichen Strömungen, einem Ausstrom von leichterem salzarmem Wasser an der Oberfläche aus dem Schwarzen Meer und einem spezifisch schwereren salzreichen Unterstrom vom Marmarameer zum Schwarzen Meer hin. Die Trennlinie der beiden Ströme liegt in etwa 15 Meter Tiefe. Erst darunter kann sich der schwerere Einstrom ins Schwarze Meer ausbilden. Die Erklärung ist nun: erst nachdem der letzte Anstieg der Ozeane und des Mittelmeers eingesetzt hatte, wurde die Schwelle im Bosporus so hoch überflutet und die Ausströmgeschwindigkeit damit so weit abgesenkt, dass unter dem Ausstrom an der Oberfläche dieser Gegenstrom in der Tiefe aus schwererem salzreichem Wasser anlaufen und dem Gefälle der Rinne zum Schwarzen Meer folgen konnte. Dies führte dann zur Versalzung des früheren Süßwassersees Schwarzes Meer und zur Ansiedelung von Salzwasser-Muscheln. Einen katastrophalen Einbruch des Mittelmeers in das Schwarze Meer hat es zumindest während dieser Zeit nicht gegeben!
Bei dieser vierten Flut liefen am Schwarzen Meer wohl dieselben Vorgänge ab, wie sie schon für den Süden Mesopotamiens geschildert wurden. Die Menschen wurden aus den fruchtbaren Niederungen an die heutigen Küsten gedrängt. Vermutlich haben sich hier ähnliche Tragödien wie am Persischen Golf abgespielt, wenn die Menschen bei stürmischem Wetter zwischen den anschwellenden Wasserarmen eingeschlossen wurden. Im Prinzip hätte sich wegen ähnlicher Vertreibungsvorgänge durch eine große Flut ein Sintflutmythos ebenso leicht am Schwarzen Meer bilden können wie am Persischen Golf. Der bleibende Schriftgebrauch für die Überlieferung von unvergesslichen Ereignissen setzte aber am Persischen Golf viel früher ein! Aus dem angrenzenden Mesopotamien wurde die Erinnerung an die Flut dann über den Pfad der jüdisch-christlichen Religionen und über Funde von Tontäfelchen mit dem Gilgamesch-Epos ins Abendland transportiert und in der Neuzeit durch die Entdeckung von alten Aufzeichnungen auf Tontäfelchen aus den Bibliotheken von Ninive und Sippar bestätigt.
Archäologisch lässt sich in dieser Zeit im Grenzraum zum Schwarzen Meer eine große Unruhe mit zahlreichen teils auch kleinräumigen Migrationen feststellen. Ursache war wohl das Eindringen von vom Meer vertriebenen Menschen in schon besetzte Räume. Und als es wieder wärmer geworden war und sich das Wetter beruhigt hatte, wurde der Balkan dann zur Ausgangsregion von zwei ganz außerordentlichen kulturellen Entwicklungen, welche noch geschildert werden. Lit. 11.3