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Reha auf Föhr (1998)

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Die erneuten 4 Wochen in der MHH hatten ihre Spuren hinterlassen. Ich hatte durch die Pankreatitis wieder einiges an Gewicht verloren und auch psychisch ging es mir nicht besonders gut. Mein Arzt verordnete mir eine Reha. Ich wollte erst nicht, weil ich Angst um meinen Job hatte, aber meine Chefin sagte mir, ich hätte nichts zu befürchten und solle erst mal wieder richtig fit werden. Also fand ich Gefallen an dem Gedanken, mal für 3 oder 4 Wochen aus Hannover rauszukommen. Ich war im zweiten Jahr nach der Transplantation schon mal zur Reha in Mölln. Das war ganz nett, aber es musste doch noch andere, schönere Kliniken geben.

Da auf meiner umfangreichen Diagnoseliste unter anderem auch eine chronische Bronchitis sowie Zustand nach 3 Lungenentzündungen seit der Transplantation stand, fiel meine Wahl auf die wunderschöne Nordseeinsel Föhr, die ich später noch öfter aufsuchen sollte. Die Kurklinik befindet sich im Inseldorf Utersum, im Westen der Insel vis-à-vis der Inseln Sylt und Amrum. Sie liegt unmittelbar am Strand in der Nähe eines kleinen Waldes.

Ich hatte Glück, zeitnah einen Termin zu bekommen, sodass ich Ende Januar 98 auf Föhr ankam. Per Shuttle ging es vom Hafen in Wyk zur Klinik nach Utersum. Ich bekam mein Zimmer und staunte nicht schlecht. Mein Blick ging zum Fenster, von dem aus ich Strand- und Meerblick genießen konnte. Außerdem konnte man bei gutem, klarem Wetter bis nach Sylt und Amrum gucken. Das ging in Ordnung, 3 oder 4 Wochen Reha in solch einer traumhaften Umgebung ließ ich mir gefallen. Zudem gefiel mir die Einsamkeit am Strand während des Winters. Frühmorgens, manchmal schon vor dem Frühstück, lief ich zum Strand, um dann minutenlang keinem weiteren Menschen zu begegnen. Nur das Rauschen des Meeres und Schilfgras, das sich im kalten Wind bog. Herrlich. Hier konnte man es gut aushalten, selbst, oder gerade im Winter.

Ich verklickerte dem Arzt, dass ich hier gar nicht viel Programm bräuchte. Ein bisschen Fango und Massage, Bäder und Sole inhalieren würden vollkommen ausreichen nach dem Stress mit der Pankreatitis. Das würde ich mit kilometerlangen Strandspaziergängen ergänzen und schon wäre ich glücklich. Und so war es dann auch.

Meine Tischnachbarn setzten sich aus einem Kölner, einer Frau aus München sowie einer Frau aus Stuttgart zusammen. Wir hatten einen ganz guten Draht zueinander und verbrachten auch unsere Freizeit miteinander. Wir gingen am Strand spazieren, tranken Tee in urigen kleinen Cafés oder gingen abends essen in einem deutschen Restaurant mit dem martialischen Namen „Zum Schlachter“ in Nieblum. Viele der kleinen Inseldörfer endeten auf -um, ich musste immer an Asterix denken bei den Namen: Utersum, Nieblum, Borgsum, Wrixum und so weiter. In dem kleinen Dorf Süderende besuchten wir das Grab des glücklichen Matthias, einem nordfriesischen Walfänger und Kapitän, der im 17. Jahrhundert innerhalb von 50 Jahren ganze 373 Wale erlegt haben soll. Alle umarmten das Grab und erhofften sich auch etwas von besagtem Glück.

Mit dem Kölner Tischnachbarn vereinte mich meine Leidenschaft zu Hannover 96. Komischerweise. Warum er als Kölner denn kein FC-Fan sei, fragte ich ihn. Er sagte, dass er als Kind mal einen Sieg von 96 gegen Bayern, ja, das gab es tatsächlich mal, in der Sportschau gesehen habe. Von da an schlug sein Herz für 96, während seine beiden Brüder FC- und Bayern-Fans sind. Zusammen sahen wir die Spiele der Roten in einer Premiere-Bar in Wyk.

Die Zeit auf Föhr verging schnell, der Aufenthalt bekam mir blendend. Die Luft auf Föhr tat mir total gut und auch mein Appetit kam wieder, sodass ich 6 Kilo zunahm und scheinbar auch für die Damenwelt wieder interessant wurde. Die Stuttgarterin, die 15 Jahre älter und noch dazu verheiratet sowie Mutter zweier schon fast erwachsener Kinder war, klopfte ein paar Tage vor Ende der Kur abends an mein Zimmer und brachte eine Flasche Wein mit. Wir landeten in der Kiste und wiederholten das bis zur Abreise täglich. Ich fühlte mich natürlich gebauchpinselt, dass mich eine so attraktive ältere Frau begehrte. Ihr Mann war übrigens Ornithologe, ich erspare mir hier jetzt irgendwelche blöden Wortspiele.

Wenn Hannover 96 auswärts in Stuttgart spielt, würde ich sie besuchen, sagte ich ihr, und so kam es dann ein knappes Jahr später auch. Ein im Nachhinein betrachtet ziemlich schräger, irgendwie surrealer Ausflug. Ich nahm mir Freitag frei, fuhr nach Stuttgart, wo ich mir ein Hotelzimmer genommen hatte. Als ich da war, rief ich sie an. Sie kam zu mir ins Hotel, wir landeten in der Kiste. Als wir fertig waren, sagte sie in ihrem schwäbischen Dialekt: „Und jetzt fahren wir zu mir und ich stelle dich meinem Mann und meinen Kindern vor.“

Ja klar gerne, ich konnte mir nichts Schöneres vorstellen. Dem Mann die Hand zu schütteln, mit dessen Frau ich kurze Zeit vorher noch Sex hatte, war schon immer meine Traumvorstellung eines zwanglosen Kennenlernens. Ihm die Hand zu reichen, die vorher Regionen des Körpers seiner Frau erforscht hatte, die er scheinbar schon länger nicht mehr gesehen hatte, erschien mir wenig verlockend. Wir fuhren also zu ihrem Haus, wo sie mich tatsächlich ihrer Familie vorstellte. Es war schon eine ziemlich skurrile Situation für mich. Als er mich ansah, war ich mir sicher, dass er Bescheid wusste.

Am nächsten Tag ging es ins Neckarstadion, wo 96 vom VFB den Arsch versohlt bekam. Anschließend fuhren wir in mein Hotel und landeten erneut im Bett. Spät abends verabschiedete sie sich und ich legte mich schlafen. Am nächsten Morgen wollte ich früh auf die Autobahn. Die Frau aus Stuttgart sollte ich nie wiedersehen.

Mitte März 98 endete dann mein erster Aufenthalt auf meiner neuen Lieblingsinsel Föhr und ich machte mich gut erholt auf den Weg nach Hannover.

Leberkoma

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