Читать книгу Leberkoma - Olaf Hönicke - Страница 19

Grundwehrdienst (1988)

Оглавление

Das Abi in der Tasche suchte ich mir einen Nebenjob, um die Zeit bis zum beginnenden Grundwehrdienst im Oktober zu überbrücken und etwas Kohle nebenbei zu verdienen. Ich arbeitete für 3 Monate in einer Fabrik für Förderbänder in Garbsen an einer Stanze. Es gab gutes Geld, war aber ein Job mit Abstumpfungsgarantie, wenn man dort länger arbeiten musste, was ich ja nicht vorhatte. Ich sah dort Arbeiter, die 20 Jahre und länger dort arbeiteten und morgens ihre Maschine mit Namen begrüßten. Krass, mir war klar, so würde ich nicht enden wollen.

Den Feierabend verbrachte ich meistens bei Pat, wir chillten, rauchten Shit, hörten Musik oder spielten Poker zusammen mit Pedro und Manuel. Eines Tages brachten die Spanier eine Flasche Ammoniak mit und zeigten uns eine neue Art und Weise, das Koks zu konsumieren: das Freebasing. Dabei wird das Koks unter Zugabe von Ammoniak zu rauchbarem Freebase. Die Wirkung ist heftiger, aber auch kürzer als die Aufnahme durch die Nase. Ähnlich wie Crack, das durch die Zugabe von Backpulver/Natron entsteht. Beide Varianten vereint das höhere Abhängigkeitspotenzial. Nach so einem durchfeierten Abend brauchte ich Unmengen von Hasch, um von dem Base wieder runterzukommen. Das Koks drehte einen auf, sodass es schwer war einzuschlafen. Da ich morgens raus musste, um meinen Nebenjob auszuüben, ging ich dazu über, nur am Wochenende zu basen.

Die Zeit verging, meine Einberufung zum Bund rückte näher. Die Frage, ob Bund oder Zivildienst stellt sich mir damals nicht, da ich über Beziehungen meines Vaters die Zusage hatte, nach der dreimonatigen Grundausbildung einen Job hier in Hannover in der Schreibstube der Prinz-Albrecht-Kaserne zu bekommen. Heute würde ich definitiv den Zivildienst wählen.

Im Oktober machte ich mich dann auf den Weg nach Northeim in den Harz zur Grundausbildung als Panzergrenadier. Der Ton, der dort herrschte, passte mir überhaupt nicht. Ich eckte oft mit meiner flapsigen Art an und merkte sehr schnell, dass ich ein ausgewachsenes Autoritätsproblem entwickelte, dass mich mein weiteres Leben immer mal wieder vor Probleme stellen sollte. Als Folge meiner nicht seltenen Widerworte gegenüber unserem Ausbildungsunteroffizier durfte ich, wie der Großteil der Kameraden, nicht schon am Freitag ins Wochenende, sondern verübte oft noch einen Sonderdienst, sodass ich oft erst samstags in mein Wochenende startete.

Während der Wochenenden war ich anfangs viel mit Pat unterwegs, bis er einen Monat vor Ende meiner Grundausbildung Paula kennenlernte, die zu diesem Zeitpunkt bereits Heroin rauchte. Ich war eifersüchtig auf Paula, nicht im herkömmlichen Sinn, aber ich merkte, dass sich etwas änderte, und befürchtete, dass Paula unsere Drogenallianz durcheinander bringenkönnte.

Pat hatte nun weniger Zeit; wenn ich mal bei ihm war, rauchte Paula Heroin, während wir bei Hasch und Koks blieben. Wir sahen die negativen Auswirkungen des Heroinkonsums bei Paula und waren uns sicher, dass wir nie in solch eine Situation geraten würden.

Die Hamburg-Connection war aufgeflogen, Pat vertickte nur noch Shit und wurde, je länger die Beziehung mit Paula andauerte, immer unzufriedener. Klar, Paula brauchte Kohle für Shore, und solange die Hamburg-Connection aktuell war, war das auch alles kein Problem. Nur mit dem Verkauf von Shit war das dann allerdings nicht mehr zu finanzieren, zumal der eigene Kokskonsum ja auch noch finanziert werden wollte. Ohne die Hamburg-Connection sah das mau aus. Wir besorgten uns das Koks für den Eigenkonsum jetzt über Pedro und Manuel, die eine qualitativ gute, aber auch ziemlich überteuerte Quelle hatten. Es fehlte Pat mittlerweile auch an Kohle, um größere Mengen Koks für den Weiterverkauf zu organisieren, sodass auch für mich die Zeiten vorbei waren, wo ich für lau Koks und Shit konsumieren konnte.

Die Grundausbildung ging dem Ende zu, Weihnachten 1988 verbrachte ich zu Hause, um im Januar 89 dann meinen Dienst in der Schreibstube der Prinz-Albrecht-Kaserne anzutreten. Der Job war wirklich ein Witz: Landkarten auszeichnen, Botengänge innerhalb der Kaserne und Kaffee kochen im Offizierskasino. Nachmittags um 17.00 Uhr war Feierabend und ich verbrachte die Nächte zu Hause in meiner Wohnung, ebenso die Wochenenden.

Der Kontakt zu Pat war während dieser Zeit etwas abgebrochen. Shit bekam ich von einem Kameraden beim Bund, da Pat immer unzuverlässiger wurde. Den Grund dafür sollte ich kurze Zeit später erfahren: Pat war mittlerweile auch am Shore rauchen.

Ende Januar 89 spielten wir Fußball in der Halle der Kaserne, und einer meiner Kameraden trat mir mit gestrecktem Bein das Schienbein durch. Nie werde ich die Schmerzen vergessen, die ich damals hatte. Ebenso wenig das Geräusch, als der Knochen brach. Es hörte sich an, als hätte jemand einen morschen Ast durchgetreten.

Ich schrie wie am Spieß, wurde in den Sanitransporter verfrachtet, bekam eine Morphiuminfusion gegen die Schmerzen und wurde in den San-Bereich verfrachtet.

Am nächsten Tag wurde ich in die Unfallklinik verlegt, wo man mich vor die Wahl stellte, den Bruch zu operieren, oder, da die Knochen gut durchgebrochen waren, es so zusammenwachsen zu lassen. Ich entschied mich gegen die OP, wohlwissend, dass es so länger dauern würde und ich mich auf eine längere Zeit KZH einstellen konnte. KZH bedeutet „krank zu Hause“ und kommt einem gelben Schein gleich. Ich lag eine Woche in der Unfallklinik zusammen mit 4 Leuten auf einem Raucherzimmer. Unvorstellbar heute, aber damals, 1989, gab es tatsächlich Krankenzimmer im Krankenhaus, in denen man rauchen durfte! Wir nutzten das ausgiebig, zusätzlich tranken wir auch einiges an Bier während unseres Aufenthaltes dort. Verrückte Zeiten!

Nach einer Woche in der Unfallklinik ging es dann auf Krücken und mit Gips nach Hause. Es war noch kein Gehgips und ich sollte das Bein ruhig stellen. Da mein Haschvorrat allerdings zur Neige ging, machte ich mich auf den Weg zu Pat, 3 Etagen auf Krücken runter und 3 Etagen auf Krücken rauf. Wenn ich etwas wollte, speziell wenn es sich um bewusstseinsverändernde Drogen handelte, war mir kein Weg zu weit. Pat hatte gerade kein Hasch am Start, er vertröstete mich auf morgen, wir rauchten noch eine Tüte, bevor ich mich wieder auf den Weg nach Hause machte.

Am nächsten Tag machte ich mich nachmittags auf den Weg zu Pat. Dort angekommen öffnete mir Paula die Tür und sagte, dass Pat ein paar Platten Hasch organisieren wollte, es aber unsicher sei, ob das klappen würde. Ich hatte gestern Nacht meinen letzten Krümel Afghanen verköstigt und kannte es überhaupt nicht, keinen Shit mehr auf Tasche zu haben. Pat traf nach einer knappen Stunde mit schlechten Nachrichten ein. Es gab gerade weit und breit kein vernünftiges Hasch. Eventuell könnte er am Wochenende was klarmachen. Und er selbst hatte auch nur noch ein kleines Rauchpiece auf Tasche.

Ich überlegte und sah Paula, wie sie gerade ein Blech mit Heroin rauchte, sie nannte es „den Drachen jagen“. Beim Blechrauchen nimmt man ein glattgedrücktes Stück handelsüblicher Haushalts-Alufolie, knickt es einmal in der Mitte ein. Das Heroin, auch Shore genannt, legte man dann in diesen Knick. Dann erhitzte man das Heroin mit einem Feuerzeug, das man unter die Folie hält. Durch die Wärme verflüssigt sich das Heroin zu einem schwarzen Öl, das dann in dem Knick auf- und abfließen kann. Den dabei entstandenen Rauch inhaliert man dann mit einem Röhrchen.

Paula hatte fast immer ein paar Kügelchen Shore zum Verkauf. Kleine Mengen, sie finanzierte so unter anderem ihren Eigenkonsum. Ich dachte mir scheiß drauf, ein paar mal rauchen und probieren wird mich schon nicht gleich abhängig machen. Keith Richards nahm auch Heroin und ist ein hervorragender Musiker. Damals war ich, ganz im Gegensatz zu der Zeit später nach meiner Transplantation, mit einem gesunden Selbstvertrauen ausgestattet. Ich hatte trotz der ganzen Partys mein Abi geschafft, war noch relativ sportlich, zehrte dabei allerdings nur noch von vergangenen Taten, doch meine Konstitution war trotzdem noch ganz ordentlich. Die 4 Jahre Wasserball hatten großen Anteil daran gehabt. So schnell konnte mich nichts umwerfen, ich fühlte mich unkaputtbar.

„Gib mir mal eine Kugel Shore für einen Fuffi“, sagte ich zu Paula, die mich daraufhin fragend anguckte. „Ist nicht für mich, ist für meinen Cousin“, antwortete ich ihr. Sie musste nicht wissen, dass ich es für mich haben wollte, und auch Pat wollte ich es nicht auf die Nase binden, nachdem ich vorher immer rumgetönt habe, an Shore würde ich nie rangehen. Außerdem sollte es ja eine einmalige Angelegenheit sein. Gespannt und um 50 Mark ärmer, dafür aber mit einer Kugel Heroin im Gepäck, machte ich mich auf den Heimweg.

Leberkoma

Подняться наверх