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Baltimore (1986)

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Ich hatte meine Eltern überzeugen können, dass ich unbedingt am Schüleraustausch nach Baltimore teilnehmen musste, so ich denn ausgelost wurde. Das war gar nicht so einfach, denn der ganze Spaß kostete ca. 1.500 Mark für vier Wochen, was eine Menge Kohle für meine Eltern war. Sie sollten es als Investition in meine Zukunft sehen, ich würde schließlich meine Englischkenntnisse verbessern. Da ich damals irgendwas mit Sprachen machen wollte, ich hatte ja auch noch Französisch-Leistungskurs, war die Sache geritzt. Jetzt musste ich nur noch ausgelost werden. Die Anzahl der Bewerber war doppelt so hoch wie die Anzahl der Plätze, daher musste das Los entscheiden. Es war wohl Schicksal, dass ich ausgelost wurde, denn der Baltimore-Aufenthalt war quasi der Beginn meiner Drogenkarriere.

Wir sollten bei Studenten der University of Baltimore untergebracht werden und waren während des fast zehnstündigen Fluges natürlich gespannt, was und vor allem wer uns am Flughafen erwartete. Wir landeten im Frühjahr 1986, im April, in Baltimore und wurden von unseren Studenten in Empfang genommen. Mein Student hieß John, er war zwanzig Jahre alt, zu dem Zeitpunkt also vier Jahre älter als ich. Er hatte lange Haare, zerrissene Jeans und eine John-Lennon-Brille auf der Nase. Sein Vater war eine Zeit lang in Deutschland stationiert und er konnte sehr gut deutsch sprechen, was mir ganz gelegen kam, denn während der ersten Wochen traute ich mich nicht so richtig, englisch zu sprechen, da ich Angst hatte, mich zu blamieren mit meinem Schulenglisch.

Wir verstauten meinen Koffer in Johns Privat-Pkw und fuhren los in Richtung Baltimore-City. Ich dachte, wir führen schnurstracks zu seinem Elternhaus, doch John sagte, er müsse noch was in der City besorgen. Nach zwanzig Minuten kamen wir in einem Viertel an, das ziemlich heruntergekommen aussah und überwiegend von Schwarzen bevölkert wurde. Er hielt an einer Ecke an, woraufhin auch schon ein Typ mit einem Baltimore-Orioles-Cap ankam, dem hiesigen Baseballverein. John gab ihm einen Zwanzig-Dollar-Schein und erhielt dafür eine Tüte mit Marihuana, wie ich nur kurze Zeit später erfahren sollte. Jahre später sollte ich diese Ecke von Baltimore in der großartigen HBO-Serie „The Wire“ wiedersehen.

Danach fuhren wir zu einer Freundin von ihm, die direkt in Baltimore wohnte. Sie hatte gerade ein Paket ihrer Eltern aus Köln bekommen, das unter anderem eine ziemlich große Wasserpfeife beinhaltete. Okay, warum nicht. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich lediglich Erfahrungen mit Alkohol, was irgendwie nicht so meins war, und Ephedrin gemacht.

Wir waren insgesamt zu viert und die Wasserpfeife machte die Runde. Ich war von dem Flug eh schon ziemlich müde, das Gras ließ mich nur noch müder werden, aber auf eine angenehme Art und Weise. Es wurde viel gelacht, man näherte sich an. John merkte, dass ich sehr müde war, und so machten wir uns, drei Stunden nach der Landung, auf den Weg zu Johns Elternhaus. Das lag fünfzig Meilen von Baltimore-City entfernt, sehr schön gelegen in einem kleinen Waldstück.

Dort angekommen, stellte ich mich kurz bei seinen Eltern vor, die mich sehr warmherzig aufnahmen, um kurz darauf in einen komatösen zwölfstündigen Schlaf zu fallen.

Am nächsten Morgen hatte ich einen Bärenhunger und nach einem ausgiebigen Frühstück machten John und ich uns in seinem Wagen auf den Weg zur Uni. Die Sonne lachte, ich war gestärkt und ausgeschlafen. Alles war schön. Auf der Hälfte der Strecke hielt John an und stopfte sich eine Purpfeife voll mit Gras, die er entzündete und dann auch an mich weiterreichte. Ja gerne, dachte ich. Die gestrige Erfahrung hatte mir sehr gut gefallen. Danach ging es weiter über den Highway in Richtung Universität. Ich fühlte mich gut und musste an „Easy Rider“ denken.

Bei der Uni angekommen, verabschiedete John sich zu seinen Vorlesungen, während ich mich mit meinen Mitschülern und unserem Englischlehrer traf. Wir hatten den Vormittag zur freien Verfügung, und ich entschloss mich dazu, mit einem Mitschüler auf dem Unigelände Tennis zu spielen.

Abends lief dann eine Willkommensparty, auf der es hoch herging. Das muss man den Amis lassen. Feiern konnten sie. Später kamen dann noch diverse Ausflüge (Washington, Chesapeake Bay) dazu. Ich hatte eine wirklich gute Zeit und mein Englisch verbesserte sich auch. Es verging dann kein Tag mehr, an dem ich nicht Gras geraucht habe während der ersten drei Wochen. Es gab mir ein gutes Gefühl und ich überlegte schon während meines Aufenthaltes dort, wie ich in Hannover an Gras kommen könnte.

Nach drei Wochen Baltimore hieß es dann Abschied nehmen, die letzten fünf Tage ging es nach New York, wo wir im YMCA unterkamen und die Stadt erkundeten.

Nach insgesamt vier Wochen war das Abenteuer Amerika für mich vorbei. Ich hatte eine Menge Erfahrungen gesammelt und eine neue Leidenschaft für mich entdeckt: Marihuana.

Leberkoma

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