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Lebertransplantation (1993)

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Am 3. September 1993 brachte mich mein Vater in die Medizinische Hochschule Hannover, am 6. September kam die für mich lebensrettende Nachricht: Eurotransplant hatte eine passende Leber für mich. Die Stiftung Eurotransplant mit Sitz in Leiden, Niederlande, ist als Serviceorganisation verantwortlich für die Verteilung von Organen in acht europäischen Ländern.

Es konnte also losgehen. Ich bekam von alldem natürlich nichts mit, ich lag ja im Koma. Die OP dauerte 8 Stunden, ich hatte zwei Herzstillstände, musste reanimiert werden und lag danach noch eine Woche im künstlichen Koma. Dann kam der Tag, an dem ich aus dem Koma erweckt wurde. Ich hörte die Krankenschwester zu mir sagen: „Es ist alles gut, versuchen Sie ruhig zu bleiben. Sie hatten eine schwere OP, Sie haben eine neue Leber erhalten.“ Ich öffnete langsam die Augen, versuchte etwas zu sagen, was mir nicht gelang, da ich noch intubiert war. Langsam schaute ich mich um. Um mich herum standen überall Maschinen und diverse Schläuche, Zugänge und ein Katheter steckten in meinem Körper. Außerdem war mein Bauch mit einem Verband bedeckt. Am liebsten wäre ich gleich wieder ins Koma gefallen. Die Situation überforderte mich. Das Letzte, woran ich mich noch erinnerte, war, dass es mir irgendwie komisch ging, bevor ich ins Leberkoma fiel. Das hing damit zusammen, dass die Leber während des Versagens Giftstoffe nur noch unzureichend verstoffwechselt, und so Giftstoffe, unter anderem Ammoniak, freiwerden, die zu einer zunehmenden Verschlechterung mentaler Prozesse und motorischer Fähigkeiten führt, bevor dann das Leberkoma eintritt.

Doch damit nicht genug. Die eigentliche Transplantation sollte nicht mein letzter Aufenthalt im OP sein. Am nächsten Tag bekam ich hohes Fieber, es war von Nachblutungen die Rede sowie einer Pilzinfektion in der Lunge. Ich wurde also noch mal operiert, nur diesmal mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass mein Bauch diesmal nicht mehr zugenäht wurde, sondern offen blieb. Als mir das dann zugetragen wurde, wollte ich nicht mehr. Ich wollte nicht mehr leben. Meine Vorstellungskraft, je wieder ein halbwegs normales Leben zu führen, geschweige denn irgendwann wieder halbwegs gesund zu werden, reichte einfach nicht aus. Nach diversen Gesprächen mit Ärzten und auch den Schwestern und Pflegern, die für mich zuständig waren, war ich zumindest so weit, zu kämpfen und zu versuchen, irgendwie wieder auf die Beine zu kommen. Mein offener Bauch wurde ein- bis zweimal am Tag gespült und dann wieder abgedeckt. Ich blieb zwei Monate auf der Intensivstation. Es ging mir nach und nach besser. Allerdings hatte ich diverse Kilos verloren. Als ich kurz vor Weihnachten 1993 nach weiteren vier Wochen auf der Normalstation die MHH verließ, wog ich knapp 50 kg. Bei 1,80 m Körpergröße war das nicht mehr wirklich viel. Auf der Normalstation riskierte ich dann auch endlich einen Blick auf den offenen Bauch; ich konnte und wollte mir das Elend während der zwei Monate Intensivstation nicht angucken. Die Flächen des Bauches, die schon verheilt waren, waren von einer dünnen Hautschicht überzogen, unter der man die Blutgefäße sehen konnte. Der Rest sollte noch weitere drei Monate brauchen, bis alles komplett zugeheilt war.

Weihnachten verbrachte ich zu Hause, bevor es im Januar für ganze 6 Wochen zur Anschlussheilbehandlung nach Lienz in Osttirol ging. In den Ederhof, ein Reha-Zentrum für junge Erwachsene und Jugendliche vor oder nach einer Transplantation, gegründet 1992 von Prof. Dr. Ina Pichlmayr und ihrem Mann Prof. Dr. Rudolf Pichlmayr, einem der führenden Transplantationsmediziner seiner Zeit, der den Begriff Transplantationsmedizin mit prägte und 1997 viel zu früh verstarb. Ich erinnere mich heute noch an die Visiten mit ihm. Er war eine äußerst charismatische Erscheinung, strahlte sehr viel Ruhe aus, und seiner Entourage konnte man den Respekt in ihren Gesichtern ansehen, den sie vor ihm hatten. Zurückblickend bin ich heute sehr froh, dass ich von dem Pichlmayr-Team transplantiert wurde.

Leberkoma

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